8. Juli 2006

Im Maschinenraum

Man kennt diesen Bildschnitt, kaum ein Tita- nic-Film hat ihn ausgelas- sen: Die luxuriöse Welt der oberen Decks, der Salons, der Reichen. Und dann ... zack ... der Maschinen- raum. Die Welt, die diesen Reichen verborgen bleibt. Die gewaltigen Maschinen, die schwitzenden Arbeiter, die emsigen Bediener des gigantischen Räderwerks, das den Reichen, denen "da oben", ihr sorgenfreies Bordleben ermöglicht.

Ein passendes Bild. Nicht für die "Klassengesellschaft", wie in Fritz Langs "Metropolis". Sondern für, sagen wir, Arbeit im Hintergrund, unbemerkte Arbeit. Arbeit, die erst auffällt, die erst unser Interesse findet, wenn sie nicht gelingt.

Die Arbeit der Hausfrau ist oft so charakterisiert worden - Erhaltung, nicht Produktion; das Entfernen von Unerwünschtem, von Staub und Schmutz. Das Aufrechterhalten des Gewünschten, wie einer freundlichen Wohnung, zufriedener Kinder, eines Heims, mit dem die Familie Ehre einlegt. Unspektakuläre Arbeit also, ja unsichtbare. Also auch eine Art der Arbeit, die selten Anerkennung findet.



Heute liefen drei Meldungen über die Agenturen, die einen besonders eklatanten Fall dieser Arbeit im Hintergrund, im Versteckten betrafen, nämlich die Arbeit der Sicherheitsdienste. Sie arbeiten nicht nur einfach im Hintergrund, sondern es ist geradezu ihr Wesen, im Hintergrund zu arbeiten. Wenn sie in die Schlagzeilen geraten, dann haben sie etwas falsch gemacht. Selten nur werden sie wegen ihrer Erfolge erwähnt, kaum jemals hängen sie selbst diese an die große Glocke. Eine Glocke, deren Bimmeln ihnen die Arbeit meist nur erschweren würde.

Manchmal aber gibt es doch Gründe und Anlässe dafür, daß diese Dienste auch dann in die Schlagzeilen gelangen, wenn sie gut gearbeitet haben.



Das erste der drei heutigen Beispiele verdankt sich einem Jahrestag, nämlich dem der Terroranschläge in London. Aus diesem Anlaß ging der Chef der Londoner Polizei, Metropolitan Police Commissioner Sir Ian Blair, vor die Öffentlichkeit und gab einen kleinen Einblick in die Sicherheitslage. Sechzig Menschen stehen in Großbritannien im Augenblick wegen Terrorismus vor Gericht oder warten auf ihr Verfahren - mehr als in jedem anderen Land, sagte Blair. Und er berichtete von drei terroristischen Unternehmen, die seit den Anschlägen vor einem Jahr in Großbritannien aufgedeckt werden konnten.

Keine dieser vereitelten Taten hatte Aufsehen in der Öffentlichkeit erregt; auch die fünf Dutzend Terroristen, die auf ihr Urteil warten, sind weitgehend ohne die Aufmerksamkeit der - jedenfalls der internationalen - Öffentlichkeit gefaßt worden. Im Maschinenraum wird gearbeitet, aber solange die Titanic auf ihrer Route fährt, findet das kaum Beachtung.



Der zweite Fall ist spektakulärer, aber es ist wohl eher eine Panne, daß er an die Öffentlichkeit gekommen ist: Die Aufdeckung eines Plans von Terroristen, auf einen Tunnel - einen Straßen- oder Bahntunnel - in New York, unter dem Hudson River zwischen Manhattan und New Jersey, einen Anschlag zu verüben in der Erwartung, daß damit Teile New Yorks, vielleicht gar die verhaßte Wall Street, überflutet werden würden.


Acht Hauptverdächtige seien bekannt, gaben die US-Behörden bekannt, einige davon inzwischen in Haft. Das libanesische Innenministerium hat bestätigt, daß ein Verdächtiger dort inhaftiert sei.

Bekannt wurde die Sache durch einen Bericht der "Daily News", und das war wohl die Panne - daß der geplante Anschlag an die Öffentlichkeit gelangte. Wenn alles optimal verläuft, dann arbeiten Sicherheitsorgane geräuschlos.



Wie jetzt in Deutschland bei der Fußball-WM. Es ist fast gespenstisch, wie glatt alles bisher gelaufen ist. Keine Straßenschlachten zwischen Hooligans, keine Ausschrei- tungen, kein terroristischer Anschlag. Auf den Oberdecks der Titanic wird getanzt und gefeiert.

Von dem, was im Maschinenraum an Arbeit geleistet wird, erfährt man kaum etwas. Ganz gelegentlich kommt einmal etwas davon in die Medien. In einem TV-Bericht war vor ein paar Tagen zu erfahren, daß überall in Berlin Polizisten in Bereitschaft gehalten werden - in Parks, in Nebenstraßen, irgendwo, wo sie nicht auffallen. Ein winziger Ausschnitt aus dem, was die Polizei, was der Verfassungsschutz und der BND, was auch die Feuerwehr, das THW und andere Organisationen leisten. Unauffällig unter Deck.



Heute war in der Münchner tz zu lesen:
"Es wurde kein einziger Hooligan gesichtet", bilanziert KVR-Referent Wilfried Blume-Beyerle zufrieden. "Die wurden alle zu Hause abgefischt." Die WM war eine friedliche Veranstaltung; das heiße aber nicht, dass die strengen Sicherheitsvorkehrungen nicht nötig gewesen wären. Der Katastrophenschutz war bei jedem Spiel zum Einsatz bereit. Jeweils 3000 Ehrenamtliche aus ganz Bayern opferten ihre Freizeit, um schnelle Rettung zu gewährleisten. Allein die Feuerwehr leistete 38 000 Arbeitsstunden ab. An den Spieltagen waren bis zu 3000 Polizisten im Einsatz.
In den anderen WM-Städten, auch in den anderen deutschen Städten, in denen es Fanmeilen und Public Viewing gab, wird es vergleichbar gewesen sein.



Ich finde, wenn alles vorbei ist und alles gut gegangen ist, dann sollte man einmal die Besatzungen der Maschinenräume an Deck rufen. Sie auszeichnen, ihnen danken.