1. Januar 2007

Meine Blogokugelzone: Ein sehr persönlicher Rückblick auf 2006

Eine Sphäre ist, mathematisch gesprochen, die Oberfläche einer Kugel. Ein Ausschnitt aus dieser Oberfläche heißt eine Kugelzone.

Für die Welt der Blogs beginnt sich die Bezeichnung "Blogosphäre" einzubürgern. Das, wozu ich hier ein paar Worte schreiben möchte, ist, exakt benannt, also eine Blogokugelzone; eine Teilmenge der Menge aller Blogs.

Ein Ausschnitt, dessen Koordinaten man freilich nicht genau angeben kann. Er umfaßt diejenigen Blogs, mit denen ich etwas anfangen kann. Viel genauer geht es eigentlich nicht. Aber gut, ich versuche es: Liberalismus besteht aus meiner Sicht darin, die Welt vernünftig, mit Respekt vor wissenschaftlichen und technischen Leistungen, mit Skepsis, ohne Vorurteile und mit unbedingter Gegnerschaft gegen jede Spielart des Totalitarismus zu betrachten.

Naja, oder auch nicht. Definitis habe ich immer gehaßt.



Als ich Anfang Juni 2006 mit diesem Beitrag "Zettels Raum" eröffnet habe, verstand ich vom Bloggen ungefähr so viel wie von der Sprache der Hopi und von der Zubereitung des Borschtsch.

Ich hatte so gut wie keinen Blog gelesen, wußte nichts von der Blogosphäre. "Gestern wußte ich noch nicht, wie man Inschenör schreibt, und heute bin ich selber einen" - exakt das war meine Verfassung.

Ich hatte seit ein paar Jahren viel im Web geschrieben, aber nur in Foren; ich hatte sozusagen Web 2.0 noch nicht mental installiert.

Nun schloß das Forum, in dem ich hauptsächlich geschrieben hatte. Ich aber beschloß, Blogger zu werden.



Also war ich in einer Situation, die ein Grundthema der Literatur seit Jahrtausenden ist: Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen. Oder, natürlich, sein Glück zu machen. In dem Beitrag zu Road Movies war dazu kürzlich etwas zu lesen.

Auf verschlungenen Wegen habe ich allmählich diesen und jenen anderen Blog aus der Kugelzone kennengelernt, und zu meiner Freude haben auch andere nach und nach "Zettels Raum" kennengelernt.

Und siehe, da waren viele, die politisch weitgehend dachten wie ich; mit denen die Übereinstimmungen jedenfalls groß war. Mit denen ich mich, glaube ich, auch außerhalb des Politischen verständigen kann, wie zum Beispiel mit Metalust und Subdiskurse, was sozusagen für mich die linke Kante meiner Blogokugelzone markiert. So, wie Politically Incorrect die rechte.



Daß es diese Kugelzone gab, das war mir entgangen gewesen. Ich hatte in rechten und linken Foren geschrieben; dort meine liberale Position sozusagen provokativ ausbreitend.

Ich leugne nicht, daß mir das sehr gefallen hat und daß ich gern provoziert habe. Nur war das auf die Dauer etwas anstrengend und wurde auch langweilig und unfruchtbar. Es war ein paar Jahre gut so gewesen, aber ich mochte eigentlich nicht mehr.



Nun gut, ich habe also nun diese liberalkonservative Kugelzone peu à peu kennengelernt. Und ich freue mich, daß "Zettels Raum" dort allmählich beachtet wurde.

Es gab immer dann einen sehr sichtbaren Zuwachs der Besucherzahlen, wenn jemand aus der Kugelzone auf "Zettels Raum" aufmerksam gemacht hatte. Dreien dieser Blogs habe ich besonders viel zu verdanken: Dem Augenzuppler, der jetzt als Philolog oder so ähnlich weitergeführt wird, den Bissigen Liberalen von B.L.O.G. und Statler und Waldorf.



Weil das "Zettels Raum" so sehr geholfen hat, möchte ich jetzt umgekehrt in diesem Jahr in gelegentlichen Beiträgen unter der Überschrift: "Aufgemerkt" auf Blogs aus der Kugelzone aufmerksam machen, die meines Erachtens noch nicht so beachtet werden, wie sie es verdient haben.

Heute mache ich den Anfang mit Ex-Blond, einem sehr schön gestalteten, vor allem aber gut geschriebenen, mir ausgesprochen sympathischen Blog, den ich gerade in meine Linkliste aufgenommen habe.



Was diese Linkliste angeht: Kürzlich hat mir jemand, den ich sehr schätze, geschrieben "Deine Blogroll finde ich auch einigermaßen spannend, aber dazu schreibe ich vielleicht noch eine separate Mail ;-)".

Auf die ich gespannt warte. Aber ich ahne die mahnenden Worte, die darin stehen werden. Deshalb dazu eine kleine Anmerkung:

Wenn ich jemanden verlinke, dann heißt das nicht, daß ich mit dem betreffenden Blog im einzelnen übereinstimme. Aber doch in der freiheitlichen Grundhaltung.

Die Kugelzone, der ich mich zugehörig fühle, reicht von denjenigen, die die Freiheit vor allem gegen die aktuelle Spielart des Totalitarismus, den Islamismus, verteidigen, bis zu denjenigen, denen die Freiheit vor staatlicher Bevormundung am wichtigsten ist, oder die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung. Oder vielleicht die Freiheit der sexuellen Lebensgestaltung, oder sonst des Life Style.



Für mich, als jemanden mit politischen Erfahrungen, die in die sechziger Jahre zurückreichen, steht allerdings nach wie vor auch der Kampf gegen den Kommunismus und gegen den Nazismus im Vordergrund.

Gewiß ist der Islamismus im Augenblick lauter und wirksamer. Aber auch die beiden anderen Schöße sind noch fruchtbar.
Mit einem geradezu absurd geringen Medienecho findet im Augenblick in Venezuela der Übergang zur Diktatur des Proletariats statt.
In China ist die kommunistische Dikatur alles andere als am Ende.
Und die Nazis mögen zwar geringe Chancen haben, jemals wieder irgendwo die Staatsmacht zu erobern - aber ihre Ideologie verschmilzt ja immer mehr mit derjenigen der beiden anderen Spielarten des Totalitarismus. Ob Chávez nun ein sozialistischer Nationalist oder ein Nationalsozialist ist - was macht das für einen Unterschied? Ist Ahmadinedschad mehr Islamist oder mehr Nationalsozialist?

Der Nationalsozialismus hat sich gewandelt, er hat sich mit den anderen Spielarten des Totalitarismus amalgamiert. Aber sein Grundgedanke, daß jedes Volk das Recht hat, jedes andere Volk zu vernichten, daß eine siegreiche politische Bewegung das Recht hat, Andersdenkende und Andersartige brutal zu vernichten, ist ja noch nicht am Ende.



Aus meiner Sicht ist der Sieg des Kapitalismus, der Demokratie und des liberalen Rechtsstaats in diesem Jahrhundert, das sich nun schon dem Ende seines ersten Jahrzehnts nähert, zwar wahrscheinlich, aber noch keineswegs sicher.