30. März 2007

Rückblick: Scharia am Main? Oder: Ein Kind springt auf die Straße

Vor gut einer Woche habe ich darauf aufmerksam gemacht, daß entgegen dem Tenor der öffentlichen Diskussion die Frankfurter Familienrichterin, die sich in einer Entscheidung auf die Sitten des islamischen Kulturkreises bezog, damit keineswegs die Scharia als Rechtsquelle anerkannte, oder was sonst an Unsinn dazu noch geschrieben worden war.

Sie hatte nur zu entscheiden, ob ein besonderer Härtefall vorlag, der eine vorzeitige Scheidung rechtfertigte. Und das hat sie eben verneint. Unter anderem mit der Begründung, die Frau habe, als sie einen Moslem heiratete, mit dessen Auffassung von der Ehe und den Rechten des Mannes darin rechnen müssen.

Sie hat damit das Verhalten des Mannes in keiner Weise gebilligt oder gar die Scharia als Rechtsquelle anerkannt. Sie hat so entschieden wie, sagen wir, ein Vekehrsrichter, der schreibt: "Der Angeklagte hätte in der Nähe einer Schule damit rechnen müssen, daß ein Kind plötzlich auf die Straße springt". Damit rechtfertigt der Richter es ja nicht, daß ein Kind plötzlich auf die Straße springt.



Nun also hat sich - verspätet, aber immerhin - der Deutsche Richterbund zu der Sache geäußert, in Gestalt seines Vorsitzenden Wolfgang Arenhövel:
Arenhövel, der früher selbst Familienrichter war, sagte, auch in Fällen körperlicher Misshandlung "kann es zur Versöhnung kommen". Dass man sich als Richter mit muslimischen Gebräuchen auseinandersetzen müsse, "ist völlig selbstverständlich“. Es gebe aber überhaupt keine Anhaltspunkte für eine Tendenz der Rechtsprechung zugunsten des Islams.
Den Verweis auf den Koran kritisierte Arenhövel. Aber der steht ja wohl nicht in der Entscheidung, sondern in einer dienstlichen Erklärung, mit der die Richterin sich gegenüber den Vorwürfen zu rechtfertigen versucht hatte.



Und noch etwas Wichtiges sagten Arenhövel:
Kritik in diesem Fall sei auch berechtigt, aber Disziplinarmaßnahmen zu erwägen gehe zu weit. "Es wird in unangemessener Weise mit der Justiz umgesprungen." Man könne auf eine fehlerhafte Rechtsprechung nicht mit Disziplinarverfahren reagieren.
In der Tat: Ein Skandal war nicht diese Entscheidung einer Richterin. Ein Skandal war und ist es, wie schnell ein Justizminister, angespornt - oder vielleicht eher getrieben - durch das übliche öffentliche Empörtheitstheater, einen so schweren Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit erwägt wie dienstrechtliche Schritte.

Da geht es wirklich um die Substanz des Rechtsstaats, der auf der Gewaltenteilung und ganz besonders auf der Unabhängigkeit der Richter basiert. Aber seltsam - eine öffentliche Diskussion über diesen Aspekt der Sache scheint bisher nicht stattgefunden zu haben.

Vielleicht kommt sie ja jetzt, nachdem sich der Deutsche Richterbund doch noch zu einer Stellungnahme durchgerungen hat.