18. März 2007

"So macht Kommunismus Spaß" (3): Die Aktualität der RAF

Über die RAF wird gegenwärtig in der Öffentlichkeit so intensiv und langanhaltend diskutiert wie seit dreißig Jahren nicht mehr; seit dem Deutschen Herbst 1977. Was sind die Ursachen?

Vordergründig natürlich die Debatte um eine vorzeitige Haftentlassung von Mohnhaupt und Klar. Aber auch andere Top- Terroristen sind früher vorzeitig entlassen worden, ohne daß das eine solche Diskussion ausgelöst hätte. Es müssen wohl andere Momente hinzukommen. Plausibel erscheinen mir zwei Faktoren.



Der erste ist der gegenwärtige Generationswechsel. Die Achtundsechziger nähern sich dem Rentenalter; wenn auch manche, wie Claus Peymann, noch putzmunter sind. Jedenfalls ist aber die Generation ihrer Kinder - der um 1960, 1970 Geborenen - jetzt an führende Positionen in der Publizistik, in den Medien gelangt.

Sie stellen nun an ihre Elterngeneration dieselben Fragen, die die Achtundsechziger an ihre Eltern gestellt haben: Wie konntet ihr auf eine solche Ideologie hereinfallen? Wie konntet ihr Sympathie für Mörder empfinden? Wie konntet ihr euch selbst auf ein hohes moralisches Roß setzen, um von diesem herab scheußliche Verbrechen wenn auch nicht zu billigen, so doch ihnen nicht so entschlossen entgegenzutreten, wie das nötig gewesen wäre?



Zweitens ist das Thema "Terrorismus" ja nicht Vergangenheit, sondern bedrängende Gegenwart. Es ist gut möglich, daß wir in Deutschland vor einer Welle des Terrorismus stehen, die derjenigen der siebziger Jahre vergleichbar ist. Viele Fachleute rechnen jedenfalls damit.

In gewisser Weise war die RAF somit ihrer Zeit voraus gewesen.

Zwar hatte es auch damals schon weltweit Terrorismus gegeben. Daher bezog man ja seine Vorbilder, bis hin zu der Selbst- Bezeichnung als "Stadtguerrilla", die die RAF von den südamerikanischen Tupamaros und ähnlichen Terror- Organisationen übernommen hatte.

Aber dieser Terrorismus fand doch fern von den westlichen Demokratien statt, den "Metropolen", wie die Linken damals sagten. Und er war jeweils aus bestimmten lokalen Problemen heraus entstanden - der palästinensische Terror aus der Situation der in Lagern lebenden Palästinenser heraus, der südamerikanische Terror als Reaktion auf die dort herrschenden Diktaturen, der Terror in Irland, im Baskenland auf der Grundlage örtlicher ethnischer oder religiöser Konflikte.

Das qualitativ Neue bei der RAF (und in geringerem Maß bei den Brigate Rosse und der Action Directe) war die völlige Abwesenheit solcher lokaler Motive für den Einsatz des Verbrechens für politische Ziele. Das gab dieser europäischen, dieser speziell deutschen Variante des Terrorismus etwas Mutwilliges, etwas Willkürliches, etwas, sagen wir, Dezisionistisches.

Auch wenn man den Terror der Palästinenser, der Tupamaros, der IRA nicht billigte, konnte man doch seine Motive verstehen - Flüchtlingsschicksale, Schicksale von durch Dikaturen Verfolgten, tiefverwurzelte, über Generationen hinweg gewaltsam ausgetragene Konflikte wie in Irland. Terrorismus als letzter Ausweg, oder als Fortsetzung einer blutigen Tradition.

Nichts dergleichen gab es in Deutschland. Keiner von denen, die sich entschlossen, zu politisch motivierten Mördern zu werden, hatte persönlich oder in seiner Familie etwas so Schlimmes erlebt, daß ihn das hätte motivieren können, dagegen zur Waffe zur greifen.

Auch die politischen Verhältnisse in Deutschland boten dazu nicht den geringsten Anlaß. Es war ja die Zeit der sozialliberalen Koalition. Nicht die Spur einer "faschistischen Gefahr", die in irgendeiner Weise ein Motiv für den "bewaffneten Kampf" hätte liefern können.

Nein, die Motivation dieser Leute war eine rein abstrakte. Sie litten nicht. Keiner aus ihrem Umkreis litt. Ihre Aggression entstand nicht aus Frustration. Sondern sie entstand aus dem Glauben. Die RAF-Mörder waren Glaubenskrieger.



Sie glaubten an die kommunistische Utopie. Sie sahen sich als Soldaten in einem weltweiten Kampf gegen das Böse. Heute heißt das Dschihad.

Die heutigen Dschihadisten gleichen den RAF-Mördern wie ein Ei dem anderen: Auch sie kommen in der Regel aus der bürgerlichen Mittelschicht, haben selbst kein Leid durch die USA oder den Westen erfahren. Auch sie verfolgen die Strategie, "den Kampf in die Metropolen" zu tragen; also Anschläge dort zu verüben, wo friedliche, demokratische Verhältnisse und Wohlstand herrschen.

Wir tun also gut daran, uns an den RAF-Terror zu erinnern. Er ist so etwas wie die Blaupause für das, was uns für die kommenden Jahre bevorstehen könnte.

Die ersten beiden Folgen dieser Serie sind hier und und hier zu lesen.