2. April 2007

Zar Putin und die Kontinuität der russischen Politik

Wirklich gut ist ein Herrscher nur dann, wenn er auch die Opposition kontrolliert. Das wußte schon der Zar Nikolaus, dessen Geheimpolizei zeitweise einen großen Teil der Untergrundarbeit gegen die Monarchie selbst organisierte.

In dieser Tradition steht Zar Putin, wenn er kürzlich seine Kreml- eigene Oppositionspartei gründen ließ, die Partei "Gerechtes Rußland".

Freilich nicht für Untergrundarbeit, sondern damit die Russen frei entscheiden können, ob sie Putin wählen, indem sie für dessen Partei "Einiges Rußland" stimmen, oder ob sie es vorziehen, Putin zu wählen, indem sie für dessen Partei "Gerechtes Rußland" stimmen.

Zugleich wurden die bisherigen, wirklichen Oppositions-parteien dadurch entmachtet, daß man ihnen in großem Umfang die Zulassung zu den Wahlen verweigerte.



Diese Neugründung "Gerechtes Rußland" nun scheint Putins Erwartungen nicht nur zu erfüllen, sondern ihr Soll sozusagen überzuerfüllen. Wie vergangen Freitag berichtet wurde, hat sich der Vorsitzende dieser getreuen Oppositionspartei, Sergej Mironow, für eine Verlängerung der Amtszeit von Präsident Wladimir Putin eingesetzt:
"Ich möchte die Frage nach der Möglichkeit, ja vielleicht sogar Notwendigkeit der Änderung eines Verfassungsartikels der Russischen Verfassung aufwerfen. (...) Ich schlage vor, die Amtszeit auf fünf, wenn nicht sogar sieben Jahre zu erhöhen", sagte Mironow. Zugleich sprach sich der alte und neue Föderationsratsvorsitzende dafür aus, Putin eine dritte Amtszeit einzuräumen. Da sich Putin zuvor mehrfach gegen eine Verfassungsänderung ausgesprochen hatte, schlug Mironow vor, parlamentarische Versammlungen auf allen Ebenen abzuhalten, um den Präsidenten zu einem Meinungsumschwung zu bewegen.
Anfang Februar habe ich darauf aufmerksam gemacht, daß die Verfassung zwar Putin eine weiter Amtszeit verbietet, daß aber noch keineswegs ausgemacht ist, ob das auch wirklich gilt.

Damals habe ich verschiedene Möglichkeiten diskutiert, wie Putin sich eine weitere Amtszeit verschaffen könnte. Die jetzige Rede des getreuen Oppositionsführers Mironow deutet darauf hin, für welchen Weg er sich entschieden hat.



In einem lesenswerten Beitrag in "Freunde der offenen Gesellschaft" macht Euckens Erbe auf einen Artikel aufmerksam, den der russische Botschafter Kotenew gerade in der "Welt" publiziert hat. Darin geht es um die geplante Stationierung von Abwehrraketen in Polen und der Tschechoslowakei, gegen die Kotenew heftig argumentiert.

Etwas ungewöhnlich, daß ein Botschafter, dem doch eigentlich diplomatische Zurückhaltung auferlegt ist, sich so ungeniert in die öffentliche Diskussion seines Gastlandes einmischt.

Und es ist ja nicht das erste Mal. Als vergangenen November der stellvertretende Leiter des MfS, Mischa Wolf, zu Grabe getragen wurde, hielt die Trauerrede just jener Wladimir V. Kotenew, Botschafter der Russischen Föderation.



Was hat ein Botschafter eine Trauerrede am Grab eines Mannes zu halten, der in seinem Gastland wegen politisch motivierter Verbrechen verurteilt worden war? Was hat ein Botschafter einen Zeitungsartikel zu schreiben, mit dem er in die politische Diskussion in seinem Gastland eingreift?

Nicht wahr, das erinnert schon ein wenig an die Attitüde der Sowjet- Botschafter in Ostberlin, die sich bis 1989 eher als Statthalter des Kreml in einer Provinz des kommunistischen Reichs benahmen?



Und das ist es, was den Zusammenhang zwischen diesen beiden aktuellen Meldungen herstellt: Putin ist dabei, innenpolitisch an die kommunistische Tradition anzuknüpfen. Und auch seine Außenpolitik beginnt sich allmählich zur Kenntlichkeit zu verändern: Wer glaubt, Rußland habe den Hegemonial- Anspruch über Osteuropa aufgegeben, der hat nichts von der Kontinuität der russischen Politik verstanden.