19. Juni 2007

Über Leonhard Euler; nebst Anmerkungen zur Mathematik

Ist Ihnen schon einmal, sagen wir auf einer Party, jemand begegnet, der fröhlich lachend sagte: "Also, in Rechtschreibung und Lesen war ich in der Schule immer schlecht"?

Mir noch nicht. Aber jeder kennt den Spruch: "In Mathematik hatte ich eine vier".

Allenfalls das Turnen, der Sport, die "Leibesübungen" gelten noch als ein Fach, in dem in der Schule schlecht gewesen zu sein so wenig ehrenrührig ist wie in der Mathematik.

Ist das nicht seltsam? Keine Wissenschaft ist für unser Leben so wichtig wie die Mathematik; denn alle Naturwissenschaften basieren auf ihr; selbst Wissenschaften wie die Soziologie, die Psychologie, die Medizin könnten ohne mathematische Modelle, ohne die Methoden der mathematischen Prüfstatistik nicht in ihrer heutigen Form existieren.

Die Mathematik sollte in der Schule das wichtigste Fach sein; in der Gesellschaft die am meisten geachtete Wissenschaft. Es ist leider nicht so.



Ich habe das Fach Mathematik in der Schule immer sehr gemocht. Nicht die Rechnerei. Aber die euklidische Geometrie, die Analysis, die Analytische Geometrie.

Die Eleganz von Beweisen hat mich schon in der Mittelstufe fasziniert, später dann die Übereinstimmung, ja der Gleichklang zwischen der Welt der Anschauung und der Welt der Zahlen in der "Höheren Mathematik", wie man das so nannte.

Mathematik ist Ordnung, Kosmos. Aber eben nicht nur geistige Ordnung; sondern die Natur selbst gehorcht mathematischer Ordnung. Sonst würde ja eine Rakete nicht auf der berechneten Bahn fliegen, würde Brücken und Gebäude nicht stabil sein, weil der Statiker sie richtig berechnet hat.



Eleganz, Schönheit - das ist die eine Seite der Mathematik, für die in der Antike die Pythagoräer standen und Platon. Praktische Anwendbarkeit ist die andere. Archimedes - der aktuelle "Spiegel" hat eine Geschichte über ihn - entdeckte das Gesetz des Auftriebs, als es darum ging, einen Goldfälscher zu entlarven.

Kaum ein Mathematiker verkörpert in seiner Person so perfekt diese beiden Seiten der Mathematik wie Leonhard Euler (1707 - 1783).

In der "Washington Post" war kürzlich ein schöner Artikel über ihn zu lesen, anläßlich seines 300. Geburtstags im April dieses Jahres.

Er hat - nach dem Urteil einer mathematischen Fachzeitschrift - drei der "fünf schönsten" mathematischen Gleichungen gefunden. Und Schönheit, Eleganz, Einfachheit - das sind eben Kategorien, in denen Mathematiker denken.

Aber er war auch zeitlebens an praktischen Anwendungen der Mathematik interessiert. Als er am 18. September 1783 starb, standen auf seiner großen Schiefertafel - er brauchte sie, weil er immer schlechter sehen konnte - Formeln für die Höhe, in die sich ein Heißluftballon erheben kann.



Wo "wirkte" er, dieser Eidgenosse? Überwiegend in Rußland und in Preußen. Im Rußland Katharinas der Großen. Im Preußen des Alten Fritzen. Zwei Staaten also, die einen Nachholbedarf an Wissenschaft hatten; deren Herrscher mittels wissenschaftlicher Akademien zu den Großen, also England und Frankreich, aufschließen wollten.

Sie holten sich also Wissenschaftler aus anderen Ländern, um Forschung und Bildung im eigenen Land zu fördern. Meist aber erwartete man von ihnen auch Praktisches. In St. Petersburg mußte Euler geographische Karten zeichnen. Und Friedrich II wollte, daß er die Berechnungen für Fontänen im Garten von Sanssouci vornahm.

Aber die schossen nicht in die Höhe, sondern sprudelten nur matt. Das war - neben dem Hohn, den Friedrichs Liebling Voltaire über ihn ausgoß - die Ursache für das Ende von Eulers Tätigkeit für den preußischen König.