11. Juni 2007

Gedanken zu Frankreich (14): Wie François Bayrou an einer Klausel des Wahlrechts scheiterte

Erst hatte er kein Glück, und jetzt kommt auch noch Pech dazu.

Anfang Februar war der Stern von François Bayrou aufgegangen, als Umfragen ergaben, daß er im zweiten Wahlgang sowohl Ségolène Royal als auch Nicolas Sarkozy schlagen würde.

Er hatte ein vernünftiges, liberales Programm; er setzte der Rhetorik von Royal und Sarkozy die nüchterne Gelassenheit des bodenständigen Mannes aus dem Südwesten entgegen.

Er war - und ist auch weiter - mein Favorit: Sein Programm zur Modernisierung Frankreichs erscheint mir durchdachter und risikoärmer als das des immer ein wenig hyperaktiven Sarkozy.

Nun hat aber Sarkozy gesiegt. Ich bewerte das genauso wie Statler: Wenn schon kein Liberaler zu haben war, dann ist ein Konservativer mit liberalen Zügen doch auch schon ein großer Fortschritt; gibt er Anlaß zu großen Hoffnungen. Zumal Sarkozy in manchem das Programm Bayrous zu realiseren scheint.



Zwischen den beiden Wahlgängen sah es so aus, als hätte Bayrou, der mit fast 19 Prozent im ersten Wahlgang glänzend abgeschnitten hatte, doch immerhin eine Position erlangt, die ihm einen beachtlichen Einfluß sichern würde. Die im günstigsten Fall ihm die Rolle eines Oppositionsführers gegen Sarkozy würde geben können.

Das ist Vergangenheit. Denn Bayrou machte einen fundamentalen Fehler, der einem Profi nicht hätte passieren dürfen. (Manche französische Kommentatoren meinen allerdings, daß er keine Wahl gehabt hätte): Er nahm keine Rücksicht auf die Deputierten seiner eigenen Partei, der UDF. Diese waren durchweg nur dank Wahlabsprachen mit Sarkozys UMP in die Nationalversammlung gekommen. Und nun wendete sich Bayrou schroff gegen die UMP; ohne Abstimmung mit seinen Getreuen, soviel man weiß.

Die Folge war, daß diese sich nicht an Bayrous "Mouvement Démocrate" beteiligten, sondern ein "Neues Zentrum" bildeten, verbündet mit der UMP.



Da hatte Bayrou kein Glück gehabt. Und heute nun kam Pech dazu. Die Norne, die dieses Pech über ihn ausgoß war - das Wahlrecht.

Ich habe kürzlich einmal wieder meine Vorliebe für das Mehrheits- Wahlrecht zu Protokoll gegeben und dabei die französische Variante hervorgehoben.

Und just diese ist nun François Bayrou zum Verhängnis geworden. Genauer, eine ihrer Bestimmungen.

Eine Bestimmung, die aus meiner Sicht überflüssig, ja systemfremd ist. Und die nun zu einem unerwarteten Effekt geführt hat.

Diese Bestimmung besteht in einem Quorum. In der französischen Variante des Mehrheitswahlrechts gibt es zwei Wahlgänge. Im ersten ist derjenige in einem Wahlkreis gewählt, der die absolute Mehrheit erreicht. Schafft das kein Kandidat, dann gibt es einen zweiten Wahlgang, in dem die relative Mehrheit ausreicht.

Und nun kommt die Klausel, die Bayrou zum Verhängnis wurde: Die Teilnahme am zweiten Wahlgang ist mit einem Quorum verbunden. Nur, wer mindestens 12,5 Prozent erreicht, darf in den zweiten Wahlgang.

12,5 wovon? Nicht von den abgegebenen Stimmen, sondern 12,5 Prozent der Stimmberechtigten.

Wenn nun, wie jetzt, nur gut 60 Prozent zur Wahl gehen, dann bedeutet das, daß nur in den zweiten Wahlgang darf, wer mehr als zwanzig Prozent der abgegebenen Stimmen erreicht hat.
In Wahlkreisen mit geringer Wahlbeteiligung noch mehr.



Und so ging sie dahin, die Hoffnung von Bayrou, seine Kandidaten könnten mit den Kandidaten der Linken oder auch der Rechten lokale Absprachen für den zweiten Wahlgang treffen. So, wie das die Linke immer gemacht hat - mal zog sich der Kommunist zugunsten des Sozialisten zurück, anderswo umgekehrt. Am Ende gewannen beide.

Denn es sind kaum Kandidaten des "Mouvement Démocrate" übriggeblieben, die überhaupt einen solchen Handel schließen könnten.



Was dieses Quorum angeht - ich kann in ihm keinen Sinn sehen. Warum sollen denn nicht auch im zweiten Wahlgang alle antreten können, die das denn wollen? Sie werden aus eigenem Interesse doch versuchen, Bündnisse einzugehen.