21. August 2007

Zettels Meckerecke: Wie Schlaumeier die Studiengebühren sparen können

Es gibt Meldungen, die sind so absurd, daß ihre Lektüre bei mir sozusagen reflektorisch den Klick zur Quelle auslöst.

So ist es mir heute gegangen, als ich in einem Artikel der FAZ unter der Überschrift "Gebühren- Rabatt für Genies" dies gelesen habe:
In der vergangenen Woche traten die baden- württembergischen Universitäten Freiburg und Konstanz mit dem neusten Coup im Kampf um die Super- Studenten an die Öffentlichkeit. "Alle Studenten, die einen höheren Intelligenzquotienten als 130 besitzen, werden von den Gebühren befreit", lautet ihre Parole. Die Testergebnisse des Hochbegabtenvereins "Mensa" gelten als maßgebend.
Weil ich nicht glauben mochte, daß deutsche Hochschulen - noch dazu zwei so renommierte wie Freiburg und Konstanz - sich allen Ernstes einen solchen Mumpitz leisten, habe ich nachgesehen.

Erst bei der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Und siehe, da steht's:
Von der Gebührenpflicht können auf Antrag befreit werden: (...) Studierende mit einer weit überdurchschnittlichen Begabung (...) Eine weit überdurchschnittliche Begabung wird für Studierende angenommen, die einen IQ von mindestens 130 nachweisen können, der aus einem nicht länger als 3 Monate zurückliegenden IST-70 oder HAWIE-Test resultiert. Auch ein erfolgreicher Test (IQ ab 130) bei Mensa e. V., der nicht länger als 3 Monate zurückliegt genügt als Nachweis. (...)
Die Konstanzer hüten sich zwar wenigstens, sich auf den HAWIE und den IST-70 (das ist der Intelligenz- Struktur- Test von Amthauer) zu beziehen. Aber auch dort ist in den einschlägigen Bestimmungen von einer Gebühren- Befreiung für Studierende die Rede, "die einen Hochbegabtentest oder ein Hochbegabtenzertifikat vorlegen können".

Mag sein, daß "Mensa" tatsächlich ein "Hochbegabten- Zertifikat" ausstellt; es gibt ja wenig, was man nicht zertifizieren kann. Deckhengste haben wohl auch solch ein Zertifikat.



Ich erspare mir den billigen Witz, daß diejenigen, die sich das ausgedacht haben, wohl nicht zum Kreis derjeniger gehören dürften, die einen IQ über 130 nachweisen können.



Wer Gutachten für Studierende schreibt, die sich an ausländische Universitäten bewerben oder die in die Studienstiftung des deutschen Volkes, das Cusanuswerk, das Evangelisches Studienwerk Villigst, die Hans-Böckler-Stiftung oder dergleichen aufgenommen werden wollen, der bekommt im Allgemeinen von diesen Institutionen Merkblätter, in denen steht, welche Kriterien ihnen wichtig sind.

Das sind natürlich zum einen die bisherigen Studienleistungen. Sie sind aber in der Regel keineswegs entscheidend.

Gefragt wird der Gutachter nach der Breite und Ernsthaftigkeit der wissenschaftlichen Interessen der Bewerber; nach ihrer Fähigkeit zum wissenschaftlichen Denken. Gefragt wird, ob nach dem Eindruck des Gutachers sich die Bewerber aus einer intrinsischen Motivation heraus für Wissenschaft interessieren. Ob sie z.B. von sich aus wissenschaftliche Fragen aufwerfen, Lösungswege erarbeiten, sich an selbstgewählten Themen versuchen.

Es wird auch nach der Bereitschaft zum Engagement gefragt. Es wird manchmal nach den Interessen außerhalb des Studiums gefragt - künstlerischen, philosophischen, vor allem auch sozialen Interessen.



Daß irgendeine US-Universität oder ein deutsches Föderungswerk nach dem IQ fragen oder ihn gar der Entscheidung über eine Bewerbung zugrundelegen würde, muß jedem als absurd erscheinen, der sich in diesem Bereich ein wenig auskennt.

Denn es liegt doch auf der Hand, daß ein hoher IQ allenfalls eine notwendige, aber gewiß nicht eine hinreichende Voraussetzung für den Studienerfolg, für eine wissenschaftliche Karriere ist.

Unter den Kneipiers in den Studentenvierteln, unter den verkrachten Studenten, unter denjenigen, die in einer gesicherten Nische irgendwo ihr Unterkommen und Auskommen gefunden haben, dürfte es von Menschen mit einem hohen IQ nur so wimmeln.

Schließlich ist ein IQ über 130 ja gar nicht so selten. In Deutschland haben ihn rund 1,6 Millionen Menschen. Die wenigsten von ihnen eignen sich zur Wissenschaft; weil ihnen eben andere Persönlichkeitsmerkmale, Fähigkeiten, Interessen fehlen.



Sieht man einmal davon ab, daß es geradezu kindlich ist, einen IQ über 130 als einen guten Prädiktor für Studien- und wissenschaftlichen Erfolg zu betrachten, dann liegt des weiteren ein praktischer Einwand gegen das auf der Hand, was sich die Universitäten Freiburg und Konstanz da ausgedacht haben: Selbstverständlich kann man es trainieren, bei einem Intelligenztest gut abzuschneiden.

Das liegt schlicht daran, daß Intelligenztests standardisiert sind. Von dem in den Freiburger Bestimmungen genannten HAWIE gibt es zum Beispiel nur eine einzige aktuelle Version (den HAWIE III).

Einige der Untertests dieses HAWIE sind nur mit größerem Aufwand trainierbar; zum Beispiel die Messung der Gedächtnisspanne ("Zahlen nachsprechen"). Aber viele kann man entweder gut üben (den Mosaik- Test zum Beispiel, Bilder ordnen, Figuren legen) oder sogar das betreffende Wissen regelrecht pauken (allgemeines Wissen, Wortschatz- Test, Allgemeines Verständnis, Gemeinsamkeiten finden).

Wenn man also tatsächlich als Studierender deutscher Universitäten in Zukunft Semester für Semester 500 Euro sparen kann, sofern man einen "IQ über 130 nachweist", dann sehe ich einen neuen Beruf heraufziehen: den des "Intelligenz- Test - Trainers".

Man braucht für diesen Beruf noch nicht einmal Psychologie studiert zu haben. Ein wenig Anlernen dürfte genügen, damit man jeden, der nicht gerade schwachsinnig ist, darauf trimmen kann, einen IQ über 130 vorzutäuschen.

Für, sagen wir, die Gebühr, welche die derart Präparierten dann in einem einzigen Studienjahr einsparen, diese Schlaumeier.



Bis vor wenigen Jahren war es an den meisten deutschen Universitäten verpönt, überhaupt von der Intelligenz von Studierenden zu sprechen.

Das Ziel war es sehr oft, allen Studierenden dieselbe Ausbildung mit möglichst auch demselben Ergebnis zu verschaffen. In den Sozialwissenschaften war es keine Seltenheit, daß der Durchschnitt der Abschlußzeugnisse zwischen den Noten 1 und 2 lag.

Nun auf einmal entdeckt man, daß es dumme und gescheite Menschen gibt und daß der Unterschied zwischen ihnen nicht die Erfindung von Faschisten ist.

Und nun geht es wie oft, wenn jemand ein Bekehrungs- Erlebnis hat: Nun werden aus den überzeugtesten Environmentalisten die schlichtesten Nativisten. Die es gar den Studierenden anbieten, ihre Intelligenz in klingende Münze umzusetzen.

Jedenfalls, wenn sie im Öko- Musterstädtle Freiburg oder am schönen Bodensee studieren wollen.

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