22. Oktober 2007

Marginalie: Warum trat der iranische Nuklear- Unterhändler Ali Laridschani zurück?

Es gehört zum Wesen totalitärer Systeme, daß sie unweigerlich das hervorbringen, was zur Zeit des Kalten Kriegs "Kreml- Astrologie" genannt wurde. Da die Regierung keiner öffentlichen Kontrolle unterliegt, da es keine freie Presse gibt, wird über das, was hinter den Mauern der jeweiligen Regierungsgebäude geschieht, gemunkelt und gerätselt. Selbsternannte oder wirkliche Fachleute, eben die jeweiligen "Astrologen", liefern ihre Analysen - ein sicheres Geschäft insofern, als es meist an Möglichkeiten fehlt, die Richtigkeit ihrer Behauptungen zu überprüfen; gäbe es diese Möglichkeiten, dann brauchte man die Astrologen ja nicht.

So ist es in auch Bezug auf das, was in der Führungsclique des Iran vorgeht. Heute bringt die Asia Times eine solche Analyse, die mir vergleichsweise vertrauenswürdig erscheint. Der Autor, Dr. Kaveh L. Afrasiabi, hat ausgiebig über die Außenpolitik des Iran publiziert, unter anderem eine Monographie über das iranische Atomprogramm und einen Artikel zum selben Thema im Harvard International Review. Was er schreibt, klingt sachkundig. Ob es das tatsächlich ist, kann ich nicht beurteilen.



Afrasiabi sieht den Rücktritt des Atom- Unterhändlers Laridschani als Ausdruck einer Auseinandersetzung zwischen Ahmadinedschad und dem Revolutionsführer Khamenei. Dieser habe kürzlich - nach dem Besuch Putins - eine Besprechung aller führenden Politiker einberufen und sie darüber informiert, daß ein amerikanischer Angriff "eine reale Möglichkeit" sei. Putin hätte die diesbezüglichen Gespräche nicht mit Ahmadinedschad geführt - der als Staatspräsident eigentlich sein Gesprächspartner hätte sein müssen -, sondern mit Khamenei. Ahmadinendschad sei im Unterschied zu Khamenei solchen Warnungen nicht zugänglich.

Die Rolle Rußlands ist offenbar sehr unklar. Putin habe Khamenei einen Vorschlag zur Lösung des Atomkonflikts vorgelegt; Ahmandinedschad dagegen bestreitet, daß es überhaupt einen solchen Vorschlag gibt. Die Russen verzögern auch weiterhin die Fertigstellung des AKW in Bushehr, das sie für die Iraner bauen. (Das hat während Putins Besuch auch Al Jazeera berichtet; die Russen schieben, hieß es dort, ausstehende Zahlungen des Iran vor, um nicht weiterzubauen).

Die überraschendste Information in dem Artikel: Obwohl er als Chef- Unterhändler zurückgetreten ist, wird Laridschani an der nächsten Runde der Nuklear- Gespräche mit Solana teilnehmen, die heute in Rom stattfindet.

Wie das?
This question was posed by an Iranian reporter to Foreign Ministry spokesman Mohammad-Ali Hosseini, whose response sheds much light on the nature of things to come.

Hosseini stated: "The negotiation with Javier Solana will definitely continue on Tuesday, with the difference that Dr Ali Larijani will participate as the representative of the Supreme Leader of the Revolution in the Supreme National Security Council [Ayatollah Ali Khamenei], with emphasis by his excellency and the president."

In other words, no sooner had Larijani tendered his resignation when he was swung back into the middle of the process.

Diese Frage stellte ein iranischer Reporter dem Sprecher des Außenministeriums Mohammed- Ali Hosseini, dessen Antwort viel Licht auf das wirft, was in Zukunft zu erwarten ist.

Hosseini sagte: "Die Verhandlung mit Javier Solana wird auf jeden Fall am Dienstag fortgesetzt werden, mit dem Unterschied, daß Dr. Ali Laridschani als der Vertreter des Höchsten Führers der Revolution im Nationalen Sicherheitsrat [Ayatollah Ali Khamenei] teilnehmen wird, mit Nachdruck seitens seiner Exzellenz und des Präsidenten."

Mit anderen Worten, kaum hatte Laridschani seinen Rücktritt eingereicht, da wurde er mitten in den Prozeß zurückkatapultiert.

Es scheint, resümiert Afrasiabi, daß die internen Auseinandersetzung in der iranischen Führung jetzt auf die Atom- Verhandlungen durchschlagen. Man hatte in Teheran die Nuklearpolitik zu zentralisieren versucht. Jetzt habe man das Gegenteil.



Wenn's denn stimmt. Natürlich könnte es auch sein, daß die iranische Führung nach dem Prinzip "good cop - bad cop" Gerüchte über solche Auseinandersetzungen streut, um den Westen nachgiebig zu machen: Kommt man dem guten, verhandlungsbereiten Khamenei entgegen, dann schwächt man den bösen Ahmadinedschad und vermeidet so vielleicht einen Krieg.

Andererseits könnte es sein, daß der Iran sich allmählich in einer Zwickmühle sieht. Die Chinesen verhalten sich, wie es ihre Art ist, enigmatisch. Putin denkt offenbar nicht daran, den Iran bedingungslos zu unterstützen. Im Westen haben sich die Gewichte verschoben, seit der Falke Sarkozy Präsident Frankreichs ist. Es wird einsam um den Iran.

Man dachte in Teheran, schreibt Afrasiab, man sei in der Nuklearfrage in einer win- win- Situation. Nun könne es darauf hinauslaufen, daß man sich in einer lose- lose- Situation wiederfinde.

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