12. November 2007

Wie gewinnt man Wahlen? Vielleicht durch einen Blick ins Gehirn

Die Kandidatin Hillary Clinton könnte einen Teil der Wechselwähler für sich gewinnen, wenn es ihr gelingt, deren Ambivalenz ihr gegenüber in eine positive Reaktion umzuwandeln. Sagt ein Team von Politologen. Wie kommen sie zu dieser Empfehlung? Sie haben, zusammen mit Neuro- Wissenschaftlern, im Gehirn von Versuchspersonen nachgesehen.



Die Hirnforschung hat die Politologie erreicht. Die New York Times berichtete gestern über ein Forschungsprojekt, in dem ein Team von Neuro- Wissenschaftlern der University of California und ein Politologen- Team der University of Pennsylvania zusammen mit Mitarbeitern eines Instituts für Neuro-Marketing die Reaktionen von Versuchspersonen auf die Kandidaten für die US-Präsidentschafts- Wahlen untersucht haben.

Klingt nicht wirklich aufregend? Ist es aber. Denn diese Reaktionen waren nicht Antworten, die diese Personen gaben. Sondern es waren Reaktionen, die ihre Gehirne zeigten.



Die Neurowissenschaften haben in den letzten Jahrzehnten eine Revolution durch die sogenannten bildgebenden Verfahren (imaging) erfahren. Sie machen es möglich, zu messen und im Bild darzustellen, welche Areale und Strukturen im Gehirn eines Menschen gerade besonders aktiv sind.

Diese Verfahren verwenden unterschiedliche Techniken, basieren aber zumeist auf dem Umstand, daß in aktiven Gehirnregionen der Stoffwechsel und die Zufuhr sauerstoffhaltigen (arteriellen) Bluts erhöht sind (hämodynamische Reaktion).

Heutzutage ist die Methode der Wahl - eine freilich sehr teure - Methode, die Magnetresonanz- Tomographie (fMRI), die sich den Umstand zunutze macht, daß sauerstoff- gesättigtes Blut anders auf auf das kurze Anschalten eines starken Magnetfelds reagiert als sauerstoffarmes Blut.

Das kann mit einer sehr guten räumlichen und zeitlichen Auflösung gemessen werden, so daß man in zwei- oder dreidimensionalen Darstellungen sehen kann, wo gerade im Gehirn eine erhöhte Aktivität im Gange ist.

Da man nun inzwischen recht gut darüber Bescheid weiß, welche Strukturen und Areale mit welchen psychischen Vorgängen im Zusammenhang stehen, erlaubt die fMRI einen zunehmend besseren Einblick in das, was gerade in einem Menschen vorgeht.



Die Untersuchung, über die die NYT berichtet, ging folgendermaßen vor:

Gruppen von männlichen und weiblichen Versuchspersonen mit unterschiedlichen politischen Präferenzen (Republikaner, Demokraten, Unabhängige) bekamen die Gesichter der einzelnen Kandidaten gezeigt und danach eine kurze Video- Sequenz, die ihn oder sie bei einem Rede- Auftritt zeigte.

Sie sollten sich das einfach ansehen, und während sie das taten, wurde gemessen, wo in ihren Hirnen erhöhte Aktivität zu verzeichnen war. Zuvor hatten sie einen politischen Fragebogen ausgefüllt.

Was im einzelnen gefunden wurde, will ich hier nicht referieren; man kann es in dem Artikel nachlesen und sehr schön in der Dia-Schau sehen, die den Artikel begleitet. Ich will nur einige Beispiele herausgreifen, die einen Eindruck von der Art von Aussagen geben, zu denen die Forscherteams gelangt sind:
  • Photos of Hillary Clinton elicited increased activity in the anterior cingulate cortex, a part of the brain that processes conflicting impulses, in swing voters who reported having an unfavorable opinion of her.

  • Fotos von Hillary Clinton lösten bei Wechselwählern, die angaben, eine ungünstige Meinung von ihr zu haben, erhöhte Aktivität im Cortex cingularis anterior aus, einem Gehirnteil, der widersprüchliche Impulse verarbeitet.

  • In response to images of Democratic candidates, men exhibited activity in the medial orbital prefrontal cortex, indicating emotional connection and positive feelings.

  • Als Reaktion auf die Bilder von demokratischen Kandidaten zeigten Männer Aktivität im medio- orbitalen Frontalcortex, was auf eine emotionale Zuwendung und positive Gefühle hinweist.

  • Images of Fred Thompson led to increased activity in the inferior frontal cortex, a brain structure associated with empathy.

    Bilder von Fred Thompson führten zu einer erhöhten Aktivität im Cortex frontalis inferior, einer Gehirnstruktur, die mit Empathie (der Einfühlung in einen Menschen) einhergeht.
  • Ob man durch diese Messungen validere und / oder präzisere Informationen über die Reaktionen der Versuchspersonen bekommt, als wenn man sie direkt gefragt hätte, ist schwer zu entscheiden. Jedenfalls scheint sich hier ein neues Feld für die empirische Politologie aufzutun.

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