27. Februar 2008

Marginalie: Dittsche und Krömer. Hildebrandt und Harald Schmidt. Was unterscheidet Comedians von Kabarettisten?

Ist es nur eine Frage der sprachlichen Mode, daß diejenigen, die sich auf die Bühne stellen und Lustiges vortragen, früher Kabarettisten hießen und heute meist Comedians? Spiegelt sich darin einfach die Verlagerung vom Französischen als Quelle von Fremdwörtern zum Englischen wider? Verhält sich also der Comedian zum Kabarettisten wie, sagen wir, der Hair Stylist zum Coiffeur oder das Model zum Mannequin?

Bisher hatte ich darüber nicht nachgedacht. Aber gestern abend, während einer Sendung, die dafür beim Ansehen Zeit ließ - Dieter Hildebrandt und Harald Schmidt waren bei Maischberger zu Gast - , habe ich es. Nachgedacht.

Und da ist mir eine Einsicht gekommen. Vielleicht stimmt sie gar nicht. Aber sie hatte, als sie sich einstellte, für mich den Charakter des unmittelbar Evidenten:

Der Comedian erfindet eine Figur und stellt sie auf die Bühne. Der Kabarettist dagegen stellt sich selbst als Figur auf die Bühne.



Die beiden Kabarettisten Hildebrandt und Schmidt waren in diesem Talk, sie sind generell in Interviews und Talkshows genau diejenigen, die sie auch auf der Bühne sind. Vielleicht einen Tick leiser. Vielleicht nicht ganz so witzig; niemand hat ihnen ja Gags für die Sendung aufgeschrieben, auch nicht sie selbst vermutlich.

Aber der Stil ist derselbe. Die Attitüde ist dieselbe wie beim Auftritt auf der Bühne: Bei Hildebrandt die des Anständigen, den es aus Verzweiflung über die Welt manchmal in Zynismen treibt. Bei Harald Schmidt die des Zynikers, der eine Fassade aufbaut, und niemand weiß, was hinter dieser Fassade ist. Ob überhaupt etwas dahinter ist.



Wie anders die Comedians! Sie haben eine Figur erfunden, sie oft sorgfältig im Lauf der Zeit entwickelt. Alexander Bojcan zum Beispiel den Kurt Krömer, Olli Dittrich den Dittsche. Beide Meister ihres Fachs, beide große Comedians.

Natürlich gehen in solche Figuren die eigenen Erfahrungen des Autors und Darstellers ein, auch manches von seiner Persönlichkeit. Anders ginge es ja gar nicht; anders würde die Figur nicht Glaubwürdigkeit und Tiefe erhalten.

Aber wenn Olli Dittrich in einem seiner seltenen Interviews auftritt, dann benimmt er sich nicht wie Dittsche, auch nicht wie Dittsche light. Er ist dann nicht der Loser, der sich für seinen Mißerfolg im Leben dadurch schadlos hält, daß er auf eine grandiose Weise alles zu verstehen und alles zu erklären versucht; sich sozusagem in seinem Kopf die große weite Welt zurückholend, die ihm in seiner bürgerlichen Existenz versperrt ist.

Sondern dann ist er in vielem das Gegenteil von Dittsche - nicht schwadronierend, sondern leise. Nicht mit diesem leer- verzweifelten Gesichtsausdruck, mit dem Dittsche in diese Welt guckt, sondern leicht spöttisch, ein wenig selbstironisch lächelnd. Ja, er hat Züge gemeinsam mit Dittsche, das hat er einmal in einem Interview gesagt; so wie Bojcan mit dem Kurt Krömer. Es ist die Art von Gemeinsamkeit, die auch ein Romanautor meist mit seinem Protagonisten hat; mehr aber nicht.

Hildebrandt und Schmidt dagegen benahmen sich gestern Abend bei Maischberger haargenau, wie man Hildebrandt und Schmidt kennt. Auch da, wo es um etwas Ernstes ging wie die deutsch- polnischen Beziehungen.

Hildebrandt hatte, wie es seine Art ist, eine moralisch unterfütterte Stichelei vorbereitet, in Gestalt eines "Geschenks", das ein aus Polen angereister Gast Schmidt unerwartet offerierte.

Und Schmidt reagierte, wie man es eben von Schmidt erwartet. Auf die seinerzeitigen Polen- Witze in seiner Show angesprochen, behauptete er, die hätte er nur gebracht, weil er gemerkt habe, daß er den polnischen Akzent beherrscht.

Und stellte das auch gleich unter Beweis. Mit ein paar Sätzen, die unverkennbar einen ungarischen Akzent vorführten.

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