26. März 2008

Marginalie: Soll man boykottieren? - Peking 2008, Berlin 1936

Die Parallele liegt auf der Hand: Wie Nazi- Deutschland 1936 will jetzt das kommunistische China perfekte Olympische Spiele inszenieren, mit zwei Zielen: Erstens der Welt zeigen, was für ein tolles, effizientes politisches und gesellschaftliches System da am Werk ist. Zweitens der Welt das Bild eines freundlichen, liberalen Regimes vermitteln.

1936 hat Hitler sogar Zusagen gemacht, daß auch jüdische Sportler in der deutschen Mannschaft sein würden und daß das Reich die Spiele nicht zur Propaganda mißbrauchen werde. Auch Peking will anläßlich der Spiele China als ein weltoffenes, modernes Land präsentieren.

Was von Hitlers Zusagen zu halten war, weiß man. Die damals weitverbreiteten Hoffnungen, nach den Spielen werde das Regime sich liberalisieren, erwiesen sich als ganz unbegründet.

Jetzt werden solche Hoffnungen in Bezug auf das kommunistische Regime in China geäußert. Sind sie besser begründet als die, die man in den westlichen Demokratien in Bezug auf die Reformierbarkeit des Nazi- Regimes hatte?

Ich habe da erhebliche Zweifel.

Gewiß hat der Grünen- Politiker und jetzige Olympia- Funktionär Vesper Recht, wenn er daran erinnert, daß nach dem Boykott der Olymischen Spiele "Moskau seine Truppen bekanntlich nicht stante pede abgezogen" habe, nämlich aus Afghanistan. Nur - hätte es sie denn ohne diesen damaligen Boykott abgezogen?

Hätte der Sowjetkommunismus sich liberalisiert, wenn er sich der Welt so unbehelligt propagandistisch hätte darstellen können wie Hitler 1936 den NS-Staat? Nein. Er wäre 1980 ebenso gestärkt aus diesen Spielen hervorgegangen wie das Nazi- Regime 1936. Und daß nach dem Fiasko dieser Olympischen Spiele das Sowjetreich zu bröckeln begann, wird man zwar nicht vor allem dem Boykott zurechnen können; aber geschadet hat er sicherlich nicht.

So wird es auch jetzt sein. Diese Olympischen Spiele werden, wenn sie wie geplant ablaufen, den chinesischen Kommunismus stärken.



Also boykottieren? Ich weiß nicht. Der Fehler, die Ursünde war, die Spiele überhaupt nach Peking zu vergeben. Man kannte ja China, als man das getan hat. Tibet wurde damals ebenso unterdrückt wie heute, nur war das nicht in den Schlagzeilen.

Die Chinesen können auf einen Boykott zu Recht erwidern, daß die Geschäftsbedingungen bekannt gewesen seien, als sie den den Zuschlag erhielten. Jetzt heißt es: "Pacta sunt servanda".

Nur - mehr als das Vereinbarte muß niemand tun. Wenn die Chinesen so weltoffen sind, wie sie sich darstellen, dann sollten die Sportler, sollten vor allem die Offiziellen, von dieser Freiheit schon Gebrauch machen, wenn sie in Peking sind. Indem sie zum Beispiel offen ihre Meinung zu den Vorgängen in Tibet sagen.

So offen, daß auch die Presse es hört. Daß die Reporter es mitschreiben, daß die TV-Kameras es übertragen. Mitten aus Peking.

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