13. Juni 2008

Zettels Meckerecke: Barrosos Chuzpe. Europas Zukunft

Gerade ging eine Pressekonferenz von Manuel Barroso, dem Präsidenten der Europäischen Kommission, zu Ende. Er antwortete mal auf Englisch, mal auf Französisch. Wenn man zwischen Sky News und France 24 hin- und herschaltete, konnte man verfolgen, was er sagte.

Ich habe das getan in der Erwartung, daß er etwas sagen würde.

Er hat aber nichts gesagt.

Er hat nicht eine Spur von Einsicht erkennen lassen. Der Gedanke, daß das Votum des Volks zu respektieren ist, scheint ihm - jedenfalls bisher - gar nicht gekommen zu sein.

"Achtzehn Staaten haben ratifiziert, einer nicht. Der Prozeß der Ratifizierung sollte weitergehen" war sein Kernsatz.



Die Chuzpe in diesem Satz liegt natürlich darin, daß Barroso so tut, als hätten auch achtzehn Völker dem Vertrag von Lissabon zugestimmt.

Sie haben nicht. Es gibt auch keinen Hinweis, daß sie hätten, wenn man sie denn gefragt hätte.

Die Iren haben nein gesagt, weil sie - das jedenfalls besagen die Umfragedaten - es leid sind, daß man ihnen von oben Vorschriften macht, die sie nicht verstehen und zu denen man sie ja meist gar nicht fragt.

So geht es mir auch. So geht es vermutlich längst einer Mehrheit der Deutschen, die für die europäische Einheit sind, die aber nicht einsehen, warum bereits jetzt jedes Parlament in der EU in manchen Bereichen weniger Rechte hat als ein Staat der USA. Und das, noch bevor der Vertrag von Lissabon die nationale Souveränität weiter beschneiden wird.

Warum muß in Brüssel festgelegt werden, wie wir in Deutschland das Rauchen, die Allgemeine Gleichstellung, den Umweltschutz handhaben? Was geht es Bürokraten in Brüssel an, wie viele Rollstuhlfahrer sich zugleich in einem Bus in Leipzig befinden dürfen?

Es sind nicht die Völker, die mit ihrer Ablehnung Europa zu zerstören im Begriff sind. Es sind die Parlamentarier, es sind die Bürokraten, es sind alle diese Etatisten, die versuchen, auf der europäischen Ebene einen Machtapparat zu schaffen, der sich weitgehend der demokratischen Kontrolle entzieht.

Die Iren haben eine lange revolutionäre Tradition. Vielleicht ist ihr Votum ja der Auftakt zu einem Aufstand der Völker Europas gegen die kalte Beschneidung ihrer Rechte, die durch den Vertrag von Lissabon zementiert werden sollte.

Zu einem friedlichen Aufstand, einem Aufstand mit dem Mittel des Stimmzettels. Aber doch einem Akt des Souveräns gegen im doppelten Wortsinn super- etatistische Etatisten, die glauben, den Willen der Völker Europas als eine quantité negligeable betrachten zu können. So, wie es soeben Barroso demonstriert hat.

Es sollte ein Neuverhandeln des Vertrags gefordert werden, und es sollte von allen nationalen Regierungen und Parlamenten verlangt werden, diesen neuen Vertrag erst nach einem positiv ausgegangenen Referendum zu ratifizieren.

Das wird nur gehen, wenn dieser neue Vertrag ein - wie de Gaulle es nannte - "Europa der Vaterländer" vorsieht, statt einen unkontrollierten und unkontrollierbaren Superstaat "Europa".

Nur so wird auf Dauer die europäische Idee zu retten sein.



Eben wird gemeldet, auch Steinmeier habe gesagt, der Prozeß der Ratifizierung solle weitergehen.

Sie verstehen nichts, diese Leute. Sie merken nicht, welche Stimmung sie quer durch Europa erzeugen werden, wenn sie jetzt als Regierungen sich über den Willen des irischen Volks hinwegsetzen.



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