29. Juli 2008

Zitat des Tages: Nicht verlesen

Verfassungsschutz für Linke nur "Randproblem".

Einen Augenblick dachte ich, da hätte ich mich verlesen. Diese Schlagzeile in der heutigen FAZ hätte doch sicher heißen müssen: "Die Linke für den Verfassungsschutz nur 'Randproblem'"?

Nein. Es steht tatsächlich so da.

Warum ist der Verfassungsschutz für "Die Linke" nur ein "Randproblem"?

Es geht um diese Partei in Hessen. Es geht - immer noch oder wieder, wie man will - darum, unter welchen Bedingungen sie bereit wäre, eine rotgrüne Regierung Ypsilanti mit zu installieren und dann zu unterstützen; zu "tolerieren", wie das seltsame Wort heißt (zu deutsch also: zu ertragen).

Ja, stellen sie denn Bedingungen, die Kommunisten? Keine leichte Frage. Denn das war und íst ganz verschieden, je nach taktischer Situation.

Als Ypsilanti nach den Wahlen zögerte, ob sie den Sprung in die Volksfront wagen sollte, wollten die Kommunisten ihr diesen Sprung natürlich so leicht wie möglich machen. Schon in der Wahlnacht, am 27. Januar, erklärte der Spitzenkandidat von "Die Linke", Willi van Ooyen, kurz und bündig: "Wir werden uns einer linken Mehrheit im Landtag nicht verweigern".

Als sich dann Andrea Ypsilanti, Kurt Beck im Rücken, Ende Februar für die Volksfront entschieden hatte, stiegen die Preise. Am 5. März berichtete "Focus":
Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, verlangte am Mittwoch unter anderem, SPD und Grüne müssten sich bei der Kabinettsliste mit der Linken abstimmen. Außerdem müsse die Beobachtung seiner Partei durch den hessischen Verfassungsschutz aufhören. Als weitere Voraussetzung für eine Tolerierung Ypsilantis nannte Gysi den Aufbau einer Gemeinschaftsschule. Außerdem forderte er die Abschaffung der Studiengebühren und eine Regelung, wonach öffentliche Aufträge künftig nur noch an Unternehmen vergeben werden sollen, die Mindestlöhne zahlen.
Damals glaubten die Kommunisten, die SPD im Sack zu haben. Damals war der Verfassungsschutz kein "Randproblem". Aber dann kam die mutige Entscheidung der Abgeordneten Dagmar Metzger, dann kam eine erneute Diskussion innerhalb der SPD.

Jetzt überlegt Frau Ypsilanti wieder, ob sie springen soll. Also sind die Kommunisten, um ihr die Entscheidung ein zweites Mal leichter zu machen, wieder auf ihren anfänglichen Kurs eingeschwenkt: Keine Bedingungen.

Nicht nur der Verfassungsschutz ist jetzt zum "Randproblem" geschrumpft. Der bisherige Vorsitzende von "Die Linke" in Hessen, Ulrich Wilken, der in dem Artikel der FAZ jetzt als der "rechtspolitische Sprecher der Fraktion" vorgestellt wird, verkündete in dem Interview die aktuelle Linie:
Wesentlich sei, dass es in Hessen zu einem Regierungs- und Politikwechsel komme. Dafür sei die Linke bereit, Kompromisse zu machen. "Am Ende ist das alles immer noch besser als Roland Koch mit seiner Truppe." (...) Die Linke, so Wilken, werde für den Fall einer rot- grünen Minderheitsregierung keine Bedingungen in Sachen Verfassungsschutz stellen. Auch auf die Auswahl der Minister für eine Regierung Ypsilanti wolle man keinen Einfluss nehmen.
Diese Großzügigkeit hat, so darf man vermuten, genauso wie die Großzügigkeit unmittelbar nach der Wahl ein Verfallsdatum: Falls und wenn Frau Ypsilanti erklären wird, sie wolle sich einer Wahl zur Ministerpräsidentin stellen, wird der Preis für die Stimmen von "Die Linke" wieder steigen.

Und da sage noch einer, die Kommunisten seien nicht in der Marktwirtschaft angekommen.



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