7. August 2008

Marginalie: Wie der kampferprobte Hugo Chávez die Hindernisse auf dem Weg in den Sozialismus beiseiteräumt

Als Hugo Chávez Ende vergangenen Jahres nicht die Zustimmung der Wähler zu seinem Ermächtigungsgesetz erhielt, da sprach er laut der cubanischen Agentur Prensa Latina den Satz: "... sólo los soldados bisoños creen la causa perdida ante los primeros obstáculos", nur die noch nicht kampferprobten Soldaten glauben die Sache schon verloren, wenn die ersten Hindernisse auftauchen.

Kampferprobt ist er, der alte Soldat Chávez. Er hat ein halbes Jahr gewartet, bevor er jetzt die damals aufgetauchten Hindernisse wegräumt, auf seine Art. Und zu einem offenbar sorgsam gewählten Zeitpunkt.

Am vergangenen Donnerstag, dem 31. Juli, liefen die Sonderrechte aus, die es ihm erlaubten, mit Notverordnungen à la Hindenburg zu regieren. Und just an diesem Tag hat er von diesem Recht noch einmal kräftig Gebrauch gemacht und einfach das per Notverordnung dekretiert, was die Wähler ihm als Verfassung nicht hatten zugestehen wollen.

Er hat so lange gewartet, wie es ging. Offenbar sollte man sich nicht mehr so genau an das erinnern, was damals gescheitert war. Denn nun taucht es wieder auf; nur eben als eine Kaskade von 26 Notverordnungen des Präsidenten Chávez. Wie Simon Romero in der gestrigen New York Herald Tribune aus Caracas berichtet, stammen nicht weniger als ein Dutzend dieser Verordnungen aus der gescheiterten Verfassung:
President Hugo Chávez is using his decree powers to enact a set of socialist- inspired measures that seem based on a package of constitutional changes that voters rejected last year. His actions open a new stage of confrontation between his government and the political opposition. (...) Some of the laws significantly increase Chávez's power.

Präsident Hugo Chávez benutzt sein Recht auf Notverordnungen, um ein Bündel von sozialistisch inspirierten Maßnahmen anzuordnen, die offenbar auf einem Paket von Verfassungsänderungen basieren, das die Wähler letztes Jahr ablehnten. Sein Vorgehen leitet eine neue Stufe der Konfrontation zwischen seiner Regierung und der politischen Opposition ein. (...) Einige der Gesetze erweitern die Macht von Chávez erheblich.
Was sich Chávez da alles an Maßnahmen ausgedacht hat, um den Weg in den Sozialismus zu ebnen, das liest man am besten in dem sehr informativen Artikel von Romero nach. Hier die wichtigsten Punkte:
  • Chávez kann in den Regionen und Kommunen eine Art persönliche Statthalter mit eigenem Budget einsetzen. Damit wird er den Sieg von Politikern der Opposition bei den im November bevorstehenden Regional- und Kommunalwahlen weitgehend neutralisieren können.

  • Nachdem vor einem Jahr die Armee schon weitgehend gleichgeschaltet wurde, hat Chávez jetzt durch eine seiner Notverordnungen parallel dazu noch eine Miliz geschaffen. Die Militarisierung der Gesellschaft und die Politisierung des Militärs nach cubanischem Vorbild schreiten damit weiter voran.

  • Unternehmen, die nicht den "Regeln zur Buchführung" folgen, dürfen gemäß einer weiteren Verordnung künftig vom Staat "besetzt und vorübergehend übernommen" werden. Mit diesem Gummiparagraphen kann, so fürchten es Geschäftsleute, das Recht auf Privateigentum ausgehebelt werden.

  • Jeder Unternehmer kann künftig mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden, wenn er "es ablehnt, Güter der Grundversorgung herzustellen oder zu vertreiben". Das ist, nach der Verstaatlichung wichtiger Industrien und kürzlich einer großen Bank, ein weiterer Schritt in die Planwirtschaft.
  • Seine Niederlage im vergangenen Dezember hat also Chávez keineswegs daran gehindert, mit seiner Methode der Salamitaktik weiter den Sozialismus aufzubauen. Ob es das Volk nun will oder nicht; das hat noch nie einen Sozialisten interessiert.

    Offenbar auf die dann im Sozialismus eintretenden Zustände ist eine weitere der Verordnungen zugeschnitten: Künftig wird in Venezuela neben der Geldwirtschaft der Tauschhandel eine zweite gesetzlich geregelte Form des Handels sein.



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