21. Oktober 2008

Zitat des Tages: "Die ICE-Linie verkehrt in ausgewählten Zeitlagen". Nebst Erinnerungen an eine Warteschlange, in der ich den Sozialismus begriff

Programm für Dienstag, 21.10.2008 und Mittwoch, 22.10.2008

* Die ICE 3-Linie 41 "Dortmund - Köln - Frankfurt Hbf - Würzburg - Nürnberg - München" verkehrt zwischen Dortmund und Frankfurt Hbf. Die ICE-Züge fallen zwischen Frankfurt Hbf und München Hbf aus. Es verkehren Ersatzzüge zwischen Frankfurt Hbf und München, um die Reiseketten sicher zu stellen.

* Die ICE 3-Linie 42 'Dortmund - Köln - Frankfurt Flughafen - Mannheim - Stuttgart - München' verkehrt grundsätzlich nur zwischen Köln und Stuttgart; dies jedoch entsprechend der normalen Zugbildung in doppelter Besetzung.

In den Tagesrandlagen verkehren vereinzelt Züge bis München und Dortmund durchgehend. Darüber hinaus verkehren zwischen Köln und Dortmund/Münster/Hamburg Ersatzzüge. (...)

* Die ICE 3-Linie 49 "Köln - Frankfurt Hbf" verkehrt in ausgewählten Zeitlagen. Die ICE-Züge 813 und 815 werden zwischen Montabaur bzw. Limburg Süd und Frankfurt Flughafen durch Busse ersetzt.


Aus dem Webangebot "Planen und Buchen" der Deutschen Bahn.

Kommentar: Gegen ein technisches Problem, wie es jetzt die Deutsche Bahn hat, ist kein Unternehmen gefeit. Das kann auch einer Fluggesellschaft passieren.

Nur kann man, wenn eine Fluggesellschaft ein solches Problem hat, mit einer anderen Gesellschaft fliegen. Die Deutsche Bahn ist, von Regionalbahnen abgesehen, hingegen nach wie vor Monopolist und faktisch ein Staats- Unternehmen. Wenn sie, wie jetzt, ein Problem hat, dann gibt es kein Ausweichen, kein Umsteigen auf einen anderen Anbieter.

Warum kann man nicht endlich die Deutsche Bahn zerschlagen und mehrere Bahngesellschaften miteinander konkurrieren lassen? Der Staat sollte das Schienennetz stellen, so wie er auch das Straßennetz stellt. Aber es gibt keinen vernünftigen Grund, warum auf diesem Netz nicht private Anbieter konkurrieren könnten, so wie das in anderen Bereichen des Verkehrs ja auch funktioniert.



Monopolist zu sein lädt zur Unfreundlichkeit gegenüber dem Kunden ein. Wenn der Monopolist der Staat ist, dann wird daraus Unverschämtheit. Schon im Stil der zitierten Verlautbarungen zeigt sich die Arroganz, die nur ein staatliches Unternehmen sich leisten kann.

"Es verkehren Ersatzzüge zwischen Frankfurt Hbf und München, um die Reiseketten sicher zu stellen". Die Ketten, mit denen man die Reisenden fesselt? Das würde passen. Oder ist vielleicht gemeint: "Es verkehren Ersatzzüge, damit die Reisenden fahren können"? Ja, danke für die Auskunft, darauf wären wir nicht gekommen.

"Die ICE 3-Linie 42 "Dortmund - Köln - Frankfurt Flughafen - Mannheim - Stuttgart - München" verkehrt grundsätzlich nur zwischen Köln und Stuttgart"

Grundsätzlich? Aufgrund einer Maxime der Deutschen Bahn? Oder ist à la Radio Eriwan gemeint "Grundsätzlich kein Zug, aber wer weiß, vielleicht machen wir Ausnahmen"?

"... dies jedoch entsprechend der normalen Zugbildung in doppelter Besetzung". Über diesen Satz können wir Reisenden in Ruhe nachdenken, während wir auf dem Bahnsteig stehen und frieren. "Doppelte Besetzung" - das heißt vermutlich, daß in jeden Wagen doppelt soviele Reisende gepfercht werden, als eigentlich hineinpassen? Oder sind doppelt so viele Schaffner unterwegs wie üblich, damit sich der Unmut der Reisenden auf mehr Adressaten verteilt?

"In den Tagesrandlagen verkehren vereinzelt Züge bis München und Dortmund durchgehend. Darüber hinaus verkehren zwischen Köln und Dortmund / Münster / Hamburg Ersatzzüge." In den Tagesrandlagen, nun gut, das verstehen wir. Das sagt ein Beamter, wenn er "morgens und abends" meint. Aber was soll das "darüber hinaus"? Abends ist es dunkel, und darüber hinaus gibt es Bratkartoffeln mit Spiegelei?

"Die ICE 3-Linie 49 "Köln - Frankfurt Hbf" verkehrt in ausgewählten Zeitlagen". Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen. Nicht "manchmal" fahren diese Züge, oder "teilweise". Nein, "in ausgewählten Zeitlagen". Da dürfen wir doch stolz sein, wir Reisenden, wenn wir das Glück haben, daß gerade wir zu den Privilegierten gehören, für die eine Zeitlage ausgewählt wurde.



Genug. Die Bahn hat ein technisches Problem. Ein Problem, das voraussehbar war, seit Monaten. Vor genau einem Vierteljahr, am 19. Juli, berichtete "Spiegel- Online" über die Warnungen von Prof. Vatroslav Grubisic, Spezialist für betriebssichere Bemessung von Fahrzeugbauteilen am Fraunhofer-Institut in Darmstadt. Ein Fachmann für genau dieses Problem; er hat den Spitznamen "Räder-Papst". Grubisic sagte damals, er halte es für "fraglich, ob diese Wellen eigentlich die Dauerfestigkeitskriterien nach Normen erfüllen."

Seit einem Vierteljahr hätte die Bahn die betroffenen Wagen sukzessiv überprüfen können. Aber man wartete, bis das Problem nicht mehr zu leugnen war (ein Bahnsprecher damals: Es gebe "keine Befunde für Rissbildungen"). Und jetzt muß es holterdipolter gehen, natürlich auf Kosten der Reisenden.

Man hätte bei einem vernünftigen, geplanten Vorgehen die Einschränkungen in Grenzen halten und vor allem sie rechtzeitig und präzise den Reisenden mitteilen können. Die vagen Angaben in der zitierten Mitteilung ("ggf. fehlen bei einzelnen Zügen die Wagen 31 - 38 zwischen Dortmund und Passau" heißt es in einem hier nicht zitierten Teil der Meldung) sind schlicht eine Unverschämtheit.

So, als sei eine Naturkatastrophe über die Deutsche Bahn hereingebrochen. So, als hätte man keine Zeit gehabt, genaue und vollständige Ersatz- Fahrpläne aufzustellen und sie rechtzeitig zu publizieren. Aber was soll's? Die Kunden können ja nicht zur Konkurrenz gehen.



Vor Jahrzehnten, als viele vom Sozialismus träumten, stand ich einmal in einer Warteschlange vor einem Bahnhofs- Schalter, und in der Dösigkeit dieser Siutation schoß es mir durch den Kopf: Im Sozialismus wird es überall - in der Industrie, im Handel - so zugehen wie jetzt bei der Deutschen Bundesbahn.

Das hat mich fortan gegen alle sozialistischen Träume gefeit.



Für Kommentare bitte hier klicken.