13. August 2009

Ein deutsches Mondprogramm? Ja, unbedingt. Wenn auch nicht "Peterchens Mondfahrt"

Milden Spott hat er geerntet, der Pfarrer Peter Hintze, früher einmal Generalsekretär der CDU und jetzt "Koordinator der Bundesregierung für die Luft- und Raumfahrt", als er gestern für eine "nationale Mondmission" eintrat. Bis ungefähr 2015 solle Deutschland einen Roboter auf den Mond schicken, forderte Hintze.

"Peterchens Mondfahrt" - dieser Witz fiel dazu gleich mehreren Journalisten ein, zum Beispiel denen vom "Hamburger Abendblatt" und von der "Zeit".

So ganz unberechtigt ist der Spott nicht, denn der Pfarrer Hintze mag zwar viel vom Himmel verstehen; vom All aber versteht er erkennbar nicht allzuviel. Auch wenn er, astrologisch gesehen, ein Mondmensch ist.

"Der Mond ist das Archiv unseres Sonnensystems" hat er beispielsweise laut laut FAZ zur Begründung seines Plans gesagt, ein deutsches Mondprogramm aufzulegen. Nanu? Ein Archiv unseres Sonnensystems, und das soll ausgerechnet der Erdmond sein?

Zu viel der Ehre für unseren kleinen Trabanten. Ein solches Archiv ist er so wenig wie einer der vielen anderen Monde, die unser Sonnensystem bevölkern; oder wie die Sonne oder irgendeiner der Planeten.

Hintze hatte da offensichtlich etwas aufgeschnappt und nicht richtig behalten. "Der Mond ist wie das Archiv der Erde" hatte nämlich der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, Johann- Dietrich Wörner, gesagt. Und das stimmt: Der Mond besteht zum Teil aus derselben Materie wie die Erde, die aber in einem früheren Zustand erhalten geblieben ist. Deshalb "Archiv".



Nun gut, ein Schnitzer, der allerdings zeigt, daß Hintze für sein Amt vielleicht nicht die besten fachlichen Voraussetzungen mitbringt. Was aber ist von seinem Vorschlag zu halten?

Zunächst einmal ist zu konstatieren, daß es nicht sein Vorschlag ist. Bereits vor zwei Wochen hat sich die Forschungsministerin Schavan für ein nationales Mondprogramm ausgesprochen. Die technologiepolitische Sprecherin der FDP- Bundestagsfraktion Ulrike Flach, die vor zwei Jahren einer solchen Idee noch skeptisch gegenübergestanden hatte, schloß sich ihr jetzt an und versprach sogar, daß in einer schwarzgelben Regierung "die FDP ein nationales Mondprogramm sofort auf den Verhandlungstisch legen" werde.

Es ist also nicht Peterchens Mondfahrt, sondern allenfalls die von Ännchen und Riekchen. Und eigentlich ist es auch nicht deren Mondfahrt, sondern die des Raumfahrt- Konzerns EADS, der schon Anfang Juni angekündigte hatte, daß er Vorarbeiten für eine Mondlandung in Angriff nehmen werde. Und zwar im Auftrag des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Natürlich nicht in der Kennedy'schen Absicht "to put a man on the moon". Diesen Unfug einer bemannten Mondmission kann Europa getrost den USA überlassen. Diese haben keine andere Wahl, als Chinas Herausforderung zu begegnen und wieder Menschen zum Mond zu schicken. Sie wollen ja schließlich nicht in den Augen der Welt jetzt gegen China den Wettlauf verlieren, den sie vor vierzig Jahren knapp gegen die Sowjetunion gewonnen hatten.

Außer solchen politischen Zwängen gibt es aber keinen vernünftigen Grund für erneute bemannte Flüge zum Mond; siehe diesen kürzlichen Artikel hier in ZR und die kontroverse Diskussion dazu in "Zettels kleinem Zimmer".

Die bemannte Raumfahrt ist im anbrechenden Zeitalter der Robotik ebenso überholt, wie es der amerikanische Pony- Express war, als man dank Samuel Morses Erfindung Nachrichten über Draht transportieren konnte. Aber für die Robotik, die vermutlich in einigen Jahrzehnten unser Leben ähnlich umgestalten wird wie der PC, das Internet und das Handy seit den achtziger Jahren, ist die Raumfahrt ein ideales Erprobungsfeld. Und eine Herausforderung, die, wie vor vier Jahrzehnten das Projekt Apollo, technologische Durchbrüche mit sich bringen wird.

Da sollte Deutschland nicht nur mitmachen, sondern wir sollten in der ersten Reihe präsent sein. Sicherlich nicht in einem nationalen Alleingang, sondern einbezogen in die Aufgabenteilung innerhalb der ESA.

Teuer ist ein solches Programm nicht. Im Augenblick werden Kosten von 1,5 Milliarden Euro erwartet, auf fünf Jahre verteilt. 300 Millionen Euro pro Jahr - das sind ungefähr sechs Prozent des Betrags, der in diesem Jahr allein für Abwrackprämien von uns Steuerzahlern aufgebracht wird.

Das dürfte ausgezeichnet investiertes Geld sein. Erstens, weil neue wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden; und zwar ungleich billiger als mittels bemannter Mondflüge. Zweitens wegen der technologischen Kompetenz, die durch ein solches Projekt erworben wird. Und drittens natürlich auch, weil damit neue Arbeitsplätze in der deutschen Raumfahrtindustrie geschaffen und bestehende gesichert werden.

Und es handelt sich dabei ja nicht um beliebige Arbeitsplätze. Es sind überwiegend Jobs für Spitzenleute aus Wissenschaft und Technik, die ins Ausland abwandern werden, wenn ihnen Deutschland keine adäquate Beschäftigung bieten kann.



Wenn das so vernünftig und einleuchtend ist, dann kann man doch eigentlich kaum dagegen sein, oder? Doch, die Kommunisten können.

Ausgerechnet die Partei, die in der DDR bei jedem sowjetischen Raumflug einen republikweiten Jubelgesang hat anstimmen lassen, möchte jetzt von Raumfahrt nichts mehr wissen. Das machte deren Abgeordnete Gesine Lötzsch gestern deutlich:
Die Linke kritisierte die Mond- Pläne als Schnapsidee. "Die Bundesregierung verliert jede haushaltspolitische Glaubwürdigkeit, wenn sie in Anbetracht dramatischer Steuereinbrüche immer neue Milliardenprogramme ankündigt", sagte die Linke- Haushaltsexpertin Gesine Lötzsch.
Haben also die Linken mit Hintzes Vorstoß vielleicht einen Wahlkampf- Knüller gefunden? Ich glaube nicht. Wer von den Wählern noch nicht verstanden hat, daß jede Investition in Forschung und Technologie sich letztlich in mehr Arbeitsplätze und höhere Einkommen umsetzt, der wird ohnehin nicht die Union oder die FDP wählen.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Galileo Galileis Zeichnung der Mondphasen (1616).