7. Oktober 2009

Zitat des Tages: "Der Nobelpreis vernachlässigt konsequent die bedeutendsten Autoren". Nebst einem kleinen literarischen Quiz

Eines der großen Rätsel des Nobelpreises ist, dass er konsequent die bedeutendsten Autoren vernachlässigt, dies seinem Ruf als bedeutendste Auszeichnung der literarischen Welt aber nicht schadet. Im Gegenteil, die Willkür, mit der er waltet, scheint ihn noch mächtiger zu machen. (...) Und dass aus dem westlichen Kulturkreis vornehmlich Autorinnen und Autoren gekürt werden, die nicht zur ersten Riege gehören, scheint eine ganz perfide Form von Kulturchauvinismus zu sein: Der Westen kürt denn mal nur Autoren aus seiner Hemisphäre, vor denen sich auch der Rest der Welt nicht verstecken muss.

Thomas Brussig heute in der "Süddeutschen Zeitung" unter der Überschrift "Die Verschwörer von Stockholm".


Kommentar: Zunächst einmal das, was mir wirklich am Herzen liegt:

Vermutlich werden auch Sie morgen, wenn es wieder einmal soweit ist, hören und lesen, der Autor XYZ habe den diesjährigen Nobelpreis für Literatur gewonnen.

Gewonnen? Ja, ist die Vergabe des Nobelpreises denn eine Lotterie? Oder so etwas wie der Große Preis von Monaco, oder der von Japan, für die Piloten der Formel 1?

Literarische Preise werden an jemanden verliehen, sie gehen an einen Autor, er wird mit dem Preis geehrt. Er erhält ihn zuerkannt, er ist der Preisträger. Aber er "gewinnt" den Preis doch nicht. Im Englischen verwendet man allerdings für ein solches Ereignis das Verb "to win". Vermutlich ist das der Ursprung dieses Stücks Verhunzung der deutschen Sprache.

Dies gesagt - natürlich hat Brussig Recht. Warum ist es so, wie er sagt? Man kann da viel vermuten. Brussig meint sarkastisch, dahinter stecke eine "RTL- Disney- Connection", die den Plan verfolge, uns langweilige Bücher vorzusetzen, mit dem Ziel, uns alle in TV-Glotzer zu verwandeln.

Auch keine schlechte Idee. Ich vermute allerdings eher, daß die Schwedische Akademie mit der Aufgabe, die Qualität literarischer Texte in zahlreichen Sprachen zu beurteilen, schlicht überfordert ist.

In der Regel beschränkt man sich bei der Sichtung auf das, was in einer von zwei, drei Weltsprachen geschrieben oder in mindestens eine von ihnen übersetzt ist; jede Übersetzung vernichtet aber einen erheblichen Teil des Werts eines Kunstwerks.

Zweitens ist Literatur nun einmal Nationalliteratur. Nationalliteratur im Sinn einer Kulturnation; zur französischen gehören also auch wallonische und frankokanadische Autoren, zur deutschen auch Österreicher und Deutschschweizer. Nur auf dieser Ebene haben Juroren den Überblick, den sie benötigen, um einen "Besten" zu küren. Nur auf dieser Ebene kann man beurteilen, was originell und kühn und was konventionell und abgeschmackt ist.

Die Stockholmer Juroren, die das nicht beurteilen können, halten sich offensichtlich an andere Kriterien: Man kann sich den Nobelpreis gewissermaßen durch anhaltende Prominenz erdienen, wie Günter Grass. Man kann ihn auch erhalten, weil man bestimmte Eigenschaften besitzt, wie Elfriede Jelinek (Frau, politisch engagiert, Sprachkünstlerin); oder man bekommt ihn, weil man in einer Region beheimatet ist, die nun einmal dran ist.

Oder man kann ihn zuerkannt erhalten, weil die Juroren ein wenig Spaß machen wollten. Anders kann man sich kaum erklären, daß der Nobelpreis für Literatur des Jahres 1997 an Dario Fo ging.



Und nun ein kleines Quiz. Welche von den folgenden deutschsprachigen Autoren haben den Nobelpreis für Literatur zuerkannt bekommen und welche nicht? :

Gottfried Benn, Thomas Bernhard, Heinrich Böll, Bert Brecht, Paul Celan, Alfred Döblin, Max Frisch, Hermann Hesse, Paul Heyse, Franz Kafka, Wolfgang Koeppen, Heinrich Mann, Adolf Muschg, Robert Musil, Arno Schmidt, Carl Spitteler, Martin Walser.

Die Auflösung finden Sie in Zum 80. Geburtstag von Martin Walser (1): Walser und Walser; ZR vom 13.3.2007.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.