24. November 2009

Zettels Meckerecke: 35 Führende für Nikolaus Brender

Ist Ihnen Nikolaus Brender bisher aufgefallen? Mir nicht sonderlich.

Er trägt einen Schnauzbart, immerhin; das ist ein gewisses Alleinstellungsmerkmal. Er ist der Chefredakteur des ZDF. Macht er seine Arbeit gut, macht er sie schlecht? Ich habe keine Ahnung; wie sollte ich das als TV-Konsument auch beurteilen können?

Ist er konservativ, ein Liberaler, ein Sozialdemokrat? Ich weiß das nicht. Ich erinnere mich an den einen oder anderen Kommentar von ihm. Das war verwaschen. Eine politische Position konnte ich daraus nicht entnehmen. Er gehört keiner Partei an.

Nun also steht Nikolaus Brender zur Verlängerung seines Vertrags an. Nichts könnte mir gleichgültiger sein, als ob er weitermachen darf oder ob ein anderer, vermutlich ebenso farbloser Chefredakteur an seine Stelle tritt.



Aber es gibt Leute, denen das keineswegs egal ist. Nicht weniger als 35 "Unterzeichner eines Offenen Briefs" haben sich zu Wort gemeldet, so lese ich es beispielsweise in "Zeit- Online". Und zwar nicht irgendwelche besorgten Bürger, wie man sie ständig beim Unterzeichnen von Offenen Briefen antrifft, sondern - so die FAZ - "führende Verfassungsrechtler".

So beginnt ihr Offener Brief, wie ihn die FAZ abgedruckt hat:
Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG garantiert die Rundfunkfreiheit. Sie ist eine wichtige Säule unseres demokratischen Staatswesens. An dieser Säule wird gerade gesägt, und zwar von einigen Mitgliedern des Verwaltungsrats beim ZDF.
Sägen an einer Säule? Aus Marmor wird sie dann ja wohl nicht sein.

Na ja. Wer ein führender Verfassungsrechtler ist, der muß nicht unbedingt gutes Deutsch schreiben können oder gar einen Sinn für Metaphern haben. Weiter geht's:
Nikolaus Brender soll keine oder eine unüblich kurze Vertragsverlängerung als Chefredakteur erhalten, angeblich weil die Quoten im Informationssegment nicht stimmen. Um diese Frage aber geht es in Wahrheit nicht. Es geht schlicht darum, wer das Sagen, wer die Macht hat beim ZDF.
Ja, gell, da staunste? Im Verwaltungsrat eines Senders geht es um Macht!

Es ging immer um Macht, seit 1919 die Reichsregierung den Rundfunk unter staatliche Aufsicht stellte, weil man befürchtete, er könnte sonst von kommunistischen Revolutionären okkupiert und zur Beförderung der Revolution eingesetzt werden; siehe Die "Voraussetzungen für eine staatlich kontrollierte Bewußtseinsindustrie". Frank Schirrmacher macht sich Sorgen um den Rundfunk; ZR vom 23. 2. 2009.

In den Rundfunkräten, in den Verwaltungsräten sitzen Vertreter "gesellschaftlich relevanter Gruppen", das ist wahr; wie beispielsweise des Landesmusikrats Schleswig- Holstein e. V. beim NDR. Aber natürlich bilden sie Koalitionen; und natürlich werden diese Koalitionen von den politischen Profis organisiert, also den Vertretern der Parteien im jeweiligen Gremium.

Die 35 Führenden meinen, das solle nicht so sein:
Sollte sich herausstellen, dass letztlich ein Ministerpräsident als Meinungsführer stark genug ist, um einen bestimmten Chefredakteur zu verhindern, so würde dies einen praktischen Beleg dafür liefern, dass die zum Teil geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der Zusammensetzung des Gremiums nicht unbegründet sind. Der Eindruck läge nahe, dass über die Instrumente von staatlicher Einflussnahme und Parteizugehörigkeit politische Mehrheiten in den Aufsichtsgremien organisiert werden.
Ja, er liegt nahe, dieser Eindruck. Und wenn Brenders Vertrag verlängert wird, dann liegt er immer noch nahe. Nur hat dann halt nicht Ronald Koch gewonnen, sondern seine politischen Gegner.

Lesen Sie bitte auch, was R.A. zum selben Thema bei den Kollegen von B.L.O.G. schreibt.



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