31. Dezember 2010

Herzliche Neujahrsgrüße!



Die beiden auf dem Bild wurden vielleicht im Winter 1910/1911 aufgenommen. Man sieht, wie im Studio "Winter" aufgebaut worden war.

Aber auch draußen dürfte es ähnlich ausgesehen haben. Ähnlich wie im Studio, und ähnlich wie heute: In Nordamerika war der Winter 1910/1911 so kalt, daß die Niagara-Fälle einfroren. Fotos von diesem raren Ereignis können Sie hier bestaunen.

Sensibilisiert für Gender-Rollen, wie Sie sicherlich sind, wird Ihnen aufgefallen sein, daß das Mädchen augenscheinlich größer ist als der Junge, man diesen aber so auf ein Podest aus "Schnee" gestellt hat, daß er sein Schwesterchen (?) überragt und sogar leicht in die Knie gehen muß, um ihm schützend den Arm um die Schulter zu legen.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Neujahrspostkarte, ca 1910. Aus der Sammlung Wolfgang Sauber.

Zitat des Tages: "Ein moderner Islam ist antiislamistisch". Daniel Pipes über die Chance, daß der Islamismus schrumpft. Mit unserer Hilfe

Modern Islam is an anti-Islamist Islam. I'm told that modern Islam is like the unicorn, much discussed but never seen—but its supporters do exist. You see Muslims all over arguing against Islamism, but they're not a movement and they're not coherent or organized with a follower and money. It needs deep thinkers—interpreters of the Quran and other sacred scriptures—along with activists and politicians. (...)

The Islamist interpretation that's so dominant now was barely visible when I got into this field in the 1960s. Now it's dominant. If it can grow, then it can get smaller. We need to help it to get small.


(Ein moderner Islam ist ein anti-islamistischer Islam. Man hält mir entgegen, daß ein moderner Islam wie das Einhorn ist; vieldiskutiert, aber nie erblickt. Aber er findet Unterstützer. Man sieht überall Moslems gegen den Islamismus argumentieren, aber sie sind keine Bewegung. Sie sind nicht organisiert, mit Mitgliedern und Finanzen. Wir brauchen tiefe Denker - Ausleger des Koran und der anderen Heiligen Schriften - gemeinsam mit Aktivisten und Politikern. (...)

Die Interpretation des Koran, die jetzt so vorherrschend ist, war kaum sichtbar, als ich mich in den 1960ern mit diesem Gebiet zu befassen begann. Jetzt dominiert sie. Wenn sie anwachsen konnte, dann kann sie auch wieder schrumpfen. Wir müssen mit dafür sorgen, daß sie schrumpft.)

Daniel Pipes in einem Interview, das in der Januarausgabe des christlichen World Magazine erscheinen wird und das Sie hier vollständig lesen können.


Kommentar: Bemerkenswert an diesem Zitat ist vor allem, wer das gesagt hat: Daniel Pipes, der Gründer und Leiter des Middle East Forum, das sich seit seiner Gründung 1994 mit den Gefahren befaßt, die vom Islamismus für die USA, für Israel und für Europa ausgehen.

Ich empfehle seine WebSite, auf der man sich auch für seine Mailing List eintragen kann. Es gibt auch einen deutschen Ableger, den ich Ihnen allerdings nur dann empfehlen möchte, wenn Sie nicht flüssig Englisch lesen; denn man findet dort nur einen Teil der Artikel, selten die aktuellsten. Und mit den Übersetzungen steht es leider auch nicht immer zum Besten.

In dem Zitat weist Pipes sehr zu Recht darauf hin, daß der Islamismus in seiner jetzigen, politisch einflußreichen Variante ein relativ junges Phänomen ist.

Es gab islamistische Strömungen zwar seit dem 19. Jahrhundert, aber sie blieben Sekten mit geringem Einfluß. Es gab andererseits seit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg im Nahen Osten einen arabischen Radikalismus, der sehr einflußreich war.

Aber diese radikalen Araber waren alles andere als Islamisten; sie waren nationalistische Sozialisten. Anfangs - vor allem seit der Nationalisierung des Suezkanals 1956 - dominierte der Nasserismus; später die ebenfalls nationalistische und sozialistische Ba'ath-Bewegung, aus der Saddam Hussein und die Dynastie Assad in Syrien hervorgingen.

Erst durch das Scheitern dieses arabischen Sozialismus (siehe dazu meine Serie Arabiens Misere) konnten die zuvor bedeutungslosen islamistischen Strömungen auch politische Macht gewinnen. Parallel dazu siegten schiitische Islamisten in Persien durch den Sturz des Schah, dessen Programm zur Modernisierung seines Landes wohl zu ehrgeizig gewesen war. Am Ende konnte der todkranke Reza Pahlewi den Revoluzzern nicht mehr den erforderlichen Widerstand entgegensetzen.

Das ist jetzt weniger als ein halbes Jahrhundert her. Es gibt keine überzeugenden Belege dafür, daß diese Welle des Islamismus mehr als eine historische Episode sein wird. Aus dem Scheitern des arabischen Sozialismus hätten auch moderne, demokratische Staaten hervorgehen können. Der Iran könnte heute, wenn der Schah die Kraft gehabt hätte, gegen die Revolution standzuhalten, ein prosperierendes, sich modernisierendes Land wie die Türkei sein.



Was wird kommen? Die islamischen Länder werden sich modernisieren; das hat ja schon begonnen. Die Religion wird damit wahrscheinlich ihre Bedeutung verlieren, wie in allen modernen Gesellschaften.

Daß ein moderner, mit Demokratie und Freiheit vereinbarer Islam entsteht, ist damit eine Möglichkeit. Sicher ist das selbstredend nicht. Der Gang der Geschichte ist nicht vorgezeichnet.

Vielleicht erleben wir tatsächlich eine totalitär-islamistische Industriegesellschaft; so wie Hitler eine nationalsozialistische und die Kommunisten eine marxistische Diktatur mit einer Industriegesellschaft vereinbaren wollten.

Sie sind gescheitert, wie auch der arabische Sozialismus. Daß eine islamistische Gesellschaft erfolgreich sein könnte, ist noch weniger wahrscheinlich, als es ein Erfolg des arabischen Sozialismus gewesen wäre. Aber ausgeschlossen ist das nicht. Im Gang der Geschichte ist selten etwas ausgeschlossen.

Da bin ich mit Pipes einig; auch was seine Sicht auf Europa angeht. Auszug aus dem Interview:
Do you agree with those who say Europe is finished? I disagree. Non-Muslims still constitute 95 percent of Europe and have it within their means to say no to Islamization—and that's what they're doing. Parties that did not exist or had insignificant existence 10-20 years ago are now potently saying no. There are two options: Eurabia, or "No." Which way? It's too early to predict.

Stimmen Sie denjenigen zu, die sagen, Europa sei am Ende? Ich stimme nicht zu. Die Nicht-Moslems machen in Europa immer noch 95 Prozent aus. Sie haben es in der Hand, nein zu einer Islamisierung zu sagen - und das tun sie. Parteien, die vor zehn, zwanzig Jahren nicht existierten oder bedeutungslos waren, sagen heute wirksam nein. Es gibt zwei Optionen: Eurabien oder "Nein". Wie wird es ausgehen? Es ist zu früh, das vorherzusagen.
So ist es. Es ist dem Islam nicht in die Wiege gelegt, im 21. Jahrhundert den Islamisten zum Opfer zu fallen. Es ist Europa nicht in die Wiege gelegt, im 21. Jahrhundert islamisch zu werden oder gar vor dem Islamismus zu kapitulieren.



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30. Dezember 2010

Zitat des Tages: Minister Ramsauer über den Umgang mit der deutschen Sprache. Ein Stück Kampf gegen die Dummheit

Englisch ist eine Weltsprache, die die Menschen verbindet, und das ist auch in Ordnung. Wir aber leben in Deutschland und sprechen unsere Muttersprache. Ich kenne kein Land der Erde, in dem man so respektlos mit der eigenen Sprache umgeht.

Das sagte Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer nicht in den letzten Tagen, sondern bereits am 3. Februar 2010 in einem Interview mit Hans-Peter Schütz, früher Leiter des politischen Ressorts des "Stern", jetzt dort freier Autor.


Kommentar: Das Interview Ramsauers ging zurück auf dessen seinerzeitige Ankündigung, in seinem Ministerium wieder deutsche Begriffe verwenden zu lassen. "Welt-Online" berichtete damals, am 30. 1. 2010:
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat den Anglizismen in seinem Ministerium den Kampf angesagt. Er erließ für sein Haus ein striktes "Denglisch"-Verbot, also die Vermischung deutscher und englischer Begriffe, berichtete die "Bild"-Zeitung. So heißt das "Travel Management" im Verkehrsministerium künftig wieder "Reisestelle".

Statt "Task Forces" arbeiten bei Ramsauer jetzt wieder "Projektgruppen". Und statt zum "Inhouse Meeting" kommen die Ministerialbeamten nun zum "hauseigenen Seminar" zusammen. "Ich will, dass im Haus wieder mehr deutsch gesprochen wird", sagte Ramsauer der Zeitung mit Blick auf seine Deutsche-Offensive im eigenen Haus.
Jetzt, nach fast einem Jahr, hat Ramsauer das Thema wieder aufgegriffen, in einem Interview mit dem "Tagesspiegel". Warum auch nicht; in der nachrichtenarmen Zeit zwischen den Jahren ist das allemal für ein paar Schlagzeilen gut.

Und vermutlich hat Ramsauer auch kalkuliert, daß er damit den einen oder anderen politisch Korrekten auf den Plan rufen würde; wie Sebastian Fischer in "Spiegel-Online" ("populistisch"), und in "Welt-Online" Gideon Böss ("Ich finde dieses Sprachen-Gejammer überflüssig"). Es ist gut für Ramsauer, es ist gut für sein Ministerium, wenn in diesen Tagen ein wenig über ein solches Thema debattiert wird, statt über die doch eher hilflosen Bemühungen der Deutschen Bahn, sich den Witterungsbedingungen anzupassen.

Nun veranstaltet der Minister Ramsauer ja aber kein "Sprachen-Gejammer"; sondern er hat vor einem Jahr Anordnungen getroffen, was den Sprachgebrauch in seinem Ministerium angeht. Jetzt stellt er gegenüber dem "Tagesspiegel" zufrieden fest, daß er Tausende zustimmende Zuschriften und Anrufe erhalten hat.

Ja, gewiß doch. Und zu Recht. Denn wenn jemand gegen alberne Anglizmen vorgeht, dann hat das ja nicht nur nichts mit Gejammer zu tun, sondern auch wenig mit Sprachpurismus, über den man streiten kann. Es ist vielmehr ein Stück Kampf gegen die Dummheit.

Böss schreibt:
Jüngere Menschen verwenden diese Sprache ganz selbstverständlich, weil es die Sprache ihrer Freizeit ist. Internet, Computer, Musik und Film, all dies ist eng mit den USA verbunden und dort wird eben nicht Deutsch gesprochen, gesungen und programmiert.
Ja, wenn es denn so wäre! Aber sie denken ja nicht daran, Englisch zu sprechen, diese jungen Leute. Wie sollten sie auch? Die meisten beherrschen diese Sprache gar nicht. Nach meinen Beobachtungen sprechen viele deutsche Abiturienten schlechter Englisch als in Amsterdam die meisten Taxifahrer und Kellner.

Sie radebrechen Englisch, die von Böss apostrophierten "jüngeren Menschen", sie kauderwelschen. Sie bewegen sich in ihrer sprachlichen Unbeholfenheit allenfalls auf Pidgin-Niveau.



Es geht bei Bemühungen wie denjenigen Ramsauers nicht um das Englische, das in der Tat viele Deutsche besser beherrschen sollten.

Es geht auch nicht darum, daß bestimmte Fachtermini, die nun einmal oft englisch sind, in der jeweiligen deutschen Fachsprache beibehalten werden. Wenn ein Pilot vom touchdown spricht und ein Mediziner ein Borderline-Syndrom diagnostiziert, dann ist dagegen nichts einwenden.

Was Ramsauer bekämpft, das sind dumme, manchmal nachgerade dämliche Anglizismen.

Eine Projektgruppe wird ja nicht dadurch effizienter, daß man ihr den (übrigens der US-Marine entstammenden) Namen "Task Force" aufpappt. Ein Treffen "Meeting" zu nennen, rechtfertigt sich noch nicht einmal durch größere Kürze des Worts, sondern weckt allenfalls Assoziationen zu religiösen Erweckungsveranstaltungen. (Zum ersten Mal habe ich das Wort im Deutschen gelesen, als Billy Graham herübergekommen war, um seine camp meetings zu zelebrieren).

Eine solche Sprache ist albern; sie wirkt unseriös. So etwas hat in einem Ministerium nichts zu suchen. Es wäre vielleicht interessant, einmal herauszufinden, wer von Ramsauers Vorgängern der letzten Jahre (in schnellem Wechsel Franz Müntefering, Reinhard Klimmt, Kurt Bodewig, Manfred Stolpe und Wolfgang Tiefensee; alle SPD) diesen Unsinn angeordnet oder jedenfalls zugelassen hat.



Eine Sprache "rein halten" zu wollen ist freilich ebenso dumm wie diese gedankenlosen Verhunzungen. Alle modernen Sprachen haben Elemente anderer Sprachen aufgenommen; das Deutsche besonders des Lateinischen zur Römerzeit und des Französischen im 17. und 18. Jahrhundert, als es die Kultursprache Europas war. Auch jetzt wird sich das Deutsche unter dem Einfluß des Englischen verändern.

Eine Sprache ist wie ein Club, der gern immer einmal wieder ein neues Mitglied aufnimmt. Aber er sollte das selektiv tun. Ein Club, der wahllos jeden aufnimmt, ja der von sich aus die Dummen und die Blender graptscht, ist ein schlechter Club.

Ich habe mich mit diesem Thema in der Serie Anmerkungen zur Sprache befaßt, vor allem in den Folgen Kleine, gemeine, leise Anglizismen, Ein Prosit an der Symbol-Bar und Denglisch aus Dummheit.



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29. Dezember 2010

Zwischen den Jahren (2): Die Lufthoheit über die linken Stammtische

Wie stellen wir uns einen Stammtisch vor? Ein oft runder Tisch in einer Wirtschaft; versehen mit einem schönen Metallschild "Stammtisch". Daran sitzen Bier trinkende Männer und Frauen. In Süddeutschland, ab ungefähr der Mainlinie, darf es auch Wein sein.

Sie sitzen, trinken und reden. Früher rauchten viele auch; heute gehen sie zum Rauchen nach draußen.

Meist reden sie über Lokales, über den Klatsch und Tratsch der Gemeinde, über das Leben in ihrer sozialen Umwelt. Manchmal reden sie auch über Politik.

Und wie reden sie über Politik?

Seltsamerweise denken offenbar viele Menschen, sie würden darüber ungefähr so reden und schwätzen und kakeln, wie das laut Dirk Kurbjuweit der "Wutbürger" tut (siehe Ein Gutmensch erfindet den Wutbürger; ZR vom 11. 10. 2010 und "Wutbürger" - Wort des Jahres? Nein, Unwort des Jahres; ZR vom 18. 12. 2010).

Der "Stammtisch" - Hort der Wutbürger? Das ist ungefähr so realitätsnah wie der deutsche Offizier mit Pickelhaube oder der Franzose mit Baskenmütze und Menjou-Bärtchen, die immer noch durch die einschlägigen Karikaturen geistern.

Historisch ist das so aktuell wie die Metapher von der "Lufthoheit über die Stammtische" (manchmal auch "... über den Stammtischen"). Die Rede von der Lufthoheit stammt natürlich aus dem Zweiten Weltkrieg, als die Propaganda der Nazis meldet, daß die Luftwaffe diese und jene "Lufthoheit" erreicht hätte, d.h. daß sie über dem betreffenden Gebiet nicht mehr durch feindliche Flieger bekämpft werde.



Das ist nun schon ein wenig her. Die damals jüngsten Piloten der Nazi-Luftwaffe gehen heute auf die neunzig zu. Aber wie das so ist - Klischees sind haltbar; selbst über die Generationen hinweg.

Das gilt auch für das Klische des "Stammtischs", an dem der Wutbürger sein Wesen treiben soll; der Kleinbürger. Wo er "Stammtischgerede" produziert, nur sein eigenes egoistisches Interesse sieht, alles besser weiß und alles zu verstehen vermeint. Wo er wild räsonniert, geschüttelt von populistischen Anwandlungen.

Gewiß gibt es das. Fast jede noch so verzerrende Karikatur spiegelt ein wenn auch noch so kleines Stücklein Realität wider. Aber die Regel ist das längst nicht mehr.

Die Regel ist, daß an Stammtischen sehr unterschiedliche politische Meinungen vertreten werden; und daß eine inzwischen besonders häufige Variante der linke Stammtisch ist.

Manche von Ihnen werden ihn kennen, den linken Stammtisch. Ich kenne ihn ein wenig, weil er im universitären Milieu sehr verbreitet ist.

Auch dort wird räsonniert. Auch dort verstehen alle die Welt, haben sie zu allem eine Meinung und wissen sie alles besser. Die Klischees sitzen mindestens so fest wie einst beim Stammtisch der Kleinbürger und Honoratioren.

Nein, sie sitzen fester. Denn es gibt einen wesentlichen Unterschied: Das Weltbild der klassischen Stammtische war durch die eigene Lebenswirklichkeit der Stammtischbrüder und -schwestern geprägt; ihren Erfahrungen mit dem Staat und mit seinen Bürgern, mit Inländern und Ausländern. Die Klischees der linken StammtischlerInnen bestimmen sich aber weitgehend nicht durch eigene Erfahrung.

Da räsonnieren Lehrer und Studenten, Professoren und Beamte, ErnährungsberaterInnen, Gleichstellungsbeauftragte über Multikulti; nur gehen ihre eigenen Kinder nicht auf Schulen mit einem Ausländeranteil von sechzig oder achtzig Prozent. Da bejammern sie die "Kinderarmut", haben sich aber noch nie dort umgesehen, wo die Familien wohnen, die seit Generationen von Sozialhilfe leben. Da meinen sie, man solle doch die Kriminalität nicht so aufbauschen, wohnen aber dort, wo sie selten Opfer eines Überfalls werden (siehe Ich bin ein Überfallopfer; ZR vom 2. 12. 2010).

Da wissen sie alles deshalb besser, weil sie in Wahrheit nichts wissen. Weil sie es so genau oft auch gar nicht wissen wollen.

Ein Hauptthema war und ist beispielsweise in diesen Tagen Sarrazin. Kaum jemand, der bei diesen linken Stammtisch über ihn herzieht (das gehört gegenwärtig zum Ritual der gegenseitigen Bestätigung), hat sein Buch gelesen.

Das braucht man doch nicht, ich bitte Sie! Jeder weiß doch, was von diesem Mann zu halten ist. Sehen Sie sich doch nur an, wie verkniffen der dasitzt, bei dem stimmt doch was nicht. Keine Empathie. Sowas von verkopft. Ein armer Mensch, wenn Sie mich fragen. Innerlich voll Haß. Und es soll ja alles gelogen sein, was der schreibt. Ein böser Mann, sage ich Ihnen.

So reden sie, so schwadronieren sie an den linken Stammtischen. Und wenn dann einer, der in einer solchen Runde sitzt, aufsteht und nach Hause geht, weil er noch ein paar Zeilen schreiben muß, dann fällt ihm als Titel vielleicht ein "Die FAZ, Sarrazin und Lügen zu Weihnachten".

In Zettels kleinem Zimmer hat kürzlich C. wunderbar beschrieben, wie es zu einem solchen Artikel kommt:
Er hält sich vornehmlich in gut geheizten Cafebars auf, bis ihm nach dem siebten Barolo das iphone wütend meldet, dass jetzt bald Redaktionsschluss sei. Was tun? Angesoffen, die gute Laune jäh unter die lokale Außentemperatur abgestürzt.

Mit einer Story über die globale Erwärmung wird er noch nicht einmal ein mitleidiges Lächeln vom Redaktionsleiter ernten, also dann doch "Sarrazin". Endlich mal wieder für 5 Minuten wichtig sein, und was noch schöner ist, vielleicht auch noch gelesen werden, ganz ohne Recherche, Emotionen pur. Er haut seinen Frust des noch laufenden, aber fast vergangene Jahres in die Tasten und prügelt den Dämonen, der die Özilisierung der Gesellschaft versaut hat.

Jetzt noch schnell abschicken und befreit auf die Tastatur kotzen. Das Leben kann so schön sein. Triumphierend stellt er sich zu den Leidensgenossen unter dem Heizpilz und zündet sich eine Cohiba an. Er hat sie sich verdient, wie auch das Schulterklopfen des Hauptstadtredakteurs der ZEIT, dem er vorab eine Kopie geleakt hat.
Da haben Sie ihn, den linken Stammtischler; besser beschrieben, als ich das je könnte.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Antike Büste von Ianus, des Gottes des Übergangs und der Veränderung; Vatikan-Museum. Fotografie vom Autor Fubar Obfusco in die Public Domain gestellt. Bearbeitet. Mit Dank an C.

Zettels Meckerecke: Herr Wiefelspütz empört sich. Herr Polenz verteidigt das Grundgesetz. Eine deutsche Posse? Nein, eine dreiste Unverschämtheit

Mitte der siebziger Jahre machten wir Urlaub im Münsterland. Von unserem Campingplatz aus unternahmen wir Ausflüge nach Holland und benutzen dabei gern den einen oder anderen der kleineren Grenzübergänge.

Eines Tages wurden wir auf einer Nebenstraße in Grenznähe von der Polizei gestoppt. Beamte mit Maschinenpistolen umstellten das Auto. Wir mußten aussteigen und wurden abgetastet, der Wagen durchsucht. Unsere Daten wurden per Funk abgeglichen. Nachdem sich nichts ergeben hatte, durften wir weiterfahren.

Was war der Hintergrund gewesen? Wir erfuhren später, daß Terroristen der sogenannten RAF in diesem Gebiet operiert hatten. Sie nutzten die wenig bewachten kleinen Grenzübergänge, um zwischen Deutschland und Holland hin- und herzuwechseln. Meine Frau und ich hatten in Alter, Aussehen und Verhalten offenbar gewisse Merkmale der Rasterfahndung nach diesen Terroristen erfüllt und waren dadurch ins Visier der Polizei geraten.

Wir fanden das kleine Abenteuer im Nachhinein ganz lustig und haben es oft erzählt; zumal wir auch noch wegen einer Waffe verdächtig gewesen waren. (Es hatte sich um ein langes Messer gehandelt, das meine Frau, die damals Biologie studierte, immer dabei hatte, um zum Beispiel Pflanzen auszugraben).

Andere Autos, in denen Familien oder ältere Herrschaften saßen, waren nicht angehalten worden. Die Polizei hatte uns beide also diskriminiert.



Natürlich hatte sie uns nicht "diskriminiert". Die Polizei hatte nur das getan, was die Grundlage jeder Polizeiarbeit ist: Nach Verdächtigen aufgrund bestimmter Merkmale zu suchen.

Wenn Zeugenaussagen darauf hinweisen, daß ein gesuchter Täter einen roten Porsche gefahren haben könnte, dann überprüft man die Halter von roten Porsches und nicht alle Besitzer von weißen Smarts. Wenn der Verdacht einer Vergewaltigung besteht, dann sucht man den Täter nicht unter den über achtzigjährigen Bewohnern eines Altersheims.

Wenn vor einem italienischen Restaurant drei Männer von Killern erschossen wurden, dann wird man diese in Kreisen des organisierten Verbrechens suchen, statt, sagen wir, alle deutschen Hebammen zu überprüfen. Wenn man nach islamistischen Terroristen sucht, dann handelt es sich vermutlich ebenfalls nicht um deutsche Hebammen oder um achtzigjährige Herren.

Das ist banal. Ist es banal? Lesen Sie einmal diese Meldung, die "Spiegel-Online" im Augenblick als Aufmacher hat; Überschrift "Flughafenkontrollen - Plan für Passagierselektion empört Politiker". Darin heißt es:
Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz ist so schnell nicht aus der Fassung zu bringen. Bei diesem Vorschlag aber hält er sich nicht zurück. "Schreiben Sie bitte ruhig: Das ist Selektion am Flughafen - gerade in Deutschland wird es das nicht geben", sagt er mit Hinweis auf die jüngere deutsche Geschichte.
Worin besteht das, was Wiefelspütz so erregt? Es geht um einen Vorschlag des Präsidenten des Deutschen Flughafenverbands, Christoph Blume:
Die deutschen Flughäfen führen das sogenannte Profiling nach israelischem Vorbild ein. Dabei werden die Passagiere je nach Alter, Geschlecht, ethnischer Herkunft und anderen Kriterien in Risikogruppen unterteilt und unterschiedlich scharf kontrolliert. "Auf diese Weise können die Kontrollsysteme zum Wohle aller Beteiligten effektiver eingesetzt werden", sagte Blume der "Rheinischen Post".
Ein vernünftiger Vorschlag. Die bare Selbstverständlichkeit eigentlich. Natürlich wäre zu prüfen, ob das technisch machbar ist. Aber wenn man es machen kann, dann sollte man es tun; so wie jede Fahndung umso effektiver ist, je gezielter man sie anlegen kann.

Aber Dieter Wiefelspütz echauffiert sich; wieder einmal (für frühere Beispiele siehe Skandal! Skandal!; ZR vom 23. 1. 2007 und Die Stasi-Methoden der Telekom und der Pawlow'sche Reflex des Dieter Wiefelspütz; ZR vom 31. 5. 2008).

Und mit ihm empören sich Andere. Den Vogel schießt diesmal nicht einmal Wiefelspütz ab, sondern der CDU-Politiker Ruprecht Polenz, der im Jahr 2000 sogar einmal kurzzeitig Generalsekretär der CDU war. "Spiegel-Online":
Am schärfsten fällt die Ablehnung von CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz aus. Auch er wählt, wie SPD-Innenpolitiker Wiefelspütz, drastische Formulierungen: "Der Vorschlag ist politisch dumm, sicherheitspolitisch gefährlich und verfassungswidrig", wettert er. (...) Auch sei eine solche Abfertigungsmethode mit Artikel drei des Grundgesetzes unvereinbar, in dem es heißt: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich."
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Nach Auslegung des Juristen Polenz bedeutet dies, daß die Polizei bei der Suche nach Verbrechern auch alle Menschen gleich behandeln muß.

Aufgepaßt also, ihr Achtzigjährigen in den Altersheimen: Wenn demnächst DNA-Proben gesammelt werden, um einen Vergewaltiger zu überführen, wird die Polizei auch auf Sie zukommen. Aufgepaßt, ihr deutschen Hebammen: Wenn demnächst wieder Italiener vor einem einschlägigen Lokal zusammengeschossen werden, muß die Polizei Sie genauso verdächtigen wie die Mafiosi, die sie in ihren Akten hat.

Das Grundgesetz gebietet es.



Gut, Wiefelspütz und Polenz (der übrigens Initiator und Vorsitzender der "Christlich-Muslimischen Friedensinitiative" ist) machen sich lächerlich, wenn sie es verbieten wollen, bei Sicherheitskontrollen gezielt nach Terroristen zu fahnden. Aber die Sache hat ja auch noch eine andere Seite.

Gestern Abend hat Rayson in B.L.O.G. darauf aufmerksam gemacht, daß Wiefelspütz mit seinem "Selektion - gerade in Deutschland" die gezielte Fahndung nach Terroristen in Zusammenhang mit der Ermordung von Juden bringen will.

Das nun ist nicht mehr lächerlich. Es ist dreist, es ist bodenlos, es ist eine unglaubliche Unverschämtheit gegenüber den Opfern von Auschwitz und ihren Angehörigen.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.

28. Dezember 2010

Zwischen den Jahren (1): Lob der Verschwendung

Können Sie auch so schlecht etwas wegwerfen? Dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß Sie zur eher älteren Generation gehören.

Das Sammeln, das Aufheben, das Hamstern und Horten, das Nicht-Wegwerfen-Können sitzt denen in den Knochen, die erlebt haben, was es bedeutet, etwas nicht zu haben. Etwas vom Einfachsten nicht zu haben - genug zu essen, Heizmaterial im Winter, Kleidung und Unterkunft. Oder auch dasjenige, das als Luxus galt; Bücher, ein Radio, Schallplatten.

Wer vor ungefähr 1950 geboren ist - in Deutschland geboren ist, sollte ich hinzufügen -, der hat gelernt, daß diese Dinge zu besitzen nichts Selbstverständliches ist. Er hat selbst erfahren, er hat vor allem auch von seinen Eltern und Großeltern erklärt bekommen, wie wichtig es sein kann, etwas aufzubewahren, das man später brauchen kann. Oder es vielleicht tauschen kann gegen etwas, das man dringender braucht als das, was man zu tauschen bereit ist.

Man warf keine Lebensmittel weg; auch wenn sie schon angegammelt waren. Verschimmelte Stellen wurden weggeschnitten. Manches wurde durch ein kräftiges Aufkochen wieder genießbar gemacht. Und vieles konnte in der Natur gesammelt werden: Bucheckern, Kastanien, Hagebutten. Natürlich die Ähren, die auf den Feldern liegen geblieben waren, nachdem der Bauer diese abgeerntet hatte.

Man war Meister dessen, was man heute recycling nennt. Die erste Puppe, die meine Schwester bekam, war aus den Resten zerschlissener Kleidung gemacht. Ich hatte Hausschuhe aus dem Leder eines breiten Gürtels, den ein Urgroßvater als Turner besessen hatte ("Frisch, fromm, fröhlich, frei" - der Teil mit der Stickerei war bei der Verwertung übrig geblieben).

Begehrt für das Schneidern waren Uniformen, die Heimkehrer aus dem Feld mitgebracht hatten; vor allem Mäntel wegen des strapazierfähigen Materials. Auch Stahlhelme ließen sich mannigfach verwenden. Alte Wollsachen konnte man aufdröseln und aus den Wollfäden das stricken oder häkeln, das man brauchte.

Zeitungspapier wurde nicht weggeworfen, sondern fand seine Weiterverwertung. Meine Großmutter schnitt sorgsam daraus Handgerechtes fürs stille Örtchen zurecht und band es mit einer Schnur zusammen. Wir Kinder rührten aus eingeweichtem Zeitungspapier und Kleister Pappmaché, aus dem man zum Beispiel die Köpfe von Figuren für ein Kasperltheater basteln konnte.

Arno Schmidt hat in Brand's Haide (erschienen 1951) beschrieben, wie sich ein Heimkehrer in dem ihm als Unterkunft zugewiesenen leeren Abstellraum einrichtet:
Eine Chaiselongue ohne Kopfteil und Federn, der auch der Bezugsstoff fehlt? Die Lehrermutter verkaufte mirs, und ein paar Bretter, die ich barsch zurecht schnitt und auf den (ganz soliden, nebenbei) Holzrahmen nagelte. Blieb sogar noch was übrig; wenn ich mein Koppel zerschneide, kann ich n Paar Holzlatschen draus machen (...)

Ich räumte meine Kiste aus (...); wenn ich auf dem "Bett" saß, war sie, auf den Schemel gestellt, ein Tisch. (...) Morgen mußte ich irgendwie ein Wandbrettchen machen. Und kalt wars in dem Stall; aber an einen Ofen war gar nicht zu denken; ich holte die 2 Stück Holz aus der Tasche, legte sie in die Stubenecke, und projizierte mir wehmütig den dazugehörigen Ofen herum, mit glimmenden Feuermäulchen.
Alte Geräte hat man in dieser Zeit bis 1950 "ausgeschlachtet"; irgend etwas war immer darin, das man noch gebrauchen konnte. Jedenfalls vielleicht. Also erst einmal aufheben. "Wegwerfen kann man es immer noch".

Man ging, wenn man so will, überaus sorgsam mit allen "Ressourcen" um. Nur tat man das nicht aus Moral, sondern aus Not. Es gab keine "Wegwerfmentalität". Aber nicht, weil jemand gegen diese gepredigt hätte; sondern weil man sich das Wegwerfen nicht leisten konnte.



Also war es eine Lust, eine Befreiung, als man nach der Währungsreform endlich wieder konsumieren konnte. Und zwar frei konsumieren konnte; mit der Möglichkeit des Wählens und damit - was jedes Wählen einschließt - auch des Verwerfens.

Des Verwerfens auch in einem ganz wörtlichen Sinn: Lebensmittel konnte man jetzt wegwerfen; nicht nur, wenn sie verdorben waren, sondern auch schon, wenn sie nicht schmeckten. Jüngere Kinder bekamen ihre eigene Kleidung, statt die der älteren Geschwister auftragen zu müssen. Diese warf man weg. Man konnte es sich leisten, das alte Radio wegzuwerfen, wenn man ein neues, viel besseres gekauft hatte.

Man durfte endlich verschwenden. Das war lustvoll. Es war ein Ausdruck der neu gewonnenen Freiheit. Es war schön, es war bequem, verschwenderisch zu sein.

Statt das Bier in schweren Flaschen herbei- und das Leergut dann wieder zurückzuschleppen, konnte man sich den Luxus des Dosenbiers leisten. "Ex und hopp" - wunderbar! Man mußte nicht mit der Einkaufstasche herumlaufen, sondern nahm das Eingekaufte in praktischen Plastiktüten mit. Später konnten sich die Muttis die Mühsal des Windelwaschens ersparen, wenn sie Wegwerfwindeln kauften.

Es entstand die Wegwerfgesellschaft. Eine bessere, eine schönere Gesellschaft. Kein Wegwerf-Artikel wurde ja irgendwem aufgezwungen. Wer sich für ihn entschied, der tat das, weil es der bessere Artikel, die bessere Lösung war. Er tat das als freier Bürger, als freier Konsument. Wer sich dieser Lust, dieser Freiheit des Wegwerfens nicht hingeben konnte oder wollte, weil in ihm die Mentalität des Aufhebens und Ausschlachtens zu tief saß, der war frei, das zu tun.

Die fünfziger und die sechziger Jahre waren, entgegen einer später sich ausbreitenden Legende, keine "bleierne Zeit". Sie waren eine Zeit wachsender Freiheit, wachsenden Wohlstands, einer immer größeren Lust am Leben. Der Schlager von 1957 "Es geht besser besser besser, immer besser besser besser" traf das Lebensgefühl dieser Jahre.



Die Umbruchszeit der späten sechziger und frühen siebziger Jahre änderte das sehr abrupt. Ich habe diesen erstaunlichen Umbruch in früheren Artikeln beschrieben und kommentiert (Die Nachkriegskinder; ZR vom 4. 5. 2008 und Die dritte Phase in der Geschichte der Bundesrepublik geht in diesen Tagen zu Ende. Eine These; ZR vom 14. 9. 2010).

Es begann ab Ende der sechziger Jahre eine erste Generation sich zu artikulieren, die keine Zeit der Entbehrungen mehr gekannt hatte. Die Geburtsjahrgänge also ab ungefähr 1950, die, weil ihnen diese Erfahrung fehlte, die Freiheit des Konsumierens als "Konsumterror" mißdeuteten. Das Kaufen, Konsumieren und Wegwerfen wurde in einen Bereich gehoben, in dem es nichts zu suchen gehabt hatte: Dem der Moral.

Erst von alternativen Außenseitern, dann immer lauter von Vielen erhoben tauchte die Forderung auf zu verzichten. Nicht, weil es das nicht zu kaufen gibt, was man will. Sondern weil es moralisch schlecht sein sollte, sich das zu leisten, was man sich leisten kann.

Es stellten sich manche Verhaltensweisen der Zeit der Entbehrungen wieder ein. Man strickte sich wieder selbst seine Pullover, kehrte von den Bierdosen zu Glasflaschen zurück, man bemühte sich um Aufheben und Wiederverwenden. Es wurde wieder Obst eingekocht, man fuhr wieder Fahrrad wie die Großeltern, für die ein Auto ein Traum geblieben war.

Aber die Ähnlichkeit war und ist oberflächlich. Denn das alles, diese neue Askese, ist ja nicht notwendig. Diese Haltung des Nichtverschwendens wird mit - im Wortsinn - weit hergeholten Begründungen gerechtfertigt, die wechseln. Erst war es die Armut der "Dritten Welt", dann die Endlichkeit der Ressourcen und die Verschmutzung der Umwelt; aktuell ist es die dräuende "Klimakatastrophe".

Die narratives, die diese Lebenshaltung schmückenden und sie rechtfertigenden Glaubensinhalte, sind austauschbar. Die Haltung bleibt.

Warum diese Haltung? Ich weiß es nicht. Man kann da wohl nur spekulieren. Anfangs, bei den Achtundsechzigern, mag die Revolte gegen die Eltern das zentrale Element gewesen sein. Bald bekam die "Bewegung" einen immer mehr pseudoreligiösen Charakter.

Es ist, so scheint mir, eine Ersatzreligion, die uns das Verschwenden verbieten will. Die selbst ernannten Hohepriester wollen herrschen, indem sie die Moral bestimmen. Ich kann mit dieser Moral nichts anfangen; ich schätze ihre Priester überhaupt nicht. Ich mag das Verschwenden. Ich lobe mir die Verschwendung.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier. Titelvignette: Antike Büste von Ianus, dem Gott des Übergangs und der Veränderung; Vatikan-Museum. Fotografie vom Autor Fubar Obfusco in die Public Domain gestellt. Bearbeitet.

27. Dezember 2010

Zitat des Tages: Augstein über Sarrazin. Ein indiskutabler Artikel, der aber doch einen Kommentar verdient

Die Zeitung geht dabei weit unter ihr eigenes Niveau. Die FAZ lässt Sarrazin den Satz schreiben: "Die von mir genannten Statistiken und Fakten hat keiner bestritten". Das stimmt einfach nicht. Es ist eine Lüge. Und zwar eine offensichtliche, die den Leser fassungslos macht. Es ist nicht nur so, dass keineswegs keiner Sarrazins Thesen bestritten hat - sondern es ist vielmehr so, dass die Experten geradezu kohortenweise über Sarrazins Kurzschlüsse hergefallen sind. Es sind nämlich nicht die Daten falsch, die er nutzt. Sondern die Schlüsse, die er daraus zieht.

Jakob Augstein in der Online-Ausgabe der Wochenschrift "Freitag" unter der Überschrift "Die FAZ, Sarrazin und Lügen zu Weihnachten".



Haben Sie genau gelesen?

Augsteins Vorwurf lautet:
Die FAZ lässt Sarrazin den Satz schreiben: "Die von mir genannten Statistiken und Fakten hat keiner bestritten". Das stimmt einfach nicht. Es ist eine Lüge.
Es sei eine Lüge, sagt Augstein, daß niemand die von Sarrazin genannten Statistiken und Fakten bestritten habe. Und warum ist es eine Lüge? Augstein:
Es sind nämlich nicht die Daten falsch, die er nutzt. Sondern die Schlüsse, die er daraus zieht.
Augstein bezichtigt Sarrazin der Lüge, weil dieser gesagt hat, daß die von ihm genannten Statistiken und Daten nicht bestritten worden seien. Wenige Sätze später schreibt Augstein, daß diese Daten nicht falsch seien, sondern die aus ihnen von Sarrazin gezogenen Schlüsse.

Zu seinen Schlüssen hat sich aber Sarrazin in dem zitierten Satz ja gerade nicht geäußert, sondern zu den Fakten und Statistiken. Augstein nennt das eine Lüge, was er selbst bestätigt.



Es wäre die Mühe nicht wert, diese offensichtliche Unlogik zu kommentieren, wenn es nicht um Sarrazin und um Augstein ginge.

Was Jakob Augstein angeht: Er ist, auch wenn er sich in seinem Blatt kokett als "Journalist und Gärtner in Berlin" vorstellt, Besitzer und Herausgeber des "Freitag". Kaufen konnte er das Blatt, weil er einer der Erben von Rudolf Augstein ist; von diesem gesetzlich anerkannt, obwohl er wußte, daß der leibliche Vater Jakobs sein Freund Martin Walser war.

Immerhin, Jakob Augstein trägt den Namen dieses großen Journalisten. Das sollte eigentlich zu einem gewissen Anspruch an sich selbst verpflichten; zu wenigstens dem Bemühen um journalistische Qualität.

Daran fehlt es an dem Artikel in einem bemerkenswerten Ausmaß. Nicht nur schimpft Augstein ungehemmt; er nennt Sarrazin einen "Rassisten und Kulturchauvinisten", einen "gewohnheitsmäßigen Lügner", einen "gefährlichen Demagogen". Sondern die Argumentation in dem ganzen Artikel ist gedanklich nicht weniger dürftig als die eingangs zitierte Textpassage.

Augstein behauptet, in einer Stellungnahme des Deutschen Biologenverbands stehe:
Dass es messbare Unterschiede in Intelligenzleistungen gibt, liege nur daran, dass die Intelligenztests kulturell beeinflusst seien.
Einige Sätze später schreibt er von derselben Stellungnahme:
Die Unterschiede innerhalb der Gruppe übertreffen den Biologen zufolge die Unterschiede zwischen den Gruppen bei weitem. Gleiches gilt für das Genom schlechthin. Die Abweichungen innerhalb von Ethnien seien fünfmal so hoch wie zwischen ihnen.
Augstein schreibt also, daß erstens kein genetischer Unterschied in der Intelligenz von Populationen existiert und daß zweitens die Messung dieses nicht existenten genetischen Unterschied ergibt, daß er nur ungefähr ein Fünftel des genetischen Unterschieds innerhalb von Gruppen beträgt. Wo bleibt da die Logik?

Augstein an anderer Stelle:
Ein anderes Beispiel sind Sarrazins Äußerungen zum Verschwinden der Deutschen. Er schreibt: "Beim gegenwärtigen demografischen Trend wird Deutschland in 100 Jahren noch 25 Millionen, in 200 Jahren noch acht Millionen und in 300 Jahren noch drei Millionen Einwohner haben." Dazu äußerte der Bevölkerungswissenschaftler Herwig Birg, dass die Zahl der Deutschen im Jahr 2100 bei 46,1 Millionen liegen werde. Es spielt hier keine Rolle, wer Recht hat. Eine Rolle spielt, dass Sarrazin lügt und dass die FAZ ihn lügen lässt.
Wenn es keine Rolle spielt, wer Recht hat, dann kann man aus der angeblichen Diskrepanz zwischen Birgs und Sarrazins Zahlen offensichtlich nicht ableiten, daß Sarrazin lügt.

Wiederum: Wo bleibt da die Logik?



Im übrigen gibt es den Widerspruch zwischen Sarrazins und Birgs Angaben, den Augstein behauptet, überhaupt nicht.

Sarrazin macht in der zitierten Passage keine Prognose, sondern er stellt eine Modellrechnung an. (Zum Unterschied zwischen Prognosen und Modellrechnungen siehe ausführlich Sarrazin auf dem Prüfstand der Wissenschaft (4): Demographische Entwicklung und Geburtenziffer von Einwanderern - Teil 1: Grundbegriffe; ZR vom 21. 9. 2010 sowie Teil 2: Sarrazins Zahlen; ZR vom 24. 9. 2010 und Teil 3: Sarrazins Szenarien; ZR vom 29. 10. 2010).

"Beim gegenwärtigen demographischen Trend" bezieht sich auf die heutige Netto-Reproduktionsrate von 0,64 in Deutschland (Seite 339 des Buchs von Sarrazin). Das bedeutet, daß jede Generation um 36 Prozent kleiner ist als die vorausgehende. Es genügt Mathematik der Mittelstufe, um auszurechnen, daß beim Anhalten dieses demographischen Trends eine Bevölkerung von 80 Millionen in der vierten Generation auf knapp über 20 Millionen abgesunken sein wird.

Birg hingegen - auf dessen Berechnungen Sarrazin in anderen Passagen seines Buchs wesentlich aufbaut - versucht eine Prognose unter Berücksichtigung von weiteren Faktoren wie Einwanderung. Sarrazin verwechselt seine - unbestreitbare, weil rein mathematische - Modellrechnung keineswegs mit einer solchen Prognose; er widmet einen ganzen Abschnitt unter der Überschrift "Weshalb die Nettoreproduktionsrate kein Schicksal sein darf" (S. 372 ff) den unterschiedlichen möglichen realen Entwicklungen.

Die beiden Aussagen, die Augstein konfrontieren möchte, widersprechen sich somit so wenig, wie die Aussage "Wenn der Wertgewinn meiner XYZ-Aktie von 20 Prozent im Jahr 2010 im nächsten Jahrzehnt anhält, dann ist sie in zehn Jahren rund sechs mal so viel wert wie jetzt" der Aussage widerspricht, daß realistischerweise sich der Kurs ganz anders entwickeln dürfte.



Also: Jakob Augsteins Artikel ist indiskutabel, im Wortsinn. Man kann ihn nicht diskutieren, weil er fast nur aus sachlichen und logischen Fehlern besteht; sowie Verbalinjurien gegen Sarrazin und Vorwürfen an die Adresse der FAZ. Wer so etwas schreibt, der disqualifiziert sich als Journalist. Er sollte besser den Beruf des Gärtners zu seinem einzigen machen.

Aber es geht um Sarrazin. Und das ist die andere Seite des Vorgangs. Das macht es wert, sich mit Jakob Augsteins Artikel zu befassen.

Die erste Reaktion auf Sarrazins Buch, die schon vor dessen Erscheinen einsetzte, war der Versuch, ihn durch Diffamierung zur Unperson zu machen (siehe Pawlow'sche Reflexe. Diffamierungen statt einer Auseinandersetzung mit den Thesen von Thilo Sarrazin; ZR vom 25. 8. 2010 und Thilo Sarrazin gestern bei Beckmann, seziert mit Stoppuhr und Notizblock. Ein Gastbeitrag von Calimero; ZR vom 31. 8. 2010).

Das ist gescheitert. Inzwischen konnte Sarrazin in Jauchs Jahresrückblick und bei Sandra Maischberger seine Auffassungen darlegen. Und nun hat die FAZ ihm ein Forum gegeben. Den Artikel in der Weihnachtsausgabe der FAZ, der Jakob Augstein zu seinem Pamphlet veranlaßt hat, können Sie hier lesen.

Es ist ein ausgezeichneter, ein zurückhaltender und sachlicher Artikel. Lesen Sie ihn bitte und vergleichen Sie ihn mit der Art, wie Jakob Augstein auf ihn reagiert. Eine maßlose, eine so abwegige Reaktion, daß man nach einer Erklärung suchen sollte.

Daß Sarrazin nicht erfolgreich ausgegrenzt werden konnte, ist eine der großen, vielleicht die größte Niederlage der Linken in Deutschland in den letzten Jahren. Eine als sicher geglaubte Meinungsdominanz ist durchbrochen worden. Ich habe das so formuliert, daß jetzt der Mehltau verschwindet, der sich seit 1998 über das Land gelegt hatte (Die dritte Phase in der Geschichte der Bundesrepublik geht in diesen Tagen zu Ende. Eine These; ZR vom 14. 9. 2010).

Jakob Augsteins Artikel ohne jedes Maß ist ein Symptom dafür, wie sehr die Linke, für die er steht, sich nun in ihrer Dominanz bedroht fühlt, die doch so sicher gewesen zu sein schien.

Aber wird sich wirklich etwas grundlegend ändern, oder war alles nur ein Strohfeuer? Auch Sarrazin läßt das offen. Er schreibt am Ende des FAZ-Artikels:
Manches starke Wort der letzten vier Monate wäre ohne mein Buch wohl ungesagt geblieben. Aber über Worte ging es bislang eben nicht hinaus, in der Sache hat sich noch gar nichts geändert. Viele Politiker warten offenbar darauf, dass die durch das Buch ausgelöste Resonanz im Windschatten der nächsten Aufregung verschwindet. Mag sein, dass sie sich täuschen, für ein Resümee ist es noch zu früh.
Da haben Sie den nüchternen, skeptischen, lakonischen Thilo Sarrazin. Noch einmal: Lesen Sie bitte den Artikel in der FAZ. Sie können sich dann ein Bild von Sarrazin machen, auch wenn Sie das Buch vielleicht nicht gelesen haben und nicht lesen werden.

Sie können dann selbst urteilen, was von Autoren wie Jakob Augstein zu halten ist.



Nachbemerkung: Der Artikel Augsteins wurde inzwischen verändert. Ich habe diesen Beitrag auf der Grundlage der ursprünglichen Fassung vom 24. 12. 2010, 10.33 Uhr geschrieben, die man noch im Google cache lesen kann.



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24. Dezember 2010

Kleines Klima-Kaleidoskop (18): Der weiße Planet

Eine der brillantesten, aber leider schon - wie's scheint - halbvergessenen Ideen dieses Jahres stammt von dem Harvard-Physiker Russell Seitz.

Sie beruht auf folgender Beobachtung: winzige Luftblasen lassen das Meer hellblau schimmern! Was als Naturerscheinung bislang dem Vergnügen von Urlaubern diente, die sich an Wasserfällen und Schaumkronen erfreuen, könnte demnächst, technisch verfeinert, die Welt vor der Klimakatastrophe retten.

Russell Seitz fand nämlich heraus, daß Wasser doppelt so viel Licht reflektiert, wenn man pro Liter 250 Millionen Luftbläschen hineintut. Das klingt nach einer Menge Schaum, tatsächlich reicht aber ein Kubikmillimeter Luft dafür schon aus, wenn man die Bläschen nur genügend klein macht. Die Oberfläche der Bläschen wirkt wie ein Spiegel, und zwar nicht nur für Licht, sondern auch für Wärmestrahlen.

Helle Bereiche der Erdoberfläche wie die Polkappen oder die Wüsten spiegeln Wärmestrahlung in den Weltraum und kühlen auf diese Weise die Atmosphäre ab. Man könnte nun, so Seitz, das Weltmeer ebenfalls für diesen Zweck einspannen, indem man die zehntausend Schiffe, die ständig auf den Ozeanen unterwegs sind, Pressluft in das Meer pumpen ließe. Das aufgehellte Wasser würde sich mit der Meeresströmung weithin verteilen, da sich solche winzigen Bläschen längere Zeit halten könnten.

Den heutigen Klimamodellen zufolge würde ein derart aufgehelltes Weltmeer die Temperatur der Atmosphäre um 3°C senken, mehr als genug, um das Klima schön frisch und kühl zu halten, wie wir es gewohnt sind.

Die Landoberfläche der Erde wurde vom Menschen bereits weitgehend umgestaltet, wobei sie immer dunkler geworden ist. Dieser sog. "Albedo-Fußabdruck" ist bislang noch kaum in unser schlechtes Gewissen vorgedrungen, doch mit dem Luftblasenprojekt steht die Lösung bereits vor der Tür: geben wir der Erde die Helligkeit zurück, die wir ihr genommen haben! Brighten the water.

(Siehe die Pressemeldung Could Tiny Bubbles Cool the Planet? und den kompletten Aufsatz Bright Water- hydrosols, water conservation and climate change.)


Prof. Seitz' Idee ist nur der jüngste einer ganzen Reihe von Vorschlägen, die man als Geo-Engineering bezeichnet: die großflächige Beeinflussung der Lebensbedingungen auf der Erde durch technische Maßnahmen.

Die Geoingenieure retten unseren Planeten vor der Klimakatastrophe nicht durch Bekämpfung vermuteter Ursachen, sondern indem sie Gegenmaßnahmen ergreifen. Ihre Vorschläge zielen darauf, die Erdatmosphäre mit geeigneten Mitteln abzukühlen, um die erwärmenden Effekte auszugleichen.

Die Klimadogmatiker lieben diese Ideen nicht sehr. Obwohl sie strenggenommen nicht im Widerspruch zur herkömmlichen Klimapolitik stehen, lenken sie doch von dem zentralen CO2-Thema ab, das man der Öffentlichkeit nahebringen möchte.

Auf der anderen Seite sind auch die Klimaskeptiker nicht begeistert. Da ihrer Ansicht nach das Problem gar nicht existiert, braucht man diese Lösung genausowenig wie jene der Dogmatiker.

Somit sitzen die Geoingenieure zwischen den Stühlen. Auch kulturgeschichtlich gehören sie zwei gegensätzlichen Epochen an: dem technokratischen Zeitalter, welches die 50er bis 70er Jahre umfaßt, als man glaubte, die Welt im großen Stil gestalten zu können, allerdings zu unserem eigenen Nutzen - und dem jetzigen ökologischen Zeitalter, in welchem man die Welt vor uns retten möchte; in allen Umgestaltungsversuchen jedoch vornehmlich die Ursache unvorhersehbarer Großkatastrophen sieht.

Zumindest muß man den Ingenieuren lassen, daß ihre Beiträge zur Debatte die bei weitem fantasievollsten sind. Weder der Ansatz der Skeptiker, einfach weiterzumachen und das Klima zu nehmen wie es eben kommt, noch die Vorstellung der Dogmatiker, in kalten Wohnungen hockend dem Dröhnen der Windräder zu lauschen, können mit dem Unterhaltungswert des Geo-Engineerings konkurrieren.


Allein zum Zweck der globalen Beleuchtungsregulierung wurden in den letzten Jahren folgende Vorschläge entwickelt:

1. Man könnte ungenutzte Gebiete mit reflektierenden Kunststoffplanen bedecken, um so die Wärme der Atmosphäre in den Weltraum zu spiegeln.
2. Einen ähnlichen Effekt könnte man erzielen, indem man Pflanzen, sei es Nutzpflanzen, sei es Gräser, mit hellerer Oberfläche anbaut.
3. Die zunehmende Hitze in den Städten ließe sich durch einen helleren Anstrich von Gebäuden und Straßen verringern.
4. In hochgelegenen Regionen die Wälder abzuholzen würde dort eine geschlossene Schneedecke herbeiführen, die ebenfalls das Licht zurückstrahlt.
5. Der schwindende Eisspiegel der Arktis ließe sich vielleicht stabilisieren, indem man ihn mit Meerwasser besprüht.
6. Wolken halten das Sonnenlicht ab: also müßte man nur mehr Wolken künstlich erzeugen, und die Atmosphäre würde kühler werden.
7. Zusätzlich könnte man die niedrigen Wolken heller machen, indem man Meerwasser von speziellen Nebelwerferschiffen in die Höhe sprüht.
8. Zirkuläre Meeresströmungen umschließen große Bereiche treibenden Kunststoff-Abfalls, wie zum Beispiel den Great Pacific Garbage Patch im Nordpazifik. Würde man dem Müll eine größere Menge helleren Materials hinzufügen, würden diese Meeresgegenden mehr Licht reflektieren.
9. Prof. Seitz' neue Idee, das Weltmeer durch winzige Bläschen heller zu machen, wurde bereits geschildert.
10. Wenn die Triebwerke der Flugzeuge etwas ineffizienter arbeiteten, würden die Kondenstreifen breitere Schilde gegen das Sonnenlicht bilden.
11. Einige Milliarden kleiner Wasserstoffballons in der Stratosphäre mit glänzender Oberfläche aus Aluminium würden sich ebenfalls als Spiegel eignen. Man könnte es auch mit winzigen Metallsplittern versuchen. Die gleiche Wirkung haben auch Schwebeteilchen auf der Basis von Schwefeldioxid, wie man von Vulkanausbrüchen weiß; man könnte sie mit Flugzeugen, Ballonen und sogar Artilleriegeschützen dort hinaufbringen.
12. Oder wie wäre es damit, eine riesige Staubwolke um den Mond herum aufzuwirbeln, die dann um Neumond herum die Sonne verschleiert?
13. Zwischen der Erde und der Sonne gibt es einen Punkt, wo sich die Schwerkraft der beiden Himmelskörper aufhebt. Ein Gegenstand, der sich dort befindet, verharrt stets auf der Linie zwischen Erde und Sonne. Da könnte man einen Spiegel hinbringen; oder eine Zerstreuungslinse, die man aus einer dünnen etwa 1000 km großen Folie herstellen könnte.

(Wer sich im einzelnen mit diesen Projekten befassen möchte: die Liste in der Wikipedia ist ein guter Ausgangspunkt.)


Diesen Ansätzen gehört bestimmt die Zukunft. Die meisten davon würden zwar eine ungeheure Menge Geld kosten, bestimmt so viel wie der CO2-Klimaschutz, doch greifen sie weniger arg ins tägliche Leben ein; wir würden weiterhin winters in kurzen Ärmeln bei Glühlampenlicht zuhause sitzen können, während weit draußen im Weltall die Spiegelchen und im fernen Weltmeer die Bläschen im Freien für angenehme Kälte sorgen. Das ist jedoch bei weitem nicht der einzige Vorteil:

• Die Vielfalt der Maßnahmen kommt dem Staat entgegen, der statt einer einheitlichen CO2-Bürokratie eine große Zahl spezialisierter Behörden aufbauen kann. Mit Legitimationsproblemen kämpfende Bereiche wie die Raumfahrt könnten sich neue und wichtig erscheinende Aufgaben erschließen.

• Die räumliche Dimension der einzelnen Projekte ist oft erheblich kleiner als beim CO2-Ansatz, so daß die enormen Schwierigkeiten, globale Abkommen zu erreichen, beim Geo-Engineering vermieden werden können: wir klimaseligen Europäer müßten uns beispielsweise auf internationalen Konferenzen nicht mehr von anderen vorführen lassen, sondern könnten die Ozeane einfach selber aufschäumen, ob die Chinesen nun dabei mittun wollen oder nicht.

• Geo-Engineering beruht nicht auf Ursachenhypothesen, und stellt daher für die Klimapolitik eine Rückzugslinie dar, falls die CO2-Wasserdampf-Erwärmungs-Hypothese scheitern sollte. Wird es unangenehm warm, aus welchem Grund auch immer, müssen wir eben einfach unsere Gegenmaßnahmen ergreifen.

• So wie sich die Linke pazifistisch gibt, solange die bürgerliche Gesellschaft besteht, und militaristisch wird, sobald sie selber an der Macht ist, so dürfte sich auch das Verhältnis zur Ökologie umdrehen: vom Sparen, Einschränken und Verbieten zum Lenken, Umgestalten und Vorschreiben - von der CO2-Reduktion beim Menschen zur aktiven Steuerung der Naturvorgänge.

• Unverkennbar steht das Geo-Engineering ja nicht nur in der westlich-technokratischen Tradition der 60er-Jahre, sondern auch in der sowjetischen des Flüsseumlenkens und Regenmachens. Das klingt heute noch wie ein Nachteil, doch könnte das sowjetische Erbe, das ja sorgfältig vor der Diskreditierung bewahrt wird, auch einmal wieder in Mode kommen.

• Die von den kleinen Vergnügungen des Wohlstandes gelangweilte Menschheit wird vielleicht wieder nach neuen großen fesselnden Aufbrüchen verlangen, nach einer zeitgemäßen Utopie, die zu großem Tun aufruft, und dabei doch die Hybris des Glücksversprechens meidet und nur retten und erhalten will, und so gleichsam unvermeidlich ist. So sehr das Geo-Engineering heute zwischen den Fronten der Technokratie und der Ökologie steht, so sehr würde es sich morgen dazu eignen, diese Gegensätze zu versöhnen und zu überwinden. Konservativ gestimmte Mitmenschen sollten diesen Erwägungen gegenüber eigentlich aufgeschlossen sein.


Wir können natürlich noch nicht wissen, ob sich das Geo-Engineering durchsetzen wird, doch immerhin läßt sich schon zeigen, wie die Erde im Zeitalter des Engineering aussehen wird:



Offenbar zielen die meisten der vorgeschlagenen Maßnahmen darauf ab, die Erde hell und die Sonne klein und blaß zu machen.

Die kulturellen Implikationen hiervon wären weitreichend und tiefgründig. Das heliozentrische Zeitalter nach Kopernikus ging einher mit den Aufbrüchen in die Weite, der Entdeckung der Seewege, der europäischen Kolonialisierung der Kontinente, der Luft- und Raumfahrt, dem wissenschaftlichen Forschungsdrang ins Unbekannte. Mit dem Blick der Raumfahrer zurück auf den damals noch blauen Planeten, mit den Prognosen des Club of Rome, der Gaia-Hypothese, dem Öko-Biedermeier, der Selbstablehnung der westlichen Zivilisation begann die Rückkehr zu einer geozentrischen Kultur, die in der hellgrauen Welt des Geo-Engineering zu ihrem ästhetischen Ausdruck, zu einer unbestreitbaren sinnlichen Präsenz finden würde. Weniger Sonne - mehr Erde.

Heute herrscht der grüne Traum - und danach kommt - wer weiß - vielleicht der weiße Wahn.




© Kallias. Für Kommentare bitte hier klicken. Das Bild ist eine Bearbeitung eines Fotos der NASA (public domain).
Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier. Titelvignette: Drei Bilder, die sich durch das Schütteln eines Kaleidoskops ergeben. Fotografiert und in die Public Domain gestellt von rnbc.

Frohe Weihnachten!


Allen Lesern von "Zettels Raum" ein schönes Weihnachtsfest!



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Abbildung: "Geburt Christi" von Conrad von Soest. Stadtkirche Sankt Nikolaus in Bad Wildungen; um 1400.

23. Dezember 2010

Marginalie: Barack Westerwelle und der Niedergang der FDP

In der FAZ kommentiert die kundige Leiterin des Wirtschaftsressorts, Heike Göbel, den Niedergang der FDP. Ich widerspreche ihrer Analyse nicht, aber ich möchte einen Gesichtspunkt hinzufügen.

Ein derartiger Absturz - von fünf Wählern des Jahres 2009 ist der FDP gerade mal einer geblieben - bereitet sich meist schon dann vor, wenn alles bestens zu stehen scheint. In der Wirtschaft folgt die Rezession auf eine überhitzte Konjunktur; dem Börsencrash geht ein Höhenflug der Kurse voraus. Nicht anders ist es oft in der Politik.

Die Ursachen für den jetzigen Absturz der FDP liegen wesentlich in ihrem Erfolg des Wahljahrs 2009; oder genauer: in dem, was zu diesem Erfolg führte. Und da gibt es eine auffällige Parallele mit dem politischen Schicksal von Barack Obama.

Obama wie Westerwelle sind der Typus des Trommlers. Sie sind am besten, wenn sie glanzvolle Auftritte haben, in denen sie die großen Linien entwickeln.

Obama hat das im Wahlkampf 2008 gezeigt (siehe Obamania: Ein Populist auf dem Weg zur Präsidentschaft der Vereinigten Staaten?; ZR vom 12. 2. 2008). Er hat viele Amerikaner begeistert mit seinem Versprechen, alles anders zu machen: Das Land zu einen, es wieder nach vorn zu bringen, ihm neuen Mut zu geben. Diese Hoffnungen und sein charismatisches Auftreten haben Obama zum Erfolg geführt.

Ähnlich, wenn auch ein paar Nummern kleiner, ist Guido Westerwelle im Wahlkampf 2009 aufgetreten. Ein Höhepunkt war schon im Mai die Rede auf dem Parteitag von Hannover (siehe Guido Westerwelle in Hannover: Eine ausgezeichnete Analyse. Treffliche Ziele. Und ein Kurs von beklemmender Unlogik; ZR vom 15. 5. 2009).

Heike Göbel hat das, was Westerwelle ähnlich visionär wie Obama versprach, jetzt noch einmal zusammengefaßt:
Wofür steht die FDP? In seinen besten Zeiten gelang es Westerwelle, die Frage mit einer knappen Maxime zu beantworten: Erwirtschaften vor Verteilen, Freiheit vor Gleichheit und Privat vor Staat.
Schöne Formulierungen; wie Obamas "Yes we can" und "No blue states, no red states, only the United States of America".



Aber solche Hoffnungen wollen auch erfüllt werden. Wer die Lippen spitzt, der muß auch pfeifen können. Wer die ganze Gesellschaft und die ganze Wirtschaft umkrempeln will, der muß auch die Muskeln dazu haben. Und vor allem den Willen.

Obama mag den Willen gehabt haben; die Muskeln hatte und hat er nicht. Der Präsident mit den stärksten Sprüchen hat sich als einer der Präsidenten mit den schwächsten Leistungen erwiesen. Er richtet sein Land nicht auf. Er ist vielmehr im Begriff, es in eine kollektive Depression zu führen.

Westerwelle hat die Lippen sehr stark gespitzt. Man hat nicht den Eindruck, daß er überhaupt pfeifen wollte.

Die FDP hat die Wahlen mit Themen zur Finanz- und zur Gesellschaftspolitik gewonnen. Aber die Finanzpolitik überließ sie schon in den Koalitionsverhandlungen Wolfgang Schäuble; die Gesellschaftspolitik CDU-Ministern wie Ursula von der Leyen.

Stattdessen begab sich Westerwelle ins Auswärtige Amt, wo er eine miserable Figur macht. Der Trommler als Diplomat, das paßt nicht. Wie Guido Westerwelle eigentlich die deutschen Interessen definiert und was er zu deren Durchsetzung tut, das bleibt so verschwommen wie Husum im Nebel.

Die FDP meinte Steuerpolitik machen zu können, ohne das Finanzressort zu haben. Sie wollte Gesellschaftspolitik machen, ohne eines der dafür zuständigen Ressorts zu haben (Arbeit und Soziales; Familie, Jugend, Frauen).

Sie hat sich mit dem Auswärtigen und der Justiz, dann auch gar noch der Entwicklungshilfe, Ressorts ausgesucht, mit denen sie keinem ihrer finanz- und gesellschaftspolitischen Ziele auch nur einen Millimeter näher kommen konnte.

Sie hat ins Wirtschaftsressort einen Mann geschickt, der gegen seinen Vorgänger Guttenberg so wirkt wie gegen Bayern München die Sportvereinigung 07 Elversberg.



Jetzt hat man den Salat.

Anfang Juni habe ich den Niedergang der FDP bereits einmal analysiert (damals stand sie in den Umfragen bei sechs bis acht Prozent; bei einem Wert, über den sie heute jubeln würde). Der damalige Artikel hieß "Es wird Zeit, daß in der FDP über Guido Westerwelle diskutiert wird" (ZR vom 4. 6. 2010); aber an der URL sehen Sie, daß der ursprüngliche Arbeitstitel gewesen war: "Westerwelle muß weg".

Eine solche Forderung hatte ich dann doch als zu weitgehend empfunden und den Titel geändert. Jetzt, ein gutes halbes Jahr später, ist sie zu wenig.

Auch ein neuer Vorsitzender (wer eigentlich?) würde der FDP nicht in den Augen der Bürger die Kompetenz wiedergeben, die sie verspielt hat, als sie erst groß getönt und dann klein gehandelt hat. Das ist vorerst nicht zu reparieren; so wenig, wie man es Obama noch einmal abnehmen wird, daß er das Land voranbringen kann.

Einen Rat habe ich für die FDP also nicht. Außer der Binsenweisheit, daß die Zeit Wunden heilt. Ein Totenglöcklein wird auch diesmal für die FDP nicht bimmeln. Der politische Liberalismus in Deutschland wird auch Guido Westerwelle überleben.



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22. Dezember 2010

Kurioses, kurz kommentiert: Proletarische Methoden im Bundestag. Handgreiflichkeiten, ein verschwundenes Kabel und ein dementierender Trittin

Hartmut Palmer ist nicht irgendein Journalist. Er hat Jahrzehnte als Hauptstadt-Korrespondent die deutsche Polit-Szene beobachtet, davon 23 Jahre als Redakteur des "Spiegel", der dieses journalistische Urgestein vor vier Jahren mit viel Tamtam verabschiedete.

Jetzt ist Palmer bei "Cicero" und dort dessen Chefkorrespondent. Wenn jemand mit einer solchen Erfahrung und einer solchen Reputation wie Palmer etwas schreibt, dann kann man sicher sein, daß er sorgfältig recherchiert hat.

Geschrieben hat Palmer jetzt einen Artikel, über den die Online-Ausgabe von "Cicero" unter der Überschrift "Nachts im Reichstag: Tränen, Sabotage und Handgemenge" berichtet:
Hinter vorgehaltener Hand erzählt man sich im Deutschen Bundestag schier unglaubliche Geschichten über eine turbulente Nachtsitzung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Erst wurde dort stundenlang über Geschäftsordnungsanträge gestritten, dann verschwand die Ausschussvorsitzende weinend auf der Toilette. Die Kopiergeräte im Ausschusssekretariat waren plötzlich nicht mehr benutzbar, weil unbekannte Saboteure die Stromkabel geklaut hatten. Und kurz vor Mitternacht kam es auf den Fluren des Reichstags auch noch zu Handgreiflichkeiten. Die Bundestagspolizei musste einschreiten.
Der Hintergrund laut Palmer: Der Opposition fehlte die Mehrheit, um in dem Ausschuß den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Atompolitik abzulehnen. Aber man versuchte, die Verhandlungen so lange hinauszuzögern, bis die Frist für eine rechtzeitige Verabschiedung überschritten gewesen wäre.

Keine sehr feine Methode, aber nun gut, Geschäftsordnungs-Tricks gehören zum politischen Handwerk. Allerdings scheint es, wenn Palmer zutreffend berichtet, nicht nur unfein, sondern ein wenig proletarisch grob zugegangen zu sein, wobei sich offenbar die Vertreter der Avantgarde des Proletariats hervortaten:
Zeitweise wusste man gar nicht mehr genau, welche Details gerade verhandelt wurden. Hinzu kam, dass die beiden Kopiergeräte im Ausschusssekretariat durch einen Sabotageakt gezielt lahmgelegt worden waren. Unbekannte hatten nicht nur die Stecker gezogen, sondern auch die Verbindungskabel mitgenommen. Zum Schluss verlor die Ausschussvorsitzende Eva Bulling-Schröter (Die Linke) Übersicht und Fassung. Sie lief weinend aus dem Raum, verschanzte sich auf der Damentoilette und ward nicht mehr gesehen. (...)

Eine Gruppe von Linken-Abgeordneten, deren Anführer, ein Werkzeugmacher aus Jena, wie Augenzeugen später berichteten, „stark nach Alkohol roch“, stellte sich den Saaldienern des Bundestags in den Weg, als diese die Fächer mit den Drucksachen füllen wollten. Es kam zu Handgreiflichkeiten, die Bundestagspolizei musste einschreiten. Die Sache wurde zwar aktenkundig, aber bislang unter der Decke gehalten.



Natürlich wird dementiert. Die Dementis kann man bei "Spiegel-Online" nachlesen.

Das hübschste Dementi kommt von Jürgen Trittin. "Spiegel-Online":
Der Grünen-Politiker Trittin habe sich inzwischen bei ihr dafür entschuldigt, dass er damals gesagt hatte, Bulling-Schröter sei von Unionspolitikern im Ausschuss derart gemobbt worden, "dass sie unter Tränen den Saal verlassen musste". Dass nun "Cicero" diese Darstellung wieder aufnehme, sei "eines so bekannten Magazins nicht würdig".
Entschuldigt hat er sich, der Jürgen Trittin; nicht etwa gesagt, er hätte da etwas Unwahres behauptet.

Und weil er sich nun für das entschuldigt hat, was er aus dem Nähkästchen geplaudert hatte, soll das nicht mehr berichtet werden dürfen?

Auch jetzt dementiert Trittin den Vorfall ja nicht. (Was auch schwer sein dürfte, denn die Sitzung konnte, da die Vorsitzende abhanden gekommen war, nur unter Leitung ihres Stellvertreters fortgesetzt werden; auch existiert ein Tonbandprotokoll). Er dementiert nicht, der Trittin, aber es soll wie ein Dementi klingen: "Unwürdig" sei es, so etwas zu berichten.

Ob es nicht doch eher unwürdig war, wie sich diese linken Abgeordneten aufgeführt haben? Laut Hartmut Palmer "wie die Atomgegner rund um Gorleben".



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Zitat des Tages: "Politiker revoltieren gegen Glühbirnenverbot". Ja, wie ist denn das möglich?

Führende deutsche Abgeordnete des EU-Parlaments wollen das Verbot von herkömmlichen Glühbirnen in Europa zu Fall bringen: "Ich werde alles tun, um das Glühbirnenverbot in der EU doch noch zu kippen", sagte der Vorsitzende des Industrie-Ausschusses, Herbert Reul (CDU), der "Welt". Er forderte die EU-Kommission auf, das Verbot "unverzüglich" außer Kraft zu setzen.

Beginn eines Artikels, der seit heute morgen in "Spiegel-Online" zu lesen ist.


Kommentar: Traditionell sind es ja eigentlich eher Bürger und nicht Politiker, die "revoltieren".

Aber als das unverschämte Glühlampen-Verbot verordnet wurde, war allenfalls ein leises Seufzen im Volk zu vernehmen.

Kaum etwas war und ist so bezeichnend für die Macht der Öko-Ideologie wie die Sanftmut, mit der die EU-Bürger es hingenommen haben, daß sie statt der vernünftigen, billigen Glühbirnen teure Ökofunzeln kaufen müssen, die nichts als Nachteile haben.

Man hat 2009 auf das bevorstehende Inkrafttreten der Verordnung mit Hamstern reagiert; so wie auf einen nun einmal unvermeidlichen Mangel (siehe "Der Absatz von Glühlampen steigt". Hamstern als Akt des Widerstands.; ZR vom 25. 7. 2009). Statt unsere Vertreter in Brüssel mit Protesten einzudecken.

Man hat das hingenommen wie die Schweizer, bevor sie Eidgenossen wurden, das Grüßen des Geßlerhuts. Daß man warten und warten muß, bis es halbwegs hell wird; daß das Licht unschön ist und meist schwach; daß man, wenn die Lampe das Leuchten einstellt, ein hochgradig schädliches Produkt hat, mit dem man nicht weiß wohin - das haben wir alles wie brave Schafe ertragen, wir Bürger.

Wenn's denn die Klimakatastrophe verhindert, werden die meisten resignierend gedacht haben.

Wer als Bürger "revoltierte", der fand so gut wie kein Gehör; auch wenn er gute Argumente vorbrachte (siehe Durchgeknallt. Die EU will Glühbirnen verbieten; ZR vom 19. 6. 2008 sowie Gefährden diese Produkte unsere Gesundheit? Schaden sie dem Weltklima und der Umwelt?; ZR vom 7. 12. 2009).

Aber nun auf einmal "revoltieren" Politiker. Warum? Wieso trauen sie sich plötzlich?

Die Antwort ist einfach: Weil man den Öko-Wahn jetzt mit einem Öko-Argument bekämpfen kann. Gleiches mit Gleichem. Methode Hahnemann.

Was von Anfang an ja kein Geheimnis gewesen war, wird nämlich jetzt gegen den Wahnwitz der "Energiesparlampe" ins Feld geführt: Daß diese Lampen Stoffe enthalten, die hochgiftig sind. "Spiegel-Online":
Das Umweltbundesamt hatte Anfang Dezember vor Gesundheitsrisiken durch Quecksilber in Energiesparlampen gewarnt. Geht eine Ökoleuchte zu Bruch, so könne laut der Untersuchung eine Quecksilberkonzentration freigesetzt werden, die den Richtwert von 0,35 Mikrogramm pro Kubikmeter um das 20fache überschreitet. Darum sollten sich insbesondere Kinder und Schwangere von Energiesparlampen fernhalten, empfiehlt die Bundesbehörde.
Daß die Bürger kujoniert werden, daß man sie zwingt, statt eines guten und billigen Produkts ein teures und miserables zu kaufen - das haben sie hingekommen. Aber jetzt, wo sogar die Heilige Ökologische Inquisition, das Umweltbundesamt, es sagt, daß diese Lampen nichts taugen - jetzt endlich trauen sich wenigstens einige Politiker zu "revoltieren".

"Wutbürger" sollen wir sein, wir Deutschen, wir Europäer? So wütend wie die Schafe sind wir, wenn man uns mit Öko-Moral in Schach hält.



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21. Dezember 2010

Zitat des Tages: "Eine Lehrerin äußerte sich schockiert über Weihnachtslieder". Multikulti und die sogenannte Mehrheitskultur

An der Schule, an der ich früher tätig war, wollte der Direktor keinen Weihnachtsbaum aufstellen, aus Angst, die muslimischen Kinder auszuschließen. Bei einer Besprechung in einer Berliner Gesamtschule äußerte sich eine Lehrerin schockiert darüber, dass der Chor klassische Weihnachtslieder einübte, da dies türkische Kinder benachteiligen würde.

Sabine Beppler-Spahl in "Welt-Online". Titel des Artikels: "Wie viel Krippenspiel verträgt die Multikulti-Schule?"


Kommentar: Die Autorin nennt diese und weitere Beispiele als Hinweise darauf, daß das "Zusammenleben von gut gemeinten Ängsten und Tabus geprägt ist und der Mehrheit vorgeschrieben wird, worauf beim Festefeiern zu achten ist". Etwa auch die Aufführung eines Krippenspiels, dessen Inhalt verändert worden sei, um "jede Anspielung an die christliche Tradition nach Möglichkeit zu vermeiden".

Sabine Beppler-Spahl schreibt dazu, sie könne sich
... nicht mit der Sichtweise anfreunden, Kultur und Traditionen der Mehrheitsgesellschaft dürften nicht mehr uneingeschränkt und ungebrochen gepflegt, gefeiert und an die nächste Generation weitergegeben werden. Wo solches als Gebot der Rücksichtnahme und der Achtung anderer Kulturen gefordert wird, scheint eine grundlegende Verwirrung vorzuliegen. Zwischen der bloßen Möglichkeit, andere könnten sich ausgegrenzt fühlen, und der bewussten Diskriminierung von Minderheiten besteht ein himmelweiter Unterschied.
Ich widerspreche dem nicht. Aber mir scheint diese Analyse etwas zu vordergründig zu sein.

Die Autorin setzt ein "Gebot der Rücksichtnahme und der Achtung anderer Kulturen" voraus. Die meisten Menschen in Deutschland kennen in der Tat ein solches Gebot und halten sich daran. Wer in ein islamisches Land reist, der wird beispielsweise nicht absichtlich gegen die Gebote der dortigen Kultur verstoßen.

Aber in Deutschland gibt es doch keine "anderen Kulturen", so wenig wie sonstwo in Einwanderungsländern. Schon gar nicht gibt es eine "Mehrheitsgesellschaft". Es gibt nur eine einzige deutsche Gesellschaft.

Eine Gesellschaft, in der es allerdings viele Subkulturen gibt; wie in den meisten Gesellschaften, wie besonders in Einwanderungsländern.

In den USA gibt es jüdische und mormonische, italienische und Latino-Subkulturen; die Deutschstämmigen des Mittleren Westens und die asiatischen Einwanderer an der Westküste. Es gibt communities von Homosexuellen und von Evangelikalen, von Moslems und von Buddhisten.

Aber diese stehen doch nicht einer "Mehrheitsgesellschaft" gegenüber; sie sind in ihrer Gesamtheit die amerikanische Gesellschaft. Die Bürger der USA sind zugleich beides: Amerikaner von Nationalität und Kultur; innerhalb dieses Staats und dieser Gesellschaft Mitglieder solcher communities, oft mehrerer.

So ist es auch in Deutschland; oder vielmehr: so sollte es sein. Eine "Mehrheitsgesellschaft" gibt es hier so wenig wie in den USA.



Nun kann man fragen, was denn die Inhalte dieser deutschen Kultur sind; was sie sein sollten. Die Schulleute, die Beppler-Spahl zitiert, scheinen zu meinen, daß dies nur dasjenige sein darf, das in der Tradition aller Deutschen verankert ist, wo auch immer sie herstammen. Einwanderer aus islamischen Ländern kennen nicht die Tradition des Weihnachtsbaums, des Krippenspiels usw. Also sollen diese aus der gemeinsamen deutschen Kultur verbannt werden.

Das ist aber erkennbar absurd. Die gemeinsame Kultur kann doch nur die Summe dessen sein, was die einzelnen communities beitragen, und nicht der kleinste gemeinsame Nenner. Sonst würde ja jede Einwanderung eine weitere Verarmung der Kultur bedeuten. Wenn alles eliminiert wird, was nicht bereits in der Tradition irgendwelcher Subkulturen verankert ist, dann leert man die Kultur, bis sie verschwindet. Und damit die Gesellschaft zerfällt.

Bevor die Einwanderung aus islamischen Ländern für Deutschland zu einem Problem wurde, hat man das auch durchweg so gesehen. Niemand kam auf den Gedanken, das Singen von Weihnachtsliedern oder die Aufführung von Krippenspielen in Schulen zu verbieten, weil es in den Klassen auch jüdische Schüler und Schüler aus agnostischen Familien gab.

Und es geht ja nicht nur um die Schule. Was der Schule recht ist, muß auch anderen öffentlichen Einrichtungen und allgemeinen Festsetzungen billig sein.

Wenn man alles aus der deutschen Kultur verbannen will, was nicht auch in der Tradition jedes einzelnen Einwanderers verankert ist - wieso dann eigentlich noch christliche Feiertage? Weihnachtsmärkte und die weihnachtliche Dekoration der Innenstädte? Das Feiern des christlichen Neujahrs? Rheinischer Karneval?

Der Karneval, werden Sie einwenden, ist aber nicht etwas spezifisch Christliches. Schon die Römer feierten doch ihre Saturnalien. Sieht man in der Wikipedia nach, dann erfährt man, daß es schon im alten Ägypten ein ähnliches Fest gab, ja gar schon im dritten vorchristlichen Jahrtausend in Babylonien.

Aber das hilft nichts. Eine islamische Tradition zum Karneval scheint nicht bekannt zu sein.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken."

20. Dezember 2010

Kurioses, kurz kommentiert: Gregor Gysi schon wieder unter falschem Verdacht

Gregor Gysi ist aber auch ein Pechvogel.

Jahrelang mußte er sich gegen die Unterstellung wehren, er hätte als Anwalt von DDR-Dissidenten mit dem Machtapparat der SED zusammengearbeitet (siehe Grüße des Genossen Honecker an den Rechtsanwalt Gysi; ZR vom 20. 5. 2008, sowie Gregor Gysi, eine Flucht aus der DDR, die Freiheit der Presse; ZR vom 20. 9. 2009).

Und nun ist er schon wieder in einen Verdacht geraten. Diesmal sieht es so aus, als hätte er nicht Mandanten hintergangen, sondern seine eigenen Genossen.

Zu diesem Schluß jedenfalls berechtigt das, was im "Spiegel" dieser Woche (51/2010 vom 20. 12. 2010; Seite 20) steht; man kann es auch in "Spiegel-Online" lesen:
Im November vergangenen Jahres erläuterte Gysi - dem Dokument zufolge "gesellig und in Plauderlaune" - dem US-Botschafter bei einem Besuch, die Forderung der Linken nach Abschaffung der Nato sei in Wirklichkeit ein Weg, den gefährlicheren Ruf nach einem Rückzug Deutschlands aus dem Bündnis zu verhindern. Für eine Auflösung der Nato sei ja die Zustimmung der USA, Frankreichs und Großbritanniens nötig. Und das sei unrealistisch.
Mit anderen Worten: Gysi ist in Wahrheit ein Freund der Nato und der deutschen Mitgliedschaft im Bündnis, spielt aber seinen Genossen vor, er sei für deren Auflösung.

Er spielt dieses Spiel, damit diese nicht den deutschen Austritt verlangen. Und das erzählt er dem Botschafter Philip. D. Murphy; als langjähriger Spitzenmanager des Bankhauses Goldman Sachs ein klassischer Vertreter des Finanzkapitals in diplomatischen Diensten.

Das könnte in der Tat, wie der "Spiegel" schreibt, "die Fundis in den eigenen Reihen" auf den Gedanken bringen, "wieder auf Deutschlands Austritt aus der Allianz [zu] drängen".

Es könnte. Wenn es stimmte. Aber es stimmt ja nicht. So wenig, wie die Behauptung, Gysi hätte als Anwalt von Dissidenten mit dem Machtapparat der SED zusammengearbeitet.

Denn wie kam die betreffende Depesche des Botschafters Murphy zustande? Gysi sagt es:
Gysi selbst kann sich an den genauen Wortlaut des Gesprächs nicht erinnern, vermutet aber Übersetzungsfehler, da "das Gespräch auf Deutsch geführt wurde".



Ja so. Gysi ist eben ein Pechvogel.

Bisher hat noch keiner derer, über die aus der Berliner US-Botschaft berichtet wurde - nicht Westerwelle, nicht die Kanzlerin, nicht Seehofer -, sich mit dem Hinweis auf Übersetzungsfehler gerechtfertigt. Offenbar arbeitet der dortige Übersetzungsdienst normalerweise zuverlässig,

Aber ausgerechnet den Gregor Gysi hat es schon wieder getroffen. Just dann, als er es war, der mit Murphy sprach, war der Protokollant oder Dolmetscher nicht gut drauf und übersetzte falsch.

Es gibt halt Menschen, an denen das Pech klebt. Gysi hat es beispielsweise auch schon erleben müssen, daß er vom Generalstaatsanwalt der DDR belogen wurde.

Und wer weiß, vielleicht ist es auch nicht das erste Mal, daß er Opfer von Übersetzungsfehlern wurde.

Als nämlich Gregor Gysi Ende 1989 zum Vorsitzenden der SED und damit zum Führer der DDR geworden war, führte er ein Telefongespräch mit Raffael Fjodorow, dem stellvertretenden Leiter der Internationalen Abteilung des ZK der KPdSU. Das Protokoll dieses Gesprächs ist erhalten geblieben (Über ein denkwürdiges Telefonat des SED-Vorsitzenden Gysi; ZR vom 6. 3. 2009).

Die DDR war damals ein Staat, in dem es gärte. Aber verloren war er noch keineswegs. Im Dezember 1989 konnte niemand wissen, ob es zu einer Wiedervereinigung kommen würde, oder ob Gysi und seine SED das kommunistische System und die staatliche Eigenständigkeit der DDR würden retten können.

Gysi erkundigte sich bei dem hohen Sowjet-Funktionär nach Möglichkeiten. Das Protokoll sagt dazu:
Auf die offene Frage Gregor Gysis, wie weit die Bereitschaft der UdSSR gehe, der DDR in allen Notfällen zu helfen, bemerkte Raffael Fjodorow, daß er keine Vollmacht für eine offizielle Antwort darauf besitze. (...) Gregor Gysi betonte hierzu, daß ein militärisches Machtwort die allerallerletzte Frage sei, sie aber auch dann nicht real in Betracht komme. Es sei aber angebracht, hier an die Bündnisverpflichtungen zu erinnern, daß bei einem Angriff der BRD die Sowjetunion Beistand leisten werde.
In welcher Sprache das Gespräch geführt wurde, geht aus dem Protokoll nicht hervor.

Übersetzungsfehler also nicht ausgeschlossen.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Mit Dank an Thomas Pauli.

19. Dezember 2010

Marginalie: Alle Jahre wieder. Die weihnachtlichen Titelgeschichten des "Spiegel". Und wie feiert man in England Christmas? Nebst einer Korrektur

Der "Spiegel" bringt zur Weihnachtszeit gern Titel mit einem spirituellen Thema. Hier sind die Titelgeschichten der Weihnachtshefte der vergangenen 15 Jahre (die Links führen zu den Titelbildern):
  • 1996: Lust am Bösen - Der göttliche Teufel

  • 1997: Jesus allein zu Haus - Glauben ohne Kirche

  • 1998: Gottes Urknall - Kosmologie an der Grenze zur Religion

  • 1999: 3000 Jahre nach Moses, 2000 Jahre nach Christus - Wo ist die Moral?

  • 2000: Jenseits des Wissens - Warum glaubt der Mensch?

  • 2001: Der Glaube der Ungläubigen - Welche Werte hat der Westen?

  • 2002: Die Erfindung Gottes - Archäologen auf den Spuren der Heiligen Schrift

  • 2003: Martin Luther - Abschied vom Mittelalter

  • 2004: Mythos Heiliger Gral - Die Legende um Jesus Christus, Maria Magdalena und die Tempelritter

  • 2005: Gott gegen Darwin - Glaubenskrieg um die Evolution

  • 2006: Gott kam aus Ägypten - Pharao Echnaton und die Geburt des Monotheismus

  • 2007: Der Koran - Das mächtigste Buch der Welt

  • 2008: Abraham - Christen Juden Muslime: Wem gehört der Urvater der Religionen?

  • 2009: Wer hat den stärkeren Gott? - Islam und Christentum: Der ewige Zwist

  • 2010: Mythos Mekka - Die Schicksals-Stadt des Islam
  • Offenbar sieht die Chefredaktion des "Spiegel" zunehmend den Islam als ein Hauptthema der Weihnachtszeit an; dieses Thema hat in den letzten Jahren die Kritik am Christentum abgelöst.

    Die diesjährige Titelgeschichte ist übrigens von Bernhard Zand geschrieben, einem Konvertiten zum Islam.



    Dazu paßt eine Meldung aus der Online-Ausgabe der britischen Daily Mail:
    Christmas has been banned by the Red Cross from its 430 fund-raising shops.

    Staff have been ordered to take down decorations and to remove any other signs of the Christian festival because they could offend Moslems. (...)

    Christine Banks, a volunteer at a Red Cross shop in New Romney, Kent, said: 'We put up a nativity scene in the window and were told to take it out. It seems we can't have anything that means Christmas. We're allowed to have some tinsel but that's it.

    'When we send cards they have to say season's greetings or best wishes. They must not be linked directly to Christmas.

    'When we asked we were told it is because we must not upset Moslems.'

    Mrs Banks added: 'We have been instructed that we can't say anything about Christmas and we certainly can't have a Christmas tree'.

    Weihnachten ist vom Roten Kreuz aus seinen 430 Sammelstellen verbannt worden.

    Die Mitarbeiter sind angewiesen, Dekorationen abzunehmen und alles andere, das sich auf das christliche Fest bezieht, zu entfernen, weil diese Moslems beleidigen könnten. (...)

    Christine Banks, eine Helferin in der Geschäftsstelle des Roten Kreuzes in New Romney in Kent, sagte: "Wir hatten im Schaufenster eine Krippenszene aufgebaut und wurden angewiesen, sie wieder herauszunehmen. Offenbar dürfen wir nichts haben, das für Weihnachten steht. Wir dürfen etwas Lametta haben, und das ist es dann.

    Wenn wir Karten verschicken, dann darf darauf Frohe Feiertage stehen oder Alle guten Wünsche. Sie dürfen nicht direkt auf Weihnachten Bezug nehmen.

    Auf unsere Fragen hin erklärte man uns als Grund, daß wir die Moslems nicht aufbringen dürfen".

    Mrs. Banks fügte hinzu: "Wir sind angewiesen, nichts über Weihnachten zu sagen, und auf keinen Fall dürfen wir einen Christbaum haben".
    Laut Daily Mail hat die Hauptgeschäftsstelle des Roten Kreuzes in London diese Angaben bestätigt.



    Diese Marginalie ist ein Nachtrag zu meiner Kommentierung der sechs Thesen, in denen FDP-Politiker ihre Vorstellung von Integration formuliert haben (Islam und christlich-jüdische Tradition. Einwanderung und Republikanismus. Fünf FDP-Politiker stoßen eine überfällige Debatte an (Teil 1); ZR vom 14. 12. 2010 und Teil 2; ZR vom 17. 12. 2010.




    Nachtrag am 20.12. 2010, 0.35 Uhr: Ich habe inzwischen zu der Meldung von Mail-Online weiter recherchiert und mußte dabei leider feststellen, daß es sich um einen acht Jahre alten Artikel handelt.

    Die Meldung wird seit einigen Tagen im Internet als eine aktuelle Nachricht verbreitet. Ich bin dem leider aufgesessen, weil ich entgegen meiner Gewohnheit nicht gründlich genug recherchiert hatte. Ich bitte die Leser um Verzeihung.

    Nicht als Entschuldigung, aber zur Erklärung:

    Ich bekam von einem Leser eine Meldung des US-Nachrichtendienstes NewsMax zugeschickt, die eine Zusammenfassung des Artikels in Mail-Online enthielt, und zwar datiert mit Friday, 17 Dec 2010 08:26 AM. Aufgrund der Lektüre dieses Artikels habe ich die Originalmeldung von Mail-Online aufgesucht, aus der ich oben zitiere.

    Sie weist keinen Datumsstempel auf. Aufgrund der Datierung durch NewsMax bin ich aber davon ausgegangen, daß es eine aktuelle Meldung zur diesjährigen Weihnacht ist.

    Ich hätte NewsMax nicht vertraut, wenn ich mich nicht in der Wikipedia davon überzeugt gehabt hätte, daß dies eine seriöse Agentur ist, zu deren Redaktion prominente Journalisten gehörten oder gehören (zum Beispiel Lord Rees-Mogg, früher Herausgeber der Londoner Times und stellvertretender Chef der BBC, sowie Arnaud de Borchgrave, langjähriger Chefkorrespondent von Newsweek).

    Hier aber war NewsMax ein Irrtum unterlaufen; und ich habe ihn leider übernommen. Herausgestellt hat sich das, als ich nochmals recherchiert und dabei festgestellt habe, daß die Meldung von Mail-Online in etwas anderer Form von der BBC bereits am 21. Dezember 2002 verbreitet worden war.

    Ein ärgerlicher Irrtum; denn ich lege großen Wert darauf, daß die Leser von ZR sich auf die Fakten, die hier stehen, verlassen können.



    © Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Mit Dank an Werner Stenzig.