31. Januar 2010

Zettels Meckerecke: Der Finanzminister als Hehler? Wie der Staat (vielleicht) aus Habgier das Rechtsbewußtsein (noch ein wenig mehr) zerstört

Der Knacker-Kalle hat einen Bruch gemacht. Jetzt hockt er auf dem erbeuteten Schmuck und versucht ihn zu versilbern. Im Kietz, gleich neben dem Puff, in dem die Polacken-Wanja arbeitet, ist der "An- und Verkauf" vom Schlitzohr-Hotte, von dem jeder weiß, daß man bei ihm heiße Ware vertickern kann. Also macht der Kalle dem Hotte ein Angebot.

Man schachert. Am Ende hat der Hotte die Klunker und der Kalle sein Geld und kann zur Wanja.

Glück haben sie aber beide nicht. Die Schmiere bekommt Wind. Inzwischen sitzen sie einträchtig in Santa Fu, der Kalle und der Hotte. Der Kalle wegen Einbruchdiebstahl, der Hotte wegen Hehlerei.



Solch eine Gaunergeschichte entfaltet sich - vielleicht - in diesen Tagen vor den Augen der staunenden Deutschen; und die Rolle von Schlitzohr-Hotte spielt der deutsche Staat.

Da hat jemand in der Schweiz Daten gestohlen und bietet sie nun dem deutschen Fiskus (wohl nicht dem Finanzminister, sondern zuständigen Landesbehörden) so an, wie der Knacker-Kalle dem Schlitzohr-Hotte seine Ware anbietet. Und dieser Staat - man sollte es nicht für möglich halten - weist das nicht etwa so empört von sich, wie das ein ehrlicher Händler tut, wenn ihm gestohlene Ware angeboten wird.

Sondern er überlegt, dieser Staat, ob er nicht zum Hehler werden soll. Schließlich würde es sich lohnen; so, wie sich für Schlitzohr-Hotte die Hehlerei lohnt, weil er die Sore zu einem vielfachen des Preises loswerden kann, den er dem Knacker-Kalle gezahlt hat.

Ja, leben wir denn in einer Bananenrepublik? Ist denn hier Afghanistan? Was muß eigentlich der Staat noch tun, um den Bürger davon zu überzeugen, daß er, der Staat, sich einen Dreck um Recht und Gesetz schert, wenn es nur seinem Vorteil dient?

Braucht sich irgendwer zu wundern, daß das allgemeine Rechtsbewußtsein gegen Null tendiert, wenn der Staat selbst zumindest überlegt, ob er nicht als Hehler tätig werden soll?



Ich spreche vom allgemeinen Rechtsbewußtsein. Juristisch ist natürlich alles, wie immer, viel komplizierter. Dazu Melanie Amann, Rainer Hank und Konrad Mrusek heute in der F.A.S. unter der Überschrift "Ein unmoralisches Angebot" zunächst über die Argumente von Strafverteidigern:
Der Staat setze sich mit dem Datendieb an einen Tisch. Er belohnt für das Delikt, erzeugt einen ganzen Markt krimineller Datensammler und macht sich nebenbei auch noch selbst zum Datenhehler. Kurz gesagt: Um eine mittelschwere Straftat (Steuerbetrug) zu verfolgen, begehen Organe des Rechtsstaats selbst Straftaten (Hehlerei, Begünstigung, Beihilfe zur strafbaren Verwertung von Geschäftsgeheimnissen, Hehlerei). Ein rechtswidrig handelnder Staat habe jede Legitimation verloren, die Gerechtigkeit wiederherzustellen.
Aber natürlich kann man das juristisch auch ganz anders sehen. Weiter die F.A.S.:
Lang und breit können Straf- und Steuerjuristen fachsimpeln, ob und welche Gesetze nun der einzelne BND-Schlapphut, Finanzbeamte, Staatsanwalt oder Minister konkret bricht, wenn er eine Daten-CD kauft. Ist es eine "Bereicherung", wenn der Staatsdiener doch nur das Staatssäckel füllen will? Spielt es eine Rolle, ob man eine Datenkopie kauft oder ob die Daten frisch vom Bankenrechner kommen?
Der Bürger versteht solche Feinheiten nicht, und sie dürften ihn auch nicht interessieren. Was er versteht, mit seinem Verstand als schlichter Bürger, das ist, daß der Staat etwas zu tun erwägt, was ihn, den Bürger, vor den Kadi und vermutlich in den Knast bringen würde.



Noch ist unklar, ob der deutsche Staat sich wirklich auf den Ankauf gestohlener Daten einläßt, die laut den Autoren der F.A.S. jeder "Richter, der die gekauften Beweise begutachtet, ... irgendwie schmuddelig finden" würde. Aber klar - und wenig verwunderlich - ist die Reaktion der üblichen Verdächtigen. "Spiegel- Online" vor knapp zwei Stunden:
Eindeutig äußerte sich ... SPD-Chef Sigmar Gabriel: Er trat für den Kauf ein. Es sei "skandalös, dass hier jeder Parksünder verfolgt wird, aber nicht die Leute, die bis zu 200 Millionen Euro Steuern hinterziehen", sagte er dem "Hamburger Abendblatt". Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte der "Frankfurter Rundschau", wer Krokodilstränen darüber vergieße, dass der Staat sich mit Kriminellen auf einen Handel einlasse, dem gehe es in Wahrheit nur darum, Rücksicht auf seine Wählerklientel zu nehmen.
Und unerreicht ist natürlich ein weiteres Mal der furchtbar linksliberale Jurist und Redakteur der "Süddeutschen Zeitung" Heribert Prantl, der sich im Schweiz- Bashing übt:
Der ungeschriebene Artikel 1 des schweizerischen Verfassung lautet: "Die Würde des Geldes ist unantastbar. Sie zu schützen ist das oberste Ziel aller staatlichen Gewalt." Also verweigern die schweizerischen Behörden Auskünfte über die Steuerflüchtlinge und sorgen so dafür, dass der deutsche Staat die Straftaten nicht ermitteln kann.

Es handelt sich um eine Art Strafvereitelung - und um ein bewusstes und ein gewolltes Zusammenwirken der schweizerischen Banken und des schweizerischen Staates mit deutschen Straftätern. Der Vorteil, also die Beute, wird geteilt.
Nachdem er derart das, was auch einmal in Deutschland selbstverständlich war - nämlich Schutz des Bankgeheimnisses durch den Staat - kriminalisiert hat, dreht der Jurist Prantl das Recht so, daß der Nichtjurist nur, um in Prantls Idiom zu reden, mit den Ohr'n schlackeln kann:
Man kann das Geld, das der Staat für die Bankdaten bezahlt, als eine Belohnung betrachten. Belohnungen "für sachdienliche Hinweise", juristisch handelt es sich um eine "Auslobung", sind seit jeher ein anerkanntes Mittel der Aufklärung von Straftaten.
Ja, klar, der Schlitzohr-Hotte hat dem Knacker-Kalle ja auch nur eine Belohnung dafür gezahlt, daß er ihm die Sore überließ, damit er sie wieder, löblicherweise, in den Kreislauf der Wirtschaft einbringen konnte.



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