3. Juli 2010

Marginalie: Warum kann Deutschland gegen Argentinien gewinnen? Joachim Löw sagt es. Nebst einer Erinnerung an die Fohlen-Elf

In der FAZ ist heute ein Interview zu lesen, das Michael Ashelm und Michael Horeni mit Bundestrainer Löw geführt haben. Darin wird deutlich, warum die an Stars vergleichsweise arme deutsche Elf die Argentinier schlagen kann:
  • Erstens dürfte es kaum eine Mannschaftsleitung geben, die jedes Spiel so sorgfältig vorbereitet wie das Team von Joachim Löw: "Die Vorarbeit dauert Monate. Das beginnt bei unserem Scout Urs Siegenthaler, dem Team Köln mit den Studenten der Sporthochschule und unseren Beobachtern, die wir zu den Spielen der Argentinier geschickt haben. Bei der WM haben wir sie noch zwei Mal beobachtet. Daraus entsteht das Gesamtbild, aus dem wir eine Mannschaftscharakteristik erstellen."

  • Zweitens hat Löw ein junges Team: "Wenn man viele Spieler hat, die ihren Zenit überschritten haben, die viel erreicht und erlebt haben – dann wird es schwieriger bei der Zusammenarbeit in einem Turnier. Diese Spieler sind, was die Motivation betrifft, vielleicht nicht immer bei hundert Prozent. Bei unseren jungen Spielern sehe ich zudem, dass sie enorm belastbar sind."

  • Drittens hat Löw eine Strategie, die zu diesem jungen Team paßt: "Ich bin ein Trainer, der die Offensive liebt. Deshalb freut es mich besonders, wenn im Spiel der Ball läuft, die Laufwege stimmen und schnell gespielt wird – mit einem hohen Rhythmus auch ohne Ball. Das sind Momente, in denen ich sehr zufrieden bin."
  • Wenn Sie, lieber Leser, sich schon etwas länger für Fußball interessieren, dann haben Sie vielleicht ein Déjà-Vu-Erlebnis. Denn Löws Fußball-"Philosophie" ähnelt verblüffend derjenigen, mit der Hennes Weisweiler in den sechziger Jahren Borussia Mönchengladbach aus der Regionalliga West in die Bundesliga führte und zu einer Spitzenmannschaft formte.

    Die "Fohlen-Elf" hießen sie damals, die Spieler um Jupp Heynckes, Günter Netzer und Berti Vogts. Warum, das beschrieb der Präsident von Borussia Mönchengladbach von 1999 bis 2004, Adalbert Jordan, so:
    Die Mannschaft, die der damalige Sportredakteur der Rheinischen Post, W. A. Hurtmanns, nach dem Aufstieg in die Bundesliga 1965 erstmals als Fohlen-Elf bezeichnete, verdiente sich diesen Beinamen nicht nur durch ihr geringes Durchschnittsalter. Die Kicker aus Mönchengladbach ließen auf den Spielplätzen der Bundesliga ihrer Lust am Fußball freien Lauf wie junge Fohlen ihrer Lust am Leben: leichtsinnig und ungestüm, leichtfüßig und sorglos.
    Sorglos wird die deutsche Elf heute gewiß nicht spielen. Aber daß das offensive, schnelle Spiel, wie es Weisweiler liebte und wie es heute Löw praktizieren läßt, seine Gefahren hat, liegt auf der Hand. Läßt der Gegner dieses Spiel zu, wie das Australien und England getan haben, dann wird wunderbarer Fußball gezeigt. Legt es der Gegner aber konsequent darauf an, den Spielfluß zu zerstören, dann können auch Fohlen ganz schön alt aussehen.



    © Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.