8. Oktober 2010

Marginalie: "Die Pfiffe gelten Özil". Oder: "Die Wahrheit ist auf dem Platz"

Sport ist ehrlich, jedenfalls meistens. Das macht einen wesentlichen Teil seines Reizes aus.

"Die Wahrheit ist auf dem Platz" soll Sepp Herberger, der Weise des Fußballs, angemerkt haben (oder war es doch Otto Rehagel?). Der ebenfalls inzwischen weise Helmut Kohl sagte es auf seine Art: Es zähle, "was hinten rauskommt".

Nach der ersten Halbzeit des Spiels Deutschland gegen die Türkei, das der Reporter ein "Auswärtsspiel in Berlin" genannt hat, lautet die Wahrheit, daß erstens der Deutsche mit polnischen Wurzeln Miroslav Klose das bisher einzige Tor geschossen hat und daß zweitens der Deutsche mit türkischen Wurzeln Mesut Özil bei jedem Ballkontakt mit Pfiffen und Buhrufen eingedeckt wurde. "Die Pfiffe gelten Özil" erläuterte der Reporter der TV-Übertragung, zur Sicherheit.

Hatte er ein übles Foul begangen, der Deutsche Mesut Özil? Hatte er sich sonst etwas auf dem Platz zuschulden kommen lassen? Keineswegs.

Warum versuchen die Pfeifer und Buher ihn dann fertigzumachen, den in Gelsenkirchen geborenen Deutschen Özil? Weil sie es ihm übelnehmen, daß er für sein Land spielt und nicht für die Türkei. Dabei bekennt er sich ja noch nicht einmal ganz zu Deutschland, der Mesut Özil. Die Nationalhymne singt er nicht mit.

Aber er bekennt sich auch nicht eindeutig zu dem Land, in dem er nicht geboren ist und in dem er nicht lebt, aus dem aber seine Vorfahren stammen. Zu dem er sich aber bekennen soll nach dem Willen derer, die da pfeifen und buhen.

Die pfeifen und buhen, weil sie sich ganz offensichtlich nicht als Deutsche, sondern als Türken fühlen, und weil sie in einem Menschen türkischer Herkunft, der sich nicht eindeutig als Türke fühlt, einen Verräter sehen.

"Die Wahrheit ist auf dem Platz". Die Wahrheit auf dem Platz an diesem Abend in Berlin weicht ein wenig von der Idylle ab, die unser Bundespräsident Wulff letzten Sonntag entworfen hat; ich habe das gestern kommentiert.



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