14. November 2010

Marginalie: Obama gehen die Verbündeten von der Fahne

Es kommt jetzt, wie es zu erwarten gewesen war:

Präsident Obama zeigt sich entschlossen, aus dem Irak abzuziehen; egal, wie dort die innenpolitische Lage ist. Präsident Obama zeigt sich entschlossen, aus Afghanistan abzuziehen; egal, wie dort die militärische Situation ist.

Die Folge ist, daß sich die dortigen Führer von den USA abwenden; daß der Einfluß der USA in diesen beiden Staaten - und damit überhaupt in den dortigen Regionen - rapide verfällt.

Verbündete der USA sind das nicht aus Liebe zum amerikanischen Volk, sondern aufgrund einer Abwägung ihrer eigenen Interessen. Wenn die USA unmißverständlich zu erkennen geben, daß sie ein Land verlassen wollen, dann orientieren sich dessen Führer naturgemäß dorthin, wo die Macht dann sein wird, wenn die USA weg sind.

Zwei Meldungen von heute illustrieren das:
  • In einem Interview, über das die Washington Post in ihrer heutigen Sonntagsausgabe berichtet, hat Karzai sich nachgerade brüsk gegen die USA gewandt:
    In an interview with The Washington Post, Karzai said that he wanted American troops off the roads and out of Afghan homes and that the long-term presence of so many foreign soldiers would only worsen the war. (...) Karzai said he was grateful to the American people for their support, particularly the flood of taxpayer money for new schools, roads, clinics and other development projects. But he questioned the Obama administration's motives.

    In einem Interview mit der Washington Post sagte Karzai, daß er die amerikanischen Truppen herunter von den Straßen und heraus aus den Häusern von Afghanen wolle und daß die langfristige Anwesenheit von fremden Truppen den Krieg nur verschlimmern würde. (...) Karzai sagte, daß er dem amerikanischen Volk für dessen Unterstützung dankbar sei, vor allem die Flut von Steuergeldern für neue Schulen, Straßen, Kliniken und andere Entwicklungsprojekte. Aber er stellte die Motive der Regierung Obama in Frage.
    Wenn die Amerikaner, wie von Präsident Obama angekündigt, im Juli 2011 mit dem Truppenabzug beginnen und Afghanistan dann bald ganz verlassen haben werden, kann es Karzai gleichgültig sein, was Obama will und was nicht. Er muß sich dann an dem orientieren, was seine mächtigen Nachbarn Iran und China wollen. Darauf beginnt er jetzt seine Politik auszurichten.

  • Dasselbe geschieht in diesen Tagen im Irak. Einer Meldung im "Spiegel" der kommenden Woche ("Spiegel" 46/2010 vom 15. 11. 2010; S. 112) ist zu entnehmen, wie schnell dort der Einfluß Obamas, der alle Truppen bis Ende 2011 aus dem Irak abziehen wird, sich in Richtung Null bewegt. Unter der Überschrift "Obama machtlos" heißt es:
    Acht Monate lang haben Washington und Teheran um eine neue Regierung in Bagdad gerungen, am Ende schaltete sich US-Präsident Barack Obama sogar persönlich ein. Doch der Sieger heißt - Iran.
    Obama hätte bis zum Schluß versucht, den säkularen Ijad Alawi, der die Wahl knapp gewonnen hatte, als Ministerpräsidenten durchzusetzen:
    Noch vorige Woche hatte Obama selbst irakische Kurdenführer angerufen und sie gedrängt, zu Alawis Gunsten zumindest auf das zeremonielle Amt des Staatspräsidenten zu verzichten. Auch dafür reichte sein Einfluss nicht
    Wie auch.


  • Über die Entwicklungen, die zu diesem jetzigen rapiden Machtverfall der USA geführt haben, wurde in ZR immer wieder berichtet.

    Über die aktuelle Entwicklung im Irak zum Beispiel hier:
  • Die Gefahr eines Kriegs im Nahen Osten wächst; ZR vom 21. 8. 2010
  • "Wir geraten unter iranische Besatzung"; ZR vom 19. 10. 2010
  • Über die Entwicklung in Afghanistan beispielsweise in diesem Artikel, an dessen Schluß Sie eine Auswahl früherer Artikel zu Afghanistan finden:
  • Die Taliban gratulieren; ZR vom 2. 8. 2010
  • Es war alles abzusehen gewesen. Mit nachgerade nachtwandlerischer Sicherheit zerstört Präsident Obama die Machtpositionen der USA im Nahen und im Mittleren Osten.

    Die Amerikaner mögen seine Wirtschafts- und Finanzpolitik schlimmer finden und ihn deshalb bei den kürzlichen Wahlen abgestraft haben. Für den Rest der Welt aber ist seine Außenpolitik, die immer mehr den Charakter einer Appeasement-Politik erkennen läßt, das bei weitem Gefährlichere.



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