16. November 2010

Zitat des Tages: "Unfähig zum Aufstand". Deutschlands Leitmedien über den Parteitag der CDU. Nebst einem Blick über die Grenzen

Die CDU ist unfähig zum Aufstand.

Sebastian Fischer und Philipp Wittrock in "Spiegel-Online" über den Karlsruher Parteitag der CDU.


Kommentar: Das ist ungefähr so klug wie die Aussage "Der Student Maier ist unfähig, durch die Prüfung zu fallen". Ja, da muß er es halt noch mal versuchen. Beim zweiten oder dritten Anlauf wird er es schon schaffen, das Durchfallen.

Warum in aller Welt sollte die CDU, sollte irgendwer, der in der CDU Gewicht hat, einen "Aufstand" inszenieren?

Linke Medien haben das freilich vorhergesagt; vielleicht auf eine self fulfilling prophecy hoffend.

Merkel, so hatte man es sich ausgemalt, sollte vom Parteitag abgestraft werden für ein angeblich verkorkstes erstes Jahr christlich-liberaler Regierung, für das "schlechte Erscheinungsbild" und so fort.

Die Delegierten haben aber offenbar eine andere Kanzlerin wahrgenommen. Eine Kanzlerin, die gerade in Seoul wieder ihr internationales Ansehen unter Beweis gestellt hat; unter deren Kanzlerschaft Deutschland besser durch die Wirtschaftskrise gekommen ist als jedes andere vergleichbare Land. Eine Kanzlerin, die von ihren Kollegen Obama, Sarkozy, Cameron und Berlusconi für ihre erfolgreiche Regierungsarbeit beneidet werden dürfte.

Aber was soll's: Der Kanzlerin werde, so war es im Vorfeld zu lesen gewesen, in Karlsruhe ein "Denkzettel" verpaßt werden. Und nun?

Nun hat sie gut neunzig Prozent bekommen und ungewöhnlich langen Beifall. Nun war es ein Parteitag geworden, auf dem sie gefeiert und nicht abgestraft wurde.

Wie das also berichten? Lesen Sie einmal diese Schlagzeilen:
  • "Merkel schrammt am Denkzettel vorbei" (tagesschau.de)

  • "CDU verpasst Merkel Mini-Dämpfer" ("Spiegel-Online")

  • "Merkels glanzlose Wiederwahl" ("Der Westen", das Internetportal der WAZ-Gruppe)

  • "Merkel rettet sich mit einer Rede" ("Zeit-Online")
  • Der Student hat zwar mit einer zwei plus bestanden, aber nur, weil er leider unfähig war, durch die Prüfung zu fallen. Glanzlos und mini-gedämpft (er erhielt ja keine eins) schrammt er an dem Versagen in der Prüfung vorbei, das man ihm vorhergesagt hatte. Nur durch seine guten Antworten auf die Prüfungsfragen konnte er sich retten.



    Und wie sieht man die Wiederwahl Merkels außerhalb der deutschen Leitmedien? Wie lauten die Schlagzeilen im Ausland? Einige Beispiele:
  • "Angela Merkel exhorte la CDU à défendre ses valeurs" (Angela Merkel mahnt die CDU, für ihre Werte zu kämpfen) (Le Nouvel Observateur)

  • "Angela Merkel, réélue chef de la CDU, défend le rôle de l'euro" (Angela Merkel, die wieder zur Chefin der CDU gewählt wurde, verteidigt die Rolle des Euro) (Le Monde)

  • "Merkel brings in new political generation" (Merkel bringt eine neue politische Generation nach vorn) (New York Times)

  • "Merkel herkozen als CDU-voorzitter" (Merkel als CDU-Vorsitzende wiedergewählt) (NRC Handelsblad Rotterdam)

  • "Merkel sidder stadig solidt på tronen" (Merkel sitzt weiter fest auf dem Thron) (Politiken, Kopenhagen)

  • "Merkel, reelegida con más del 90% como presidenta de la CDU" (Merkel mit mehr als 90 Prozent als Vorsitzende der CDU wiedergewählt") (El País, Madrid).



  • So formuliert man Überschriften sachlich. So kommen Journalisten ihrer Informationspflicht nach.

    Nirgends in der internationalen Presse, soweit ich sie durchgesehen habe, wurde getitelt, daß Merkels Sieg glanzlos sei, daß sie an einem Denkzettel vorbeigeschrammt sei, einen Mini-Dämpfer erhalten hätte oder ähnliches. Die Schlagzeilen sagen, daß sie wiedergewählt wurde, geben manchmal den Prozentsatz an und/oder gehen auf eines der Hauptthemen ihrer Rede ein.

    Wir haben hier ein Beispiel unter vielen dafür, wie tendenziös, wie vertazt die Berichterstattung vieler deutscher Medien geworden ist. Man macht gar nicht mehr den Versuch zur Sachlichkeit, zu einer neutralen Berichterstattung.

    Und das liegt - die Beispiele aus dem Ausland belegen es - eben keineswegs daran, daß moderne Medien in dem Wettbewerb, in dem sie stehen, so sein müßten.

    Nicht der Markt zwingt diese deutschen Medien dazu, nicht mehr zwischen Nachricht und Kommentar, zwischen Information und Propaganda zu unterscheiden. Sie tun das nicht, um ihre Meldungen aufzupeppen, sie interessanter zu machen. Sie tun es, um ihre Leser und Zuschauer politisch zu beeinflussen.

    So haben sie es bei der taz gelernt, bei der viele dieser Journalisten angefangen haben; so haben es ihnen linke Professoren an der Uni und Lehrer an Journalistenschulen beigebracht.



    © Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Mit Dank an Marriex.