23. März 2011

Zitat des Tages: "Wir haben uns geirrt". Verteidigungsminister Gates über die Entscheidung, Angehörigen von Soldaten das Verlassen Japans anzubieten

Q: Mr. Secretary, radiation in Japan -- can you talk about your concerns about risk to U.S. service members in Japan, and the calculation possibly of withdrawing some or all of them?

SEC. GATES: Well, I think first of all, we've certainly erred on the side of caution in terms of women and children, dependents, in terms of offering them the opportunity to leave.


(FRAGE: Herr Minister, Strahlung in Japan - können Sie etwas zu Ihren Besorgnissen über das Risiko für Mitglieder der US-Streitkräfte in Japan sagen, und über die mögliche Erwägung, einen Teil von ihnen oder alle abzuziehen?

MINISTER GATES: Nun, vor allem glaube ich, daß wir uns sicherlich auf der Seite der Vorsicht geirrt haben, hinsichtlich der Frauen und Kinder, der Angehörigen, hinsichtlich des Angebots, ihnen die Gelegenheit zu geben, [Japan] zu verlassen.)

Aus einem Pressegespräch von US-Verteidigungsminister Robert Gates gestern in Moskau, wo er zu Unterredungen mit der russischen Regierung im Zusammenhang mit dem Libyenkrieg eingetroffen ist.


Kommentar: Zunächst einmal ist (wieder einmal) die Informationspolitik der US-Regierung zu loben, die selbst solche informellen Pressegespräche innerhalb weniger Stunden als Transskript verfügbar macht; während man in Deutschland oft Schwierigkeiten hat, selbst Reden von Ministern im Informationsangebot der Bundesregierung zu finden.

Zur Sache: Gates tut etwas, was deutsche Minister selten tun - er sagt schlicht, daß er sich, daß sich sein Ministerium geirrt hat.

Wie in Deutschland hatte es auch in den USA irrige Vorstellungen vom Ausmaß der Strahlenbelastung außerhalb der 30-Kilometer-Zone um das KKW Fukushima Daiichi gegeben. Das US-Verteidigungsministerium hatte deshalb den rund 20.000 Angehörigen von in Japan stationierten Soldaten am Donnerstag letzter Woche das Angebot gemacht, auf Kosten des Ministeriums aus Japan auszureisen. Gegebenenfalls sollten hierfür auch Militärflugzeuge eingesetzt werden.

Vor fast einer Woche mag das eine vertretbare Entscheidung gewesen sein - man wollte eben "auf der Seite der Vorsicht" stehen. Gates räumt jetzt ein, daß man sich geirrt hatte.

Auch in Deutschland hatte man sich geirrt, als man entschied - als die Bundesregierung entschied -, ihren Nuklearkurs abrupt zu ändern, nur weil es in Japan unter gänzlich anderen Bedingungen, als sie für deutsche KKWs bestehen, zu einem Unfall gekommen war.

Wird jetzt auch in Deutschland ein Verantwortlicher - vielleicht gar eine Verantwortliche - sich vor die Presse stellen und sagen: "Wir haben uns geirrt"?

Müßige Frage. Am Sonntag wird in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz gewählt.




Nachtrag um 16.25 Uhr:

Inzwischen hat es in Zettels kleinem Zimmer eine interessante Diskussion über den idiomatischen Ausdruck "to err on the side of caution" gegeben. Sie beginnt mit diesem Beitrag von Thomas Wolf.

Aufgrund dessen, was dort von Kundigen geschrieben wurde, habe ich ein wenig zur exakten Konnotation dieser Redewendung recherchiert. Hier finden Sie 200 Beispiele für ihre Verwendung.

Nachdem ich mir das angesehen habe, muß ich - leider, leider - feststellen, daß dieser Ausdruck meine Übersetzung "daß wir uns auf der Seite der Vorsicht geirrt haben" nicht hergibt.

Mir war zwar klargewesen, daß es sich um eine Redewendung handelt, und ich habe sie bewußt wörtlich übersetzt, nachdem ich einige deutsche Entsprechungen, die mir durch den Kopf gegangen waren ("sind übervorsichtig gewesen", "wähnten uns auf der sicheren Seite" und dergleichen) verworfen hatte. Die wörtliche Übersetzung lieferte mir ja den Punkt, auf den ich in dieser Glosse hinauswollte.

Nur habe ich mich jetzt davon überzeugen müssen, daß ein solches Eingeständnis eines Irrtums oder Fehlers nicht notwendig zur Bedeutung dieser Redewendung gehört. Man findet sie auch in durchaus positiven Kontexten, wenn zum Beispiel ein Fußballtrainer ankündigt, daß "he will err on the side of caution over Forlan's fitness", er in Bezug auf die Fitness des Spielers Forlan lieber auf Nummer sicher gehen wolle.

Nachdem nun auch das US-Verteidigungsministerium offiziell bestätigt hat, daß Gates "to be on the safe side" gemeint hatte, also auf der sicheren Seite sein, muß ich eingestehen, daß diese kleinen Glosse jetzt gewissermaßen sprachlich in der Luft hängt. Vielleicht haben Sie sie ja trotzdem mit Interesse und Vergnügen gelesen.
Zettel



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.