3. April 2011

Wulff wünscht Assimilation

Vergangenen Mittwoch war bei "Welt online" eine lustige Überschrift zu lesen: "Wulff fordert weniger Religion in der Islam-Debatte" hieß es da. Das hat er natürlich nicht gefordert.
von Kallias
Vielmehr ging es ihm um folgendes:
"Wir dürfen die Diskussion nicht nur über die Religion führen, sondern müssen uns mehr mit den Menschen beschäftigen", sagte Wulff am Mittwoch nach einem Besuch im Museum Deutsches Auswandererhaus (DAH) in Bremerhaven. Wichtiger als die Frage der Religion sei die Integration der Einwanderer in Deutschland.
Einen Tag vorher hatte die "Deutsche Islam Konferenz" ihre Plenarsitzung abgehalten, und somit kann eine solche Aussage wie eine Distanzierung davon wirken. Wenn Wulff, um deren Thema niedriger zu hängen, zwischen dem Islam und den wichtigeren "Menschen" unterscheidet, erinnert dies sehr an den Innenminister Friedrich mit seiner Rede vom Islam, der nicht zu Deutschland gehöre, und den doch zu Deutschland gehörenden Muslimen. Im Gegensatz zu Friedrich betont Wulff zwar, daß der Islam zu Deutschland gehöre - aber wenn der Islam nun gar nicht so wichtig ist wie die Muslime, dann ist der Unterschied zwischen Wulff und Friedrich auf einmal nicht mehr ganz so groß. Laßt uns über die Menschen reden! Ist besser so.

Brisanter als dieser Appell, die Islamdebatte ein wenig beiseite zu schieben, ist jedoch dasjenige, was der Präsident an ihrer Stelle sehen möchte:
Wichtiger als die Frage der Religion sei die Integration der Einwanderer in Deutschland. „Ich wünsche mir, dass es uns gelingt, die Menschen so erfolgreich in unser Land zu integrieren, wie es die Amerikaner mit den deutschen Einwanderern getan haben“, betonte der Bundespräsident.
Diese Integration der Deutschen ist bekanntlich so erfolgreich, daß man sie als beinahe perfekte Assimilation bezeichnen kann: die Muttersprache ist längst Englisch, und die kulturelle Tradition beschränkt sich auf Folklore wie Brezeln und Bratwürste. (Von den 42,8 Mio. Amerikanern, die sich im Jahr 2000 als deutschstämmig bezeichnet haben, sprachen nur noch 1,4 Mio. zu Hause Deutsch.)

Unter Integration versteht der Bundespräsident demnach nichts weniger als die weitgehende kulturelle Assimilation der Einwanderer, mit Deutsch als einziger Muttersprache und natürlich der Identifikation mit nur diesem Land hier.

Kaum weniger bemerkenswert ist Wulffs Einordnung der Integrationsfrage in einen größeren Zusammenhang:
Die Zukunft unseres Landes wird sich auch daran entscheiden, ob es uns gelingt, die zu uns gekommenen Menschen erfolgreich zu integrieren, zugleich attraktiv für neue, qualifizierte Menschen zu werden und unsere klügsten Köpfe im Land zu halten.
(...)
Auch angesichts der demografischen Entwicklung werden wir künftig auf niemanden in unserem Land verzichten können. Wir müssen vor allem die Potentiale der Menschen mit ausländischen familiären Wurzeln noch wesentlich besser erschließen, als dies bislang der Fall ist.
(Aus dem Redetext.)
Um die Punkte, die er hier im typischen Politikerjargon anspricht, etwas deutlicher herauszustellen:
1. Die Assimilation der Einwanderer ist eine wesentliche Zukunftsaufgabe.
2. In Zukunft sollen bevorzugt oder nur noch qualifizierte Personen zuwandern.
3. Die demografische Entwicklung sollte endlich ernstgenommen werden.
4. Das Problem der Integration besteht in der mangelhaften Beteiligung von Einwanderern am wirtschaftlichen Erfolg des Landes.
5. Parallelgesellschaften mit überwiegend schlecht qualifizierten Migranten sollen verschwinden.

Gut, daß man das inzwischen so sagen kann. Solche Forderungen sind bekanntlich nicht ganz neu, doch Wulff erntete im Unterschied zu Sarrazin keinen Proteststurm dafür. Dazu formuliert er zu nett, verklausuliert zudem alles ein wenig und ist überhaupt wegen seines "Islam gehört zu Deutschland"-Spruches fest bei den "Guten" einsortiert.

Einen Haken gibt es allerdings. Der Grundgedanke, zwischen dem Islam und den Muslimen zu unterscheiden, krankt offensichtlich daran, daß die Muslime den Islam nun mal im Gepäck haben. Auch wenn man nur über die "Integration der Menschen" debattieren möchte, stößt man unweigerlich auf deren Religion, da diese schließlich eines der größeren Hindernisse dabei darstellt.

Der Bundespräsident scheint demnach der Weisheit zu huldigen, man solle auf jeden Fall miteinander reden, nur nicht über die Probleme, die man miteinander hat.

Und dennoch gefällt mir sein Ansatz, weil er die Einwanderer mit der freundlichen Umarmung zugleich in die Pflicht nimmt. Denn er verknüpft ja die Integration mit den Fragen der wirtschaftlichen Zukunft des Landes, das zeigen klar die Verweise auf die Qualifikation und die klügsten Köpfe, die es zu halten gelte. Die Einwanderer sollen sich nicht anpassen, weil wir das so haben wollen; sie sollen vielmehr für das Land Verantwortung übernehmen, dem sie angehören. Sie sollen sich nicht der christlich-jüdischen Kultur unterordnen, sondern sich an der Lösung der Probleme beteiligen.

Die Migranten haben ja ebensowenig wie die Alteingesessenen ein Interesse daran, daß sich Deutschland abschafft. Auf dieser Grundlage sollte man doch zu einer Verständigung kommen können. Welche Folgen die Assimilation der Muslime für den Islam haben würde, ist ohnehin Sache der Muslime selber.

© Kallias. Den Hinweis auf den Artikel in der Welt verdanke ich C.. Für Kommentare bitte hier klicken.