4. August 2011

Der Mörder Breivik, Henryk M. Broder und die gefährliche Nähe der extremen Linken zum Terrorismus (Teil 1)

Es war abzusehen gewesen, daß die dumpfen Vertreter von Multikulti die Taten des Massenmörders Breivik zum Anlaß nehmen würden, um Kritiker des Islam und des Islamismus zu diskreditieren.

Breivik hatte dem einen oder anderen dieser Kritiker - etwa Henryk M. Broder und Geert Wilders - in seinem "Manifest" zugestimmt. Breivik ist ein Terrorist. Also wird jetzt das kritisiert, was Broder geschrieben hat, was Wilders vertritt. Es ist das Prinzip des klassischen Fehlschlusses: Affen essen Bananen. Sokrates ißt Bananen. Also ist Sokrates ein Affe.

Es ist hinterhältig, aber es wirkt.

Die kritische Auseinandersetzung mit dem Islam und mit dem Islamismus soll gewissermaßen in Mithaftung genommen werden für das, was dieser Mörder Breivik an Verbrechen begangen hat. Beispiele für diese Argumentation, die man wohl besser Agitprop nennen sollte, finden Sie in meinem vorausgehenden Artikel zu diesem Thema (Wie die deutschen Medien und wie deutsche Politiker dem Massenmörder Anders Behring Breivik auf den Leim gehen. Nebst einer Erinnerung an die RAF; ZR vom 1. 8. 2011).

Daß diese Art, die Morde Breiviks politisch auszuschlachten, abwegig, ja infam ist, liegt auf der Hand.

Wären Kritiker des Islam und des Islamismus für die Taten dieses Mörders in Mithaftung zu nehmen, dann wären ebenso Kapitalismuskritiker des vorigen Jahrhunderts wie Theodor W. Adorno und Max Horkheimer für die Morde der RAF haftbar zu machen; dann müßte man den Blutrausch der Französischen Revolution, wie etwa die Massenmorde in der Vendée, der Aufklärung attribuieren (Hannes Stein hat in der "Achse des Guten darauf hingewiesen), oder den Mordversuch an Johannes Paul II den Kritikern der Katholischen Kirche (Rainer Bonhorst, ebenfalls in der "Achse des Guten").

So gut wie jede politische oder religiöse Haltung kann ins Maßlose gesteigert, kann bis zum Verbrechen getrieben werden. Es diskreditiert den Tierschutz nicht, daß sich militante Tierschützer wie die Animal Rights Militia terroristischer Methoden bedienen; es diskreditiert die Gegnerschaft gegen Abtreibung nicht, daß in ihrem Namen gemordet wurde. Kritiker des Islam, Gegner von Multikulti und Islamismus sind in genau derselben Weise nicht für das verantwortlich zu machen, was Anders Behring Breivik getan hat; kein Geisteskranker, aber sehr wahrscheinlich ein gefühlskalter, narzißtischer Psychopath.



Es gehört schon sehr viel Abgebrühtheit dazu, diesen simplen Sachverhalt zu ignorieren und die Verbrechen Breiviks für Agitprop gegen Kritiker von Multikulti und Islamismus zu verwenden.

Daß diejenigen, die so verfahren, genau das tun, was Breivik will, habe ich in dem vorausgehenden Artikel erläutert: Wie alle Terroristen möchte er nicht als isolierter Verbrecher wahrgenommen werden, sondern als der - nur besonders konsequente - Vertreter einer breiten politischen Strömung. Auch die RAF sah sich als Avantgarde der gesamten Linken; auch die Dschihadisten sehen sich als die Speerspitze des Islam. Wer die konservative und liberale Kritik an Multikulti und Islamismus in die Nähe Breiviks rückt, der tut exakt das, was dieser erreichen will.

Aber die Fronten verlaufen ja nicht so, wie Breivik das will und wie die dumpfen Multikultis es wollen; zum Glück nicht. Die entscheidende Front verläuft zwischen den Terroristen auf der einen und denjenigen, die für den demokratischen Rechtsstaat eintreten, auf der anderen Seite.

In ihrer Kolumne in der Washington Post hat das nach Breiviks Anschlägen Anne Applebaum deutlich gemacht; eine Kennerin des Extremismus. Sie hat ein Standardwerk über den Gulag geschrieben.

Applebaum weist auf die Gemeinsamkeit zwischen der extremen Linken und Tätern wie Breivik hin und führt dazu den Begriff illegitimists ein - Illegitimisten, die nicht bereit sind, die Legitimität der gewählten Regierung in einem demokratischen Rechtsstaat anzuerkennen:
Breivik was not, in fact, a killer of immigrants or Muslims. He was a killer of Norwegians. The obsessions that led him to madness and then to mass murderer were not merely racist. They also sprang from an insane conviction that his own government was illegitimate. (...)

In the past, left-wing illegitimists were quite common, and Marxism is a classic, paranoid version of this creed. The illegitimist Marxist argument goes like this: Bourgeois democracy is a sham; bourgeois politicians and the bourgeois newspapers are tools of shadowy financial interests. The entire system deserves to be overthrown and if a few people die in the course of the revolution, it's all for a good cause. Though not every Western Marxist advocated violence, this is certainly the kind of argument that motivated the Weathermen, the Baader-Meinhof gang, and other far-left American and European terrorists of the past.

Breivik hat ja nicht Einwanderer oder Moslems ermordet. Er hat Norweger ermordet. Die Zwangsvorstellungen, die ihn in die Verrücktheit und dann zum Massenmord trieben, waren nicht nur einfach rassistisch. Sie entsprangen auch einer kranken Überzeugung, daß seine eigene Regierung illegitim sei. (...)

In der Vergangenheit waren linke Illegitimisten eine häufige Erscheinung, und der Marxismus ist eine klassische, paranoide Version dieses Glaubens. Das illegitimistische marxistische Argument geht so: Die bürgerliche Demokratie ist nur Schein; die bürgerlichen Politiker und die bürgerlichen Zeitungen sind Werkzeuge von Finanzinteressen, die im Schatten bleiben. Das ganze System verdient es, beseitigt zu werden - und wenn im Verlauf der Revolution ein paar Menschen sterben, dann geschieht dies für die gute Sache. Zwar hat nicht jeder Marxist im Westen die Gewalt gutgeheißen, aber Argumente dieser Art haben die Weathermen, die Baader-Meinhof-Bande und andere linksextreme amerikanische und europäische Terroristen motiviert.
Weatherman war eine amerikanische terroristische Organisation in den siebziger Jahren; an Brutalität allerdings mit der RAF oder den italienischen Brigate Rosse nicht zu vergleichen.

Anne Applebaum macht auf eine schlichte Wahrheit aufmerksam, die in der deutschen öffentlichen Diskussion zu Breiviks Taten kaum thematisiert wird: Es ist abwegig, demokratische Politiker und freiheitliche Journalisten wie Henryk M. Broder für terroristische Morde mitverantwortlich zu machen, nur weil der Täter sie zustimmend zitiert hat. Es ist aber keineswegs abwegig, diejenigen für terroristische Taten mitverantwortlich zu machen, die selbst ein fragwürdiges Verhältnis zur Gewalt haben. Darauf gehe ich im zweiten Teil ein.
Zettel



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Henryk M. Broder bei seiner Dankesrede zur Verleihung des Börne-Preises in der Frankfurter Paulskirche 2007. Vom Autor dontworry unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported-Lizenz freigegeben (Ausschnitt).