16. Dezember 2011

Marginalie: Biometrie als Waffe gegen Geisterstaatsdiener

Man hätte es ahnen können, aber in diesem gestrigen Artikel im Internet-Magazin Slate habe ich erstmals konkrete Zahlen gesehen und den Umfang des Problems begriffen: In zahlreichen Ländern dieser Welt bezahlt der Steuerzahler Staatsdiener, die es gar nicht gibt; Geisterstaatsdiener sozusagen.

Die Methode ist einfach: Ein korrupter Beamter irgendwo in der Provinz von Indien, Nigeria oder Afghanistan stellt fiktive Beamte ein - Lehrer, Polizisten, Verwaltungsbeamte - und kassiert deren Gehalt. Gern verwendet werden die Namen von Verstorbenen oder von Neugeborenen; aber auch irgendwelche real existierende Erwachsene leihen ihren Namen schon einmal. Daß der Betreffende nicht arbeitet, fällt kaum auf; echte Beamte arbeiten ja oft auch nicht.

Einige Zahlen, die das Ausmaß dieser Praktik verdeutlichen:
  • Die Untersuchung einer indischen Agentur förderte in Simbabwe 75.273 Geisterstaatsdiener zutage; von insgesamt 188.019 in den diversen Ministerien.

  • Eine Prüfung in Nigeria ergab, daß von 337.000 auf den Gehaltslisten geführten Polizisten 107.000 Geisterstaatsdiener waren.
  • Die Gehälter werden in diesen Ländern in der Regel bar ausgezahlt. Aber bisher war es kaum möglich, zu kontrollieren, ob derjenige, der am Zahltag erschien, mit dem in den Akten geführten Staatsdiener identisch war. In den letzten Jahren gehen zahlreiche Staaten einen neuen Weg: die biometrische Identifikation.

    Vor allem werden Geräte zur automatischen Analyse von Fingerabdrücken eingesetzt. Wer sein Gehalt abholen will, muß seinen Finger in das Gerät legen; der Fingerabdruck wird vom Rechner mit gespeicherten Daten verglichen. Teilweise sind zur Auszahlung der Gehälter spezielle Wagen auf dem flachen Land unterwegs, in die derartige Technik eingebaut ist.

    Laut Berichten sind damit bereits immense Einsparungen möglich geworden. In Nigeria wurden kürzlich 112.000 Beschäftigte von Ministerien und sonstigen Regierungsstellen biometrisch überprüft. 43.000 davon waren Geister-staatsdiener, nur 69.000 existierten wirklich. In Liberia sollen durch solche Maßnahmen künftig 4 Millionen Dollar im Jahr eingespart werden, in Malawi 2 Millionen Dollar im Monat.



    Was aus dem Bericht in Slate nicht hervorgeht: Um Fingerabdrücke vergleichen zu können, muß man ja erst einmal welche im Computer haben. Wie kommen aber Fingerabdrücke von Geisterstaatsdienern in den Computer?

    Und wenn nun der korrupte Beamte X einfach seinen Vetter Y, der in Wahrheit eine Autowerkstatt betreibt, als Lehrer "eingestellt" und dessen Fingerabdruck abgeliefert hat - was hilft dann das ganze schöne Erkennungssystem, wenn Vetter Y zur Abholung seines Gehalts erscheint?
    Zettel



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