8. März 2012

Leistungserschleichung

Die letzte Koalitionsrunde war bereits Thema in Zettels Raum, über die dort beschlossenen Inhalte haben wir aber noch nicht diskutiert. Obwohl ein sehr merkwürdiges und auch für dieses Blog relevantes Thema dabei war: Laut Koalition soll in Deutschland ein "Leistungsschutzgesetz" eingeführt werden. Noch sind die Details völlig offen, aber schon die Idee als solche erscheint mir ungewöhnlich abstrus. Es geht dabei darum, daß Verlage für die Referenzierung ihrer Internet-Angebote von Suchmaschinen und Newsaggregatoren Gebühren verlangen wollen.
Wohlgemerkt: Diese Dienste veröffentlichen nicht die Texte selber - das wäre ein Verstoß gegen das Urheberrecht. Aber sie verlinken zu diesen Verlagsbeiträgen unter Angabe von Stichworten oder kurzen Zitaten aus den Beiträgen.

Ich habe selten eine so abstruse Gesetzgebungsidee gesehen. Nicht nur, daß die Verwendung von Zitaten zum Kern der Meinungsfreiheit gehört und Einschränkungen des freien Gebrauchs hochproblematisch sind. Nicht nur, daß die Abrechnung aller dieser Links einen wahnsinnigen bürokratischen Aufwand verursachen würde, der in keinem Verhältnis zu den Erträgen steht. Nicht nur, daß Google und Co. dann problemlos die Verlinkung der Verlagsbeiträge einstellen werden und die Verlage selber die Hauptgeschädigten des Gesetzes wären.

Vielmehr halte ich es für abenteuerlich, wie hier die Logik des Geschäftsbetriebs auf den Kopf gestellt wird. Es sind die Verlage, die mit voller Absicht ihre Inhalte kostenlos ins Netz stellen. Und die ein Hauptinteresse haben, möglichst viele Leser anzulocken, die Verlinkung über Suchmaschinen ist ihnen dabei sehr nützlich.

Es gibt in Touristenorten Geschäfte, die bezahlen Taxifahrern Prämien, wenn sie ihnen Kunden bringen. Nirgends auf der Welt muß ein Taxifahrer das Geschäft dafür bezahlen, einen Kunden dort abliefern zu dürfen.
Es gibt Restaurants, die zahlen dafür, in Reiseführern zu erscheinen - ganz bestimmt werden Guide Michelin oder Baedeker niemals ein Restaurant dafür bezahlen, als Empfehlung erwähnt zu werden.
Und nicht zuletzt kassieren die Verlage gutes Geld, wenn Firmen in ihren Zeitungen Werbeanzeigen platzieren. Nach neuer Logik müßten die Verlage den Firmen Geld bezahlen, damit diese den Verweis auf ihre Produkte gestatten.

Eine Lobby kann natürlich jeden Unsinn fordern, wenn er nur ihrer Klientel nützt. Aber man muß schon ziemlich dumm sein, wenn man ein solches Gesetz beschließt. Entweder dumm, weil man den hanebüchenen Begründungen der Verleger glaubt. Oder dumm wenn man hofft, durch solche finanziellen Beihilfen könne die Regierung auf bessere Behandlung durch die Medien hoffen.­
R.A.



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