6. März 2012

Wer ist der Feind?

Der NDR demonstriert in einem sehr interessanten Beitrag, wie er seine Rolle bei der Erziehung der Zuschauer sieht.

"Was darf die Satire" heißt die klassische Frage. Und als Linke wie Tucholsky noch mit Satire gegen das Establishment antraten, lautete ihre Antwort: "Alles".

Heute aber bilden die Linken das Establishment, stehen für das, wogegen ein Tucholsky wütend anrennen würde. Und deswegen darf Satire für sie plötzlich nicht mehr "Alles", nein, sie muß im Gegenteil sorgsam eingegrenzt werden, darf nur noch politisch korrekt die herrschende Meinung illustrieren.
Und die Abgrenzungregeln (nicht nur) des NDR erläutert der Autor an Beispielen für gute und schlechte Satire.


Die zentrale Frage für ihn lautet dabei: "Wer ist der Feind".

Schon einmal sehr überraschend. Denn "Feind" ist bei Satire ein Nebenaspekt. Natürlich gibt es Satiren genug, in denen mißliebige Personen, Berufe, Stände, Parteien mehr oder weniger heftig attackiert werden. Aber im Kern geht es darum, Mißstände aufzudecken und übertreibend den Menschen einen Spiegel vorzuhalten.

Die Wikipedia beschreibt dies ganz gut:
Satire ist eine Spottdichtung, die mangelhafte Tugend oder gesellschaftliche Missstände anklagt.
...
(Satire) geht den indirekten Weg der Kontrastierung, bei dem einem Zuhörer oder Leser der Kontrast zwischen Wirklichkeit und Ideal augenfällig wird.


Das aber ist für den NDR-Autor nur Nebensache. Ihm geht es darum, daß ein Gegner benannt wird, den es anzugreifen gilt:
Dementsprechend sollte die zentrale Frage an jeden satirischen Beitrag, egal in welchem Medium, sein: "Wer ist der Feind?" Oder, wem das zu martialisch klingt: "Wer ist verantwortlich für einen (veränderbaren) schlechten Zustand?


Und in Folge demonstriert er dann, wie das in deutschen Medien wohl zugeht: Ob eine Satire erlaubt ist oder nicht, bemißt sich in erster Linie daran, ob der politisch richtige Gegner angegriffen wird. Und so sortiert er eine erstaunlich lange Liste von Beispielen als unerwünscht aus, die normalerweise sehr wohl als Satire gelten würden.

Nicht vorstellbar scheint ihm eine gegnerlose Satire zu sein. Dabei sind viele klassische Beispiele genau dies: Der Gesellschaft wird ein Spiegel vorgehalten. Mißstände werden so dargestellt, daß im Zweifelsfall die Betroffenen über sich selber lachen müssen und vielleicht dabei etwas lernen.

Das schließt der Autor aus. Seine zentrale Gegner-Konstruktion stellt natürlich sicher, daß der Satiriker und sein Publikum nicht Gegner sind. Gewünscht ist eine Konstellation, in der man selber eindeutig zu den "Guten" gehört und Andere als Gegner identifiziert werden, über die man lachen darf. Und lachen soll, denn die Verächtlichmachung des Gegners ist letztlich Ziel dieses Agitprops.­
R.A.



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