2. März 2012

Zitat des Tages: "Man kann jedem nachweisen, er sei Nazisympathisant". Schon wieder Harald Martenstein!

Ich biete an, für einen angemessenen Ehrensold jeder beliebigen Person rechtsradikale Tendenzen nachzuweisen, zum Beispiel einem Chef, den man hasst, oder einem Ex-Liebhaber. Ich nehme alle, auch Margot Käßmann, Jogi Löw oder Michel Friedman.
Schlußpassage von Harald Martensteins aktueller Kolumne im "Zeit-Magazin" (10/1012 vom 1. 3. 2012) unter der Überschrift "Man kann jedem nachweisen, er sei Nazisympathisant".

Kommentar: Nein, Sie müssen nicht befürchten, daß ab jetzt wöchentlich hier ein Zitat von Harald Martenstein zu finden sein wird. Aber daß ich seine Kolumne bereits vor einer Woche gewürdigt habe, schien mir kein ausreichender Grund zu sein, nicht gleich noch einmal mit einem Zitat auf ihn aufmerksam zu machen.

Denn was er jetzt schreibt, ist beklemmend und makaber-erheiternd zugleich.

Der Ausgangspunkt sind Vorwürfe gegen den Schriftsteller Christian Kracht, über dessen Roman "Imperium" Georg Diez im "Spiegel" (7/2012 vom 13. 2. 2012) geschrieben hatte:
Wenn man genau hinschaut, ist "Imperium" von Anfang an durchdrungen von einer rassistischen Weltsicht.
Einen großen Teil des Artikels von Diez nimmt ein per Mail geführter Briefwechsel zwischen Kracht und dem Amerikaner David Woodard ein. Dazu schreibt Diez:
Dieser e-Mail-Wechsel funktioniert wie ein Weihnachts­kalender des Teufels: Hinter fast jeder Tür, die man öffnet, hinter fast jedem Namen, den die beiden nennen, tauchen satanistische, antisemitische, rechtsradikale Gedanken auf.
Diese ja doch recht kräftigen, ans Denunziatorische reichenden Vorwürfe haben zu einer Debatte geführt, deren einzelne Stationen Sie in Kurzform in "buchreport" nachlesen können:
Kiepenheuer & Witsch wehrt sich gegen Rassismus-Vorwürfe - "Journalistischer Rufmord"

Schriftsteller kritisieren SPIEGEL-Artikel über Christian Kracht - "Grenzen zwischen Kritik und Denunziation überschritten"

SPIEGEL-Kritiker Georg Diez verteidigt Kracht-Artikel - "Meine Jahre mit Kracht"
Als ich im "Spiegel" die drei Artikel zu dieser Sache las - die Kritik von Diez, eine Replik des Kracht-Verlegers Helge Malchow und Diez' Replik auf die Replik - ging mir dasselbe durch den Sinn wie offenbar Harald Martenstein, als er die Kolumne schrieb:

Wenn man sich bereits derartige Anschuldigungen gefallen lassen muß, weil man eine Romanfigur mit bestimmten politischen Meinungen erfindet und mit jemandem korrespondiert, der bestimmte Meinungen äußert - wer ist denn dann überhaupt noch vor dem Vorwurf sicher, er sei ein Nazi-Sympathisant?

Das spielt Harald Martenstein durch, indem er - amüsant zu lesen, wenn einem das Lachen nicht denn doch etwas schwer wird - zeigt, wie man beliebige Personen mit geeigneten Zitaten und Details aus ihrer Biographie in diesen Ruch der Nazinähe bringen kann.

Am ausführlichsten und mit den meisten Zitaten belegt macht das Martenstein mit wem? Mit dem Schlagersänger Roberto Blanco.­
Zettel



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