17. Juli 2012

Marginalie: Ist Mahmud Dschibrils als liberal geltende NFA der vermutliche Wahlsieger in Libyen? Vielleicht wirklich nur der "vermeintliche"!

Was war das so schön gewesen! Freie Wahlen in Libyen; und dann siegt auch noch die - wie es heißt - "liberale" Allianz NFA von Mahmud Dschibril, der einst in Pittsburgh Professor war. So las und hörte man es vor einer Woche in unseren Medien.

Als Leser von ZR wissen Sie, daß es so schön nicht ist. Zwar hat die NFA mehr Sitze von den 80 gewonnen, die für Parteien reserviert sind, als jede andere Gruppierung (die übrigen 120 gehen an Einzelkandidaten). Aber von einer absoluten Mehrheit im Parlament ist sie weit entfernt; und es sieht immer weniger danach aus, daß sie eine Koalitions­regierung unter ihrer Führung wird zusammenbringen können.

Auch jetzt wird noch gezählt und gezählt; wann das Endergebnis vorliegen wird, steht in den Sternen über der Wüste Nordafrikas. Aber während man noch am Zählen ist, werden immer neue Zwischenergebnisse veröffentlicht; und hinter den Kulissen laufen längst die Verhandlungen.

Das aktuelle Bild hat gestern im Libya Herald Umar Khan entworfen; ein libyscher Journalist, der auch für den britischen Guardian schreibt. Er sieht es als entscheidend an, welchen der Allianzen und Parteien sich diejenigen anschließen werden, die als Einzelkandidaten gewählt wurden; und das werde auf keinen Fall Dschibrils NFA sein. Möglicherweise werde es aber auch keine andere Mehrheit geben:
Several of the other political parties with different ideologies but opposed the Mahmoud Jibril's NFA say they are now working closely on an alliance to establish the majority in the congress and pave the way for a unity government that excludes the NFA from power. If formed, it will be called the "nationalist" alliance. However, it seems unlikely it will achieve the necessary numbers for a clear majority given that NFP's announcement that it will not be part of any coalition in the National Congress.

Etliche der anderen politischen Parteien mit unterschiedlichen Ideologien, aber in Gegnerschaft zu Mahmud Dschibrils NFA, sagen, daß sie eng in Hinblick auf eine Allianz zusammenarbeiten, die im Kongreß eine Mehrheit haben und den Weg für eine Regierung der Einheit ebnen soll, welche die NFA von der Macht fernhält. Kommt sie zustande, dann wird sie die "nationalistische" Allianz heißen. Jedoch erscheint es unwahrscheinlich, daß sie die nötigen Zahlen für eine klare Mehrheit erreicht; denn die NFP hat angekündigt, daß sie im Nationalkongreß keiner Koalition angehören wird.
Die NFP (National Front Party) ist eine säkulare Partei, die im wesentlichen in Ostlibyen verankert ist; sie hat den Charakter einer Regionalpartei, ohne aber separatistisch zu sein. Ihr Führer Magariaf hat allerdings angekündigt, er werde, auch ohne ihr anzugehören, eine Koalitionsregierung "zum Wohl des Landes" tolerieren.

Die Regierungsbildung wird nach Einschätzung von Umar Khan also schwierig werden. Eines aber sieht er als ausgemachte Sache an:
The NFA is likely to remain as a separate bloc in the congress, as their call for the grand coalition has not found any support among other parties, at least not yet.

Wahrscheinlich wird die NFA im Kongreß einen separaten Block bilden, denn ihr Ruf nach einer Großen Koalition hat bei den anderen Parteien keinerlei Unterstützung gefunden, jedenfalls bisher nicht.



In seiner Berichterstattung zu den Wahlen in Libyen hat sich dpa (hier als Meldung vom ZDF übernommen) eine hübsche Fehlleistung erlaubt:
Anders als in den Nachbarländern Tunesien und Ägypten zeichnet sich ein Vorsprung für die liberalen Kräfte ab. Der vermeintliche Wahlsieger ruft zur nationalen Einheit auf, der wahre Wahlsieger sei das Land.
Gemeint war "der vermutliche". Aber vielleicht ist er wirklich nur der vermeintliche; der Mahmud Dschibril.­
Zettel



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