16. Dezember 2012

Kairo hat gegen die Verfassung gestimmt, aber sie wird eine große Mehrheit erhalten. Die Ergebnisse des ersten Wahltags im Einzelnen

Ein endgültiges Ergebnis des Verfassungs­referendums in Ägypten wird es frühestens in einer Woche geben. Denn am vergangenen Mittwoch war kurzfristig entschieden worden, die Abstimmung in zwei Teilen stattfinden zu lassen.

Der Grund ist, wie Al Arabiya berichtete, daß nicht genügend Richter für die Überwachung der Wahl zur Verfügung stehen. Die Richterschaft des Landes ist ebenso gespalten wie die Bevölkerung. Eine der beiden Richtervereinigungen (der Richterbund) hat einen Boykott der Wahlen beschlossen, während die andere (der Bund der Verwaltungsrichter) entschieden hat, sich an der Überwachung des Referendums zu beteiligen.

Nach ägyptischem Wahlrecht muß in jedem Wahllokal ein Richter anwesend sein, der den Ablauf überwacht. Wegen des Boykotts stehen aber hierfür nur weniger als 10.000 Richter zur Verfügung. Also entschied die Wahlkommission kurzfristig, gestern nur in einem Teil der Gouvernements des Landes wählen zu lassen. Die anderen wählen erst am kommenden Samstag.

Die Auszählung der gestrigen Wahl ist erstaunlich zügig verlaufen. Während bei der Wahl des Präsidenten mehr als eine Woche verging, bis das Ergebnis feststand, meldet Al Ahram bereits jetzt genaue Zahlen.

Diese Zahlen sind zwar noch nicht offiziell, aber Al Ahram erhielt sie von den Wahlkommissionen; bis auf Kairo, wo sie von den Parteien geliefert wurden.



Gewählt wurde jetzt in zehn Gouvernements. Wahlberechtigt waren rund 26 Millionen Ägypter; kommenden Samstag werden es noch einmal 25 Millionen sein.

Jetzt wurden 8.132.149 Stimmen abgegeben, was einer Wahlbeteiligung von nur 31 Prozent entsprechen würde. Die Wahlkommission hatte allerdings von einer Beteiligung von um die 50 Prozent gesprochen.

Al Ahram schlüsselt die Ergebnisse nach Gouvernements (governorates) auf. Hier sehen Sie diese Gliederung Ägyptens, die zugleich einen Eindruck von der unterschiedlichen Bevölkerungsdichte gibt; je geographisch größer ein Gouvernement, umso dünner ist es im Schnitt besiedelt (für eine vergrößerte Ansicht zweimal auf das Bild klicken):



In den zehn Gouvernements, die gestern abgestimmt haben, sah das Ergebnis so aus:
Kairo:
"Ja": 950.532 (43,1 Prozent)
"Nein": 1,256,248 (56,9 Prozent)

Assiut:
"Ja": 449.431 (76,08 Prozent)
"Nein": 141.244 (23,92 Prozent)

Sharqiya:
"Ja": 736.929 (65,94 Prozent)
"Nein": 380.520 (34,16 Prozent)

Aswan:
"Ja": 149.020 (76.65 Prozent)
"Nein": 45.396 (23,35 Prozent)

Nord-Sinai:
"Ja": 50.726 (78,06 Prozent)
"Nein": 14.256 (21,94 Prozent)

Sohag:
"Ja": 468.138 (79 Prozent)
"Nein": 125.810 (21 Prozent)

Daqahliya:
"Ja": 647.489 (55,1 Prozent)
"Nein": 525.713 (44,9 Prozent)

Alexandria:
"Ja": 665.985 (55,6 Prozent)
"Nein": 531.221 (44,4 Prozent)

Gharbiya:
"Ja": 468.243 (49,87 Prozent)
"Nein": 509.972 (52,13 Prozent)

Süd-Sinai:
"Ja": 8.818 (57,72 Prozent)
"Nein": 6.458 (42,48 Prozent)
In acht der zehn Gouvernements hat es also eine Mehrheit der "Ja"-Stimmen gegeben. Lediglich Kairo und das Gouvernement Gharbiya im Nildelta haben mit "Nein" gestimmt. Vergleichsweise knappe Ergebnisse gab es auch aus den anderen Gouvernements des dicht besiedelten Nildeltas, während die Gouvernements weiter südlich im Niltal wie Aswan (=Assuan), Assiut (=Asyut) und Sohag (=Suhaj) zu mehr als drei Vierteln mit "Ja" stimmten.

Bedenkt man, daß diese zehn Gouvernements überwiegend in den urbanen Gegenden liegen, in denen die Opposition stark ist, dann ist im Gesamtergebnis eine deutliche Mehrheit der "Ja"-Stimmen zu erwarten.

Jetzt wurden in den zehn Gouvernements 4.595.311 (56,50 Prozent) "Ja"-Stimmen und 3.536.838 (43,50 Prozent) "Nein"-Stimmen gezählt. Am kommenden Samstag, wenn die überwiegend ländlichen Gouvernements abstimmen, dürfte sich das noch zugunsten der "Ja"-Stimmen verschieben.

Die Moslembrüder werden sich dann mit ihrer Verfassung durchgesetzt haben. Der Preis für diesen Sieg ist aber ein tief politisch gespaltenes Land.
Zettel



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