20. März 2013

Vertrauen - verschenkt

Was macht uns eigentlich handlungsfähig? Unsere Körperkraft natürlich und unsere geistige Beweglichkeit. Beides abhängig von unserem Gesundheitszustand. 
Natürlich brauchen wir auch die Mittel, mit denen wir etwas bewegen können. Werkzeuge zum Beispiel, oder Ressourcen auf die wir zurückgreifen können - Rohstoffe, Energie, fremde Unterstützung, dergleichen.
Doch was ist in einer arbeitsteiligen Gesellschaft der Schlüssel zu den letztgenannten Gütern?

Es ist das universelle, überall gebrauchte Zwischentauschmittel: Geld
"Geld macht nicht glücklich, es beruhigt nur die Nerven", textete Rio Reiser vor nun über zwanzig Jahren. Und da hatte er Recht, denn Geldbesitz bietet - auch in geringen Mengen - eine Art Schutz.
Schutz vor Lebensmittelmangel zum Beispiel, oder einfach Schutz vor den kleinen und großen Unannehmlichkeiten des Alltags. Und wer über sein Geld frei verfügen kann und in der Lage ist, sich auszusuchen, wovor er sich nun gerade schützen möchte, genießt dadurch eine besondere, individuelle Freiheit.

Wir sind es gewohnt, über unser Geld selbst verfügen zu können. Das, was wir unser eigenes Geld nennen, ist unser Eigentum. Wir haben es uns erarbeitet, erhandelt, geschenkt bekommen oder haben es als Lohn für eine Investition erhalten. Es uns wegzunehmen ist Diebstahl.

Nun ist es selbstverständlich, dass wir unsere finanzielle Habe nicht ständig mit uns herumtragen müssen. Wir möchten uns schließlich nicht dem Risiko aussetzen, unser gesamtes Geldeigentum an einen Straßenräuber zu verlieren. Deshalb, unter anderem, vertrauen wir unsere Ersparnisse einer Institution an. Einer Geldverwahrungsstelle - der Bank.
Ein Deal zu beiderseitigem Vorteil: Der Kunde vertraut sein Eigentum dem Schutz der Bank an und hat dadurch zusätzlich noch die Möglichkeit auf bequeme Art und Weise Zahlungen an weit entfernte Geschäftspartner zu veranlassen.
Die Bank dagegen erhält mit den Kundeneinlagen eine Art Ultrakurzfristkredit vom Kunden. Geld mit dem sie arbeiten kann, welches sie dem Kunden aber jederzeit wieder zur Verfügung stellen muss.

Vielmehr sollte.

Denn an diesem Deal wird gesägt. Schon seit längerem. Vor einigen Tagen hat Frank Schäffler in seinem Weblog darauf aufmerksam gemacht, dass in Europa mittlerweile fieberhaft an Bargeldverboten gearbeitet wird: Bargeld ist ein Stück gedruckter Freiheit
Die Argumente der Reglementierer richten sich gegen Geldwäsche, Korruption, Kapitalflucht etc. Dinge, die die meisten Bürger nicht betreffen werden. Man selbst ist ja ehrlich, man hat nichts zu verbergen, zu hinterziehen oder überhaupt gar nicht genug finanzielle Mittel, um  großartige Betrügereien nötig zu haben.

In Schweden geht man sogar so weit, dass Bargeld als etwas Überholtes angesehen wird. Man braucht das doch nicht mehr, diese unhygienischen Scheine und Münzen die von Hand zu Hand gehen, gezählt und transportiert werden müssen - man hat doch diese praktischen Plastikkärtchen! Damit funktioniert der Geldtransfer doch mühelos und sicher!

Natürlich. Genau so lange, wie die Verhältnisse die gewohnten bleiben. Solange die Energieversorgung der Kassensysteme und der Datentransfer reibungslos klappt und solange das auf dem Konto befindliche Geld als individuelles Eigentum angesehen wird.

Der Fall Zypern sollte in dieser Beziehung allerdings jedem die Augen geöffnet haben. Auch wenn die geplante Zwangsenteignung gerade im letzten Moment abgewendet scheint: Im Zweifelsfall sind die eigenen Ersparnisse auf der Bank des Vertrauens wohl doch nur eine Verfügungsmasse. Zahlen, die in den Büros der Euroretter einfach mal zusammenaddiert und einer anderen Verwendung zugeführt werden könnten.
Wir haben uns daran gewöhnt, dass irgendwelchen Terroristen oder Despoten ihre Konten eingefroren werden. Recht geschieht ihnen. Wenn man ihrer nicht persönlich habhaft werden kann, schränkt man halt ihre Freiheit auf finanziellem Wege ein.
Aber was hat Kostas Normalzypriot denn schlimmes angestellt? Wofür wird er verantwortlich gemacht? Für seine Nationalität? Für die Tatsache, dass er sein Konto bei seiner Heimatbank führen lässt? Wollte man ihn jetzt dafür in Haftung nehmen, dass die europäische Gemeinschaftwährung zu keinem Mitgliedsland so richtig passt?

Gut, man könnte jetzt einräumen, dass ohne sein Zwangsengagement die betroffene Bank in die Pleite schlittern würde und sein Geld ganz verloren wäre. Man könnte auch sagen, dass so ein erzwungener, gemeinsamer Kraftakt in einem zu rettenden Bankenstandort die Steuerzahler der anderen Euroländer endlich einmal entlasten würde.

Nur, wann hat ein Rettungsversuch bisher eine dauerhafte Verbesserung bewirkt? War es nicht immer nur ein temporär gestopftes Loch, bis die nächsten Milliarden dringend notwendig wurden?
Und, könnten vielleicht nicht einfach alle europäischen Konteninhaber ... für eine gute Sache ... nur ein einziges Mal, so etwa 5 - 10 Prozent...?

Ich denke hier hat ein Dammbruch stattgefunden. Allein die Tatsache, dass es als möglich erachtet wird, das Eigentum von unbescholtenen Bürgern einzuziehen um woanders verschuldete Miseren zu bezahlen, sollte das Vertrauen der Konteninhaber in die Sicherheit ihres Eigentums erschüttern. Vor allem im Hinblick auf die dauernde Unfähigkeit der politisch handelnden Institutionen, die eigentlichen Nutznießer der nun strauchelnden Geldinstitute an deren "Rettung" zu beteiligen oder aber sie das Risiko des Totalausfalls ihres Investments tragen zu lassen, sollte ab jetzt jedem klar sein, dass man im Zweifelsfalle eher die anonyme Masse bluten lassen würde, als der Marktbereinigung freien Lauf zu lassen.

Das Elitenprojekt Euro ist damit auf einem neuen Tiefpunkt angekommen. Er hat, das wird immer deutlicher, mitnichten eine stabilisierende oder homogenisierende Wirkung. Im nun stattfindenden Kampf um das Überleben dieses politischen Großexperiments scheint es auch immer weniger Tabus zu geben.
Hier wird das Wichtigste geopfert. Das Vertrauen darauf, dass der Staat das persönliche Eigentum schützt, nachdem er sich seinen Steueranteil daran geholt hat.

Die Frage besteht darin, ob das mit staatlicher Lizenz erzeugte Papiergeld, und noch mehr sein Abbild in Form von Zahlen auf Kontoauszügen und Computerfestplatten überhaupt noch als uneingeschränktes persönliches Eigentum verstanden werden kann.

Calimero


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