12. Oktober 2013

Ein öffentliches Bauprojekt

Die Koalitionsverhandlungen in Berlin dümpeln vor sich hin und bieten wenig Nachrichtenstoff. Da wirft sich beherzt der "Luxusbischof" von Limburg in die Bresche und bietet den Medien einen schlagzeilenträchtigen Skandal: Er hätte seine Privaträume opulent umbauen lassen, die Baukosten wären von geplanten 3 auf über 30 Millionen Euro gestiegen, die zuständigen Kontrollgremien des Bistums seien überrascht und entsetzt. Ein medientechnisch richtig schöner Skandal, angereichert mit pikanten Details wie einer 15.000€-Badewanne.

Wenn man aber mal Vorstellungen der Art wegstreicht, ein Bischof hätte in apostolischer Armut zu leben, dann stellt sich Limburg als fast normales öffentliches Bauprojekt dar. Die halt fast nie pünktlich oder gar zum kalkulierten Preis fertig werden - die Skala reicht vom einfachen Dorfgemeinschaftshaus bis zum Berliner Flughafen. Limburg liegt halt irgendwo dazwischen, an den großen Bauherrn Wowereit kommt der Bischof noch lange nicht heran.

Aber woran liegt es, daß öffentliche Bauprojekte so häufig zum Skandal werden?



Ärgerliche Transparenz
Vorweg muß man daran erinnern: Auch bei privaten Bauprojekten geht viel schief.
Selbst bei vergleichsweise einfachen Neubauprojekten werden Flächen falsch berechnet, müssen nachträglich Treppenhäuser angebaut werden, muß jahrelang repariert werden ...
Auch Baufachleute machen Fehler - und das ist dann nicht die Schuld der Bauherren.

Und das gilt noch mehr bei Umbauten. Dort schlagen dann zusätzlich zwei besonders harte Faktoren zu: Denkmalschutz und Brandschutz.
In beiden Bereichen gibt es wenig explizite Vorschriften, die der Architekt einplanen kann um auf der sicheren Seite zu sein. Sondern viel wird im Einzelfall mit der zuständigen Behörde ausgehandelt. Was geht, was nicht geht - das stellt sich erst heraus, wenn die fertigen Pläne eingereicht werden. Also lange nach Baubeschluß und Kostenschätzung.

Private Bauherren haben aber einen großen Vorteil: Ihre Planungsfehler oder Probleme werden in der Regel nicht öffentlich. Auch bei Firmen können größere Mehrbeträge budgettechnisch in die Folgejahre ausgelagert werden ohne daß die Kostenüberschreitungen beim Projekt selber auffällig werden.
Der öffentliche Dienst ist dagegen ziemlich transparent. Alle Haushaltsposten sind öffentlich, alle größeren Bauprojekte werden im Haushalt einzeln explizit ausgewiesen, die Zuordnung der Ausgabeposten ist für die leitenden Politiker fast nicht beeinflußbar - jeder Fehler wird auch sichtbar.

Die Zeit steht nicht still
Was öffentliche Projekte außerdem von privaten unterscheidet ist der Zeitfaktor.
Private Bauvorhaben werden in der Regel in wenigen Jahren durchgezogen. Große öffentlichte Vorhaben brauchen dagegen meist sehr lange. Weniger der Bau selber, als die Vorplanung bzw. die Diskussion im Vorfeld über Varianten und die Entscheidung, überhaupt das Vorhaben zu machen.

Von der ersten Idee bis zum Bauabschluß kommen da schnell 10 oder gar 20 Jahre zusammen. Und da sorgt alleine der normale Inflationseffekt dafür, daß die erste Kostenschätzung locker 30%-50% überschritten wird - auch wenn alles perfekt gelaufen ist.
Und in diesen 10 bis 20 Jahren ist dann auch mit Gesetzesänderungen (Brandschutz, Energieeffizienz) zu rechnen, die immer zuungunsten des Bauherrn gehen.

In der öffentlichen Diskussion wird dieser Faktor eigentlich nie berücksichtigt. Der Betrag X hat bei X zu bleiben, egal wie alt die Schätzung ist und unter welchen Rahmenbedingungen sie erfolgte.

Mogelpackung?
Zum allgemeinen Volksglauben gehört die Ansicht, daß Politiker für ihre Bauideen anfangs bewußt niedrige Kosten behaupten, um dafür die Zustimmung zu bekommen. Und hinterher kommt es dann dicke.

Es gibt solche Fälle. Und zwar dann, wenn konkurrierende Ideen im Raum stehen oder wenn hinter dem Bau eine Gesamtmaßnahme steht (typisch: Ein großes Sportereignis), das optisch mit einer "schwarzen Null" enden soll. Da ist dann die Versuchung groß, die Kosten niedrig und die Einnahmen hoch einzuschätzen.

Aber das sind Ausnahmen. In der Regel liegt der Volksglauben falsch. Weil es für die Zustimmungsfähigkeit eines Projekts recht sekundär ist, wie hoch die Kosten genau sind. Möge die Schule nun 5 oder 8 Millionen kosten, das Stadion 20 oder 25 Millionen - es gibt fast nie eine Situation, daß das Projekt mit dem niedrigeren Preis eine Mehrheit bekäme und mit dem höheren nicht.
Entweder ist das Projekt politisch gewollt, oder eben nicht. Nur die Größenordnung der Kosten muß halbwegs mit dem Haushaltsrahmen zusammenpassen.
Wenn Politiker die Kosten für eine neue Projektidee veröffentlichen, dann glauben sie in der Regel selber daran, daß diese Schätzung reell ist.

Der harte Kern
Woher hat nun der Politiker die Kostenschätzung?
Er wendet sich an einen Fachmann. Bei ortsüblichen Projekten an die eigene Bauverwaltung, bei ungewöhnlicheren Maßnahmen z. B. an ein Ingenieurbüro.
Und der Fachmann schätzt dann aus Erfahrungen mit ähnlichen Projekten die eigentlichen Baukosten. Hoffentlich auch noch mit Zusatzkosten wie dem Abbruch vielleicht vorhandener Gebäude oder diversen nötigen Gutachten.

Aber das ist ja nur der Kern des Projekts. Dann hat man die Kosten z. B. einer Sporthalle.
Aber man hat nicht die Kosten der Einrichtung. Oder der Zufahrtsstraße. Oder der Außenanlagen.
Der Fachmann sollte ja nur die Halle schätzen, der Politiker sieht auch nur diese. Alles drumherum wird dann erst in der Diskussion der folgenden Jahre zum Thema. Und führt natürlich zu weiteren Kosten.

Aus drei mach eins
Und diese weitere Diskussion - die bei öffentlichen Projekten ja sehr lange und ausführlich werden kann - führt dann überraschend oft zu weiteren Projekten. Ja wenn man schon eine neue Halle baut, sollten eigentlich auch die angrenzenden Sportfelder saniert werden. Ja wenn man schon das Schuldach dämmt, sollte man doch gleich die Räume dort nutzbar ausbauen. Ja wenn man schon das Museum erweitert, dann kann doch auch gleich das lange gewünschte Schulungszentrum angebaut werden.

Alle diese neuen Ideen können ihre Berechtigung haben. Und meist ist es wirklich sinnvoll, solche Bauprojekte zusammenzufassen und in einem Arbeitsgang zu bauen.
Aber natürlich haben die Kosten für die zusätzlichen Projektteile mit der Ursprungsplanung und der damaligen Kostenschätzung überhaupt nichts mehr zu tun. Es ist schlicht unseriös, die Summe aller Projekte mit der Schätzung des ersten Projekts zu vergleichen.

Noch ist ja Limburg nicht vernünftig untersucht und aufgearbeitet. Aber mein Eindruck ist, daß die ominösen 3 Millionen sich nur auf ein Kernprojekt bezogen (also vielleicht nur die Privaträume mit Kapelle des Bischofs), während die jetzt im Raum stehenden 31 Millionen noch diverse andere Projekte umfassen (z. B. das Diözesanmuseum und das Schwesternwohnheim).

Und mach' nur einen Plan
Sind nun Wowereit, Terbartz-van Elst und ihre vielen Kollegen reine Unschuldsengel?
Wohl nicht.
Denn es gibt eben immer noch einen Unterschied zwischen den erklärbaren und gerechtfertigten Kostensteigerungen und einem Bauskandal.

Und der Bauskandal zeichnet sich fast immer dadurch aus, daß die Bauherren im laufenden Prozeß massiv den Bauplan ändern. Ohne sich um technische Folgeprobleme und Kosten zu kümmern.
Wenn in Limburg nachträglich das schon fertige Dach geöffnet werden mußte, weil der Bischof das Kreuz doch lieber von der Decke statt an der Wand hängend haben wollte - das gibt ganz heftige Zusatzkosten.
Wenn die verantwortlichen Politiker in Berlin die ursprüngliche Flughafenplanung mit über 500, teilweise massiven, Änderungsbeschlüssen vermurkst haben, dann sind die Folgeprobleme kaum noch mit normaler Bauplanung einzufangen.

Der schwarze Peter
Ob nun beim einem echten Bauskandal die Verantwortlichen Konsequenzen ziehen müssen - das hängt wie fast immer in der Politik nur wenig vom Ausmaß ihrer Fehler ab, sondern weitgehend nur vom Rückhalt, den sie in ihrem Umfeld haben.

Wowereit und Platzeck sind in ihrer Partei machtpolitisch unangefochten. Selbst die wiederholte und massive Blamage mit dem Flughafenprojekt konnte sie nicht ankratzen.

Der Bischof von Limburg dagegen wird sich wohl nicht halten können. Egal was er nun wirklich falsch gemacht haben mag.
Aber er liegt eben schon länger im Streit mit maßgeblichen Leuten seines Bistums, seine Gegner nutzen jedes Detail der Angelegenheit als Munition gegen ihn, für die Medien ist ein katholischer Bischof ohnehin Feindbild - in seiner schönen Privatkapelle wird wohl bald ein Nachfolger beten.

­
R.A.

© R.A.. Für Kommentare bitte hier klicken.