16. Januar 2014

Höhere Steuern gegen Kinderarmut? Ein Gastbeitrag von Christoph

Zwei Drittel (66 %) der Deutschen wären bereit, höhere Steuern zu zahlen, um die Kinderarmut zu bekämpfen. So steht es in einer Pressemitteilung des Deutschen Kinderhilfswerks, das eine entsprechende Umfrage beauftragt hatte. Nachrichtenseiten, Fernsehsender und Zeitungen berichten davon. Ähnlich viele Menschen finden, dass Kindergeld und die Hartz-IV-Sätze für Kinder zu erhöhen seien – dass Staat und Gesellschaft überhaupt zu wenig gegen Kinderarmut täten.

Die Verfasser der Pressemitteilung verschweigen, was genau sie unter „Kinderarmut“ verstehen. Vermutlich hatte auch jeder Teilnehmer der Umfrage einen anderen Begriff davon. Dabei wird das Problem „Kinderarmut“ kaum zu lösen sein, ohne Einigkeit darüber zu erzielen, worin es überhaupt besteht. Diesen Schritt überspringt das Kinderhilfswerk: die Art der Berichterstattung (vielleicht auch die Fragestellung) impliziert schon, dass Kinderarmut am besten mit höheren Steuern bekämpft werden sollte. Weitere Optionen, z. B. die, das schon vorhandene Steueraufkommen anders einzusetzen, werden nicht in Erwägung gezogen. Abgesehen davon drängt sich vor allem eine Frage auf:

Wenn viele die Kinderarmut als drückendes Problem empfinden und bereit wären, höhere Steuern für deren Bekämpfung zu zahlen – warum spenden diese Menschen nicht direkt einen Teil ihres Einkommens für die Bekämpfung der Kinderarmut? Warum erwarten sie stattdessen vom Staat, ihnen ihr Einkommen abzunehmen und Gutes damit zu tun? Erscheinen ihnen die Sozialbehörden als einzig dazu kompetente Institutionen? Ist ihre Bereitschaft, höhere Steuern zu entrichten, nur ein Lippenbekenntnis, oder sind sie nur dann dazu bereit, armen Kindern zu helfen, wenn auch andere zur Kasse gebeten werden? Hoffen sie stillschweigend darauf, dass eine höhere Steuerlast nicht sie, sondern vor allem andere trifft, wie die Besserverdiener oder gar die Superreichen? Der Wohlfahrtsstaat vermag, so scheint es, Barmherzigkeit und Nächstenliebe zu sublimieren. Dass die Not fremder Menschen uns alle angeht, bedeutet im Wohlfahrtsstaat: sie geht vor allem nicht mich, sondern alle anderen etwas an – letztlich also niemanden.

Das Deutsche Kinderhilfswerk suggeriert, indem es sich diesen Namen gibt, dass es Kindern in Not helfe, vielleicht auch Dritte um Hilfe bitte. Die hier diskutierte Pressemitteilung liest sich anders: Das Kinderhilfswerk fordert von Dritten (Politik und Wähler), Vierte (die Steuerzahler) zur Lösung des Problems zu verpflichten. Ist das ein nobler Akt der Hilfe für Kinder in Armut?

Christoph

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