28. Juni 2014

Von Verlegern und Wegelagerei. Und einer Randbemerkung zu erfolgreichen Konzernen.


Manche Sachen hören sich erst einmal grotesk an. Beim zweiten Lesen entpuppen sie sich dann als gar nicht so absurd. Ebenso gibt es Sachen, die hören sich grotesk an und auch das zweite Lesen ändert nichts an dieser Einschätzung. Und von dieser zweiten Gruppe gibt es wiederum ein paar Exemplare, die man schon als Realsatire betrachten muss.Ein solches Beispiel ist die derzeitige Diskussion um das sogenannte Leistungsschutzrecht  für Presseverleger.
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Der eine oder andere mag schon davon gehört haben, es ist eine Novelle der schwarz-gelben Regierung, die Presseerzeugnissen einen besonderen Schutz angedeihen lässt, der bis dahin nicht üblich war. Die Idee war kürzeste Textabschnitte (sogenannte Snippets) unter ein dem Urheberrecht vergleichbaren Prinzip für die Dauer eines Jahres zu schützen. Es hätte in seiner Extremform bereits das Zitieren eines einzelnen Satzes aus einer Zeitung oder einer sonstigen Verlagsveröffentlichung verboten, bzw. eine Lizenzpflicht ausgelöst. In der tatsächlich verabschiedeten Textform hat man dann (um nicht zu absurd zu werden), kleinste Textausschnitte und einzelne Wörter explizit ausgenommen, jedoch wird die Rechtsprechung in den nächsten Jahren erst einmal definieren müssen, was das genau bedeutet. Endgültig wurde das ganze zur Lex-Google mit dem Einfügen, dass nicht gewerbliche Verwender solcher Textbausteine ausgenommen sind. Simpel zusammengefasst: Die deutsche Regierung (bzw. der Bundestag) hat ein Gesetz beschlossen, dass Suchmaschinenbetreiber (um nicht gleich zu sagen Google) Snippets nicht frei verwenden können, sondern Lizenzen bezahlen müssen, wenn sie das tun.
Nun kann man darüber streiten, ob das ganze Sinn macht. Die Anhänger einer weiten Auslegung von „geistigem Eigentum“ werden dem ganzen sicher erst einmal zustimmen, schließlich macht die Firma Google ja einen Gewinn mit dem vermeintlichen Eigentum eines anderen. Solche, die dem Urheberrecht eher kritisch gegenüberstehen werden diese Idee wohl eher ablehnend gegenüber stehen. Für die eigentliche Groteske ist das aber nicht einmal wichtig.
Denn Google ist nun auch nicht blöd. Und Google möchte prinzipiell seinen Werbegewinn nicht unbedingt teilen, bzw. ist der Meinung, dass die Verleger doch eigentlich ganz gut von Google profitieren, bekommen sie doch jede Menge Traffic von Google. Darum haben sie den Spieß, etwas absehbar, relativ simpel umgedreht. Für die Suchmaschine Google gilt die robots.txt, mit der jeder Betreiber einer Webseite (also auch Verlage) problemlos verhindern kann, dass ihre Inhalte indiziert werden. Die Technik ist inzwischen nahezu 20 Jahre alt und dem hinterletzten Systemadministrator bekannt. Bei Google News geht der Konzern noch einen Schritt weiter: Wer gelistet werden möchte, muss per opt-in angemeldet sein und muss an dieser Stelle auch gleichzeitig erklären, dass er seine Inhalte (Snippets) kostenfrei zur Verfügung stellt. So gesehen ist Google aus jeder Zahlplicht heraus, es wird niemand gezwungen seine Snippets bei Google einzustellen und wer nicht mit Google zusammenarbeiten möchte, wird auch nicht dazu gezwungen.
Soweit könnte die Geschichte hier zu Ende sein und sie wäre nur eine Groteske am Rande von einem Tiger der sprang und als Bettvorleger landete. Wenn die Verleger sich nicht etwas Neues überlegt hätten (böse Zungen würden sagen, das Folgende war von vorneherein der Plan). Sie folgern das Google ja ein Monopol hat und ein Monopol muss ja in Deutschland reguliert werden. Also muss Google einfach die Inhalte der Verlage indizieren, ob es das will oder nicht. Und in der Folge auch zahlen.
Setzt man das logisch zusammen kann man auch einfach dazu kommen, dass die Verleger Anteile am Geschäft Googles haben wollen. Sie wollen eine Art Steuer auf Suchmaschinen einführen mit der kleinen Einschränkung, dass nicht der Staat sondern die Verlage das Geld einsammeln. Die Verlage haben seit Jahren alarmierend zurückgehende Zahlen zu verzeichnen, ihre Inhalte gehen immer weiter gegen andere Medien unter. Dann definiert man sich halt eine Steuer um das Geschäft zu retten. Kann ich meine Ware nicht mehr verkaufen? Ist egal, Google muss zahlen. Simpel gesagt: Wegelagerei.
Und an dieser Geschichte zeigt sich auch eine eklatante Schwäche unserer so wachsamen Demokratie. Die Medien, die sich selbst als Wächter unserer Demokratie bezeichnen, haben eine eindeutige Parteilichkeit. Entsprechend fällt die Berichterstattung aus. Kritische Stimmen werden nicht veröffentlicht, absurde Propositionen werden schön geredet, wobei an den reinen Fakten wenig schön zu reden ist. Und die Politik hat natürlich auch kein Interesse sich mit den Medien anzulegen. Was kostet es die Politiker? Nichts, aber eine guten Draht zur Presse kann ein Politiker immer gebrauchen. So sind auch die Äußerungen von Heiko Maas oder Siggy Pop gut einzuordnen. Es ist schon traurig, dass einem eine solche Verdrehung von Marktprinzipien als Freiheit verkauft werden soll.
Noch ein Gedanke am Rande dazu: Wenn ich Äußerungen von unserem „Vizekanzler“ dazu lese, dass er Google zerschlagen möchte, dann weiß ich nicht so recht ob ich lachen oder weinen soll. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass er so dumm ist, besser kann ich mir vorstellen, dass er den gemeinen Wähler seiner Partei für so dumm hält, das für möglich zu halten. Google ist ein mächtiger internationaler Konzern, der in über hundert Ländern aktiv ist und ganz sicher nicht auf Deutschland angewiesen ist. Wenn Siggy Pop in Deutschland Google verbieten möchte, dann wird das Google wehtun, aber auch nicht mehr. Wenn Google dagegen sämtlichen Support für deutsche Absatzmärkte einstellt (Suchmaschinen, Betriebssysteme, Technologie) oder einstellen muss, dann wird das Deutschland sehr viel mehr wehtun. Es ist sicher nicht so, dass deswegen morgen die Lichter ausgehen, aber prüfen Sie sich selber, lieber Leser, wie viele Google Produkte Sie selber in der vergangenen Woche oder auch nur gestern benutzt haben. Statt sich immer nur Sorgen über das Monopol Google zu machen, ist es auch mal ganz nützlich zu sehen, was Google an Technologie verbreitet hat und wie es unser Leben besser gemacht hat. Aber es ist natürlich viel einfacher auf den amerikanischen Großkapitalisten zu schimpfen. Der ist ja auch so nett und wehrt sich nicht wirklich.
Manchmal würde ich mir wünschen, dass sie es mal täten. Die Überheblichkeit deutscher Politiker geht mir jedenfalls deutlich mehr auf den Senkel als das das permanent gescholtene Verhalten von Google.
Llarian


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