11. Dezember 2014

Warum Gabriel in Bezug auf die Ex-SED recht hat und auch wieder nicht.


Es ist schon seltsam:
Ich betrachte einen politischen Vorgang, analysiere ihn und komme zu einem Schluss der identisch ist mit dem einer anderen Person, die sich der gleichen Problemstellung widmet.
Und plötzlich zweifle ich an meiner eigenen Analyse.
Weil ich die des Anderen für fehlerhaft halte. 

Aber möglicherweise liegt es auch am kleinen Unterschied zwischen "können" und "wollen"
Wenn Sigmar Gabriel im Interview lt. der FAZ sagt:
Es sei "Unsinn", so zu tun, als wolle der am Freitag gewählte erste Ministerpräsident der Linkspartei, Bodo Ramelow, den DDR-Sozialismus wieder einführen, 

kann der Unsinn darin liegen, dass er als Ministerpräsident das einführen will, was er auch kann. Und der DDR-Sozialismus gehört sicher nicht dazu. 

Und weil auch mir das klar ist, befällt mich keine Hysterie. Das war es dann aber schon mit der Gemeinsamkeit. 
Was tief in die Vorstellung vom ganz normalen demokratischen Spektrum des Herrn Gabriel blicken lässt, ist die Feststellung, die Linke gehöre auf Landesebene dazu. Als wenn eine Partei allein dadurch demokratisch wird, weil sie in eine solche Institution gewählt wird. 

Das BVerfG schrieb am 17.09.13 in seinem Urteil zur Überwachung Bodo Ramelows durch den Verfassungsschutz:
Es bestehen daher keine Anhaltspunkte dafür, dass das politische Verhalten des Beschwerdeführers als Abgeordneter von den gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Anschauungen betreffenden Gruppierungen beeinflusst worden wäre.
Die "betreffenden Gruppierungen" sind im einzelnen die kommunistische Plattform, das marxistische Forum und die Linksjugend.
Zu der Anschauung der Richter des BVerfG möchte ich folgende Aussage von Herrn Ramelow gegenüber der FAZ zitieren:
Die „Kommunistische Plattform“ als linksextremistisch einzuordnen, da muss man sich schon viel Mühe geben. Das sind nette Herrschaften. Es ist nicht meine Welt, aber ich habe sie immer verteidigt, weil auch sie ihr Recht haben, ihre Philosophie zu formulieren. 

Eine Mühe die sich Bodo Ramelow nicht macht und die wohl auch vergebens wäre, denn er sieht ihn nicht nur nicht in seiner Partei, sondern auch nicht in dem ganzen Land, welches er jetzt als Ministerpräsident regieren wird:
Auf die folgende Bemerkung der FAZ (welche dem zuvor genannten Zitat voranging):
Wenigstens einen Akzent hat die Linke setzen können: Das Landesprogramm „Toleranz“ richtet sich nur noch gegen Rechtsextremismus. Der Linksextremismus ist abgeschafft. 
antwortete Ramelow mit folgender Frage:
Können Sie mir sagen, wo es den Linksextremismus vorher gegeben hat?
Am blindesten für Linksextremisten sind wohl diese selbst, solange sie sich nicht mit der Bezeichnung schmücken wollen. 
Auch daran, dass Ramelow lt. "Die Welt" bis zum 13.10.14 die Geschäfte der Grundstücksgesellschaft Franz-Mehring-Platz 1 mbH gemeinsam mit dem früheren hochrangigen Stasi-Offizier Matthias Schindler führte, in der frühere Stasi-Mitarbeiter Gesellschafter sind und der das Verlagsgebäude des Parteiblattes "Neues Deutschland" gehört, wäre nichts auszusetzen.
In diesem Verlagsgebäude sitzt auch das "Ostdeutsche Kuratorium von Verbänden", von Hubertus Knabe Volksfront gegen die deutsche Einheit genannt, und einer dieser Verbände ist die "Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung". Gegründet von ehemaligen DDR-Ministern, Stasi-Offizieren und Grenzsoldaten.
Bevor Ramelow in die Geschäftsführung ging, war er im Stiftungsvorstand der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit dem Neubau der Zentrale der Stiftung befasst. Die von der Grundstücksgesellschaft als Hausverwalter eingesetzte Firma gehört lt. der "Welt" dem früheren Vorgesetzten von Schindler, damals Oberst in der Spionageabteilung.
Und noch einen Vorstandsposten hat der neue Ministerpräsident von Thüringen abgegeben: den in der Linken Medienakademie. Die LiMA, mitfinanziert von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, bietet Seminare an und genießt lt. der "Welt" hohes Ansehen in der linken Szene. Medienpartner sind die "taz" und, besonders interessant, die ver.di Mitgliederzeitung "Publik".
Eigentlich unnötig zu erwähnen, doch der Vollständigkeit halber:
Vorstandsvorsitzender ist natürlich ebenfalls, lt. der "Welt", ein ehemaliger Stasispitzel.

Die Staatssicherheit der DDR sei für ihn, so Ramelow, der Wesenskern des Unrechtsstaats DDR. Und so wurde alles Unrecht auch entsorgt: in die Stasi.
Selbst wenn Bodo Ramelow das Ministerium für Staatssicherheit kritisch sieht, was er schon öffentlich getan hat, so bleibt doch seine mangelnde Distanz und eben seine Beeinflussbarkeit, die nicht nur durch seinen Rückzieher beim Stasi/Gestapo-Vergleich deutlich wird. 
Eine Distanz, für die es in dieser Partei wohl nicht einmal eine Option gibt, will man denn höher hinaus.

Die Staatssicherheit hat nun, anders als die SED, keine Nachfolgeorganisation welche Teile des Landes regiert, was nicht heißen soll, dass sie nicht organisiert ist, aber heißen soll, dass so die Entsorgung ermöglicht wird. 
Es fällt auf, wie nah sie mit ihren ehemaligen Zuträgern und Führungskräften an politischen Entscheidungsträgern der Ex-SED dran ist.
Noch einmal "Die Welt":
Schindler ist über die hauptsächlich von ihm gehaltene Beteiligungsgesellschaft Communio zu 50 Prozent an der Neues Deutschland Verlag und Druckerei GmbH beteiligt. In der Communio hält der Linke-Anwalt Tilo Hejhal Anteile, der nach "Welt am Sonntag"-Informationen früher als IM "Gottfried" für die Stasi spitzelte. In der Fevac, der zentralen Firmenholding der Partei, sind ebenfalls Stasi-Zuträger: Rechtsanwalt Joachim Philipp, der in Ost-Berlin Richter am Militärobergericht war und den Decknamen IM "Achim" trug. Seine Mitgesellschafterin ist Ruth Kampa alias IM "Ruth Reimann", die zu Spionageeinsätzen in der Bundesrepublik geschickt wurde. Jetzt ist sie Justiziarin der Linke-Bundestagsfraktion. Kampa und Philipp halten jeweils 30 Prozent der Fevac-Anteile. Ehemalige Spitzel des SED-Geheimdienstes haben damit in der Holding die Mehrheit.

Nein, die Partei "Die Linke" ist keine normale Partei und schon gar keine normale demokratische Partei. Sie, die so sehr ihre Ikone Rosa Luxemburg verehrt, weiß, was unter ihrem Einsatz für den Demokratischen Sozialismus zu verstehen ist: Die "Überwindung der bürgerlichen Demokratie" und ihr Ersatz durch die sozialistische Demokratie:
"Es ist die historische Aufgabe des Proletariats, wenn es zur Macht gelangt, an Stelle der bürgerlichen Demokratie sozialistische Demokratie zu schaffen, nicht jegliche Demokratie abzuschaffen. […] Sozialistische Demokratie beginnt zugleich mit dem Abbau der Klassenherrschaft und dem Aufbau des Sozialismus. Sie beginnt mit dem Moment der Machteroberung durch die sozialistische Partei. Sie ist nichts anderes als die Diktatur des Proletariats. Jawohl: Diktatur! Aber diese Diktatur besteht in der Art der Verwendung der Demokratie, nicht in ihrer Abschaffung, in energischen, entschlossenen Eingriffen in die wohlerworbenen Rechte und wirtschaftlichen Verhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft, ohne welche sich die sozialistische Umwälzung nicht verwirklichen läßt. Aber diese Diktatur muß das Werk der Klasse, und nicht einer kleinen, führenden Minderheit im Namen der Klasse sein, d. h. sie muß auf Schritt und Tritt aus der aktiven Teilnahme der Massen hervorgehen, unter ihrer unmittelbaren Beeinflussung stehen, der Kontrolle der gesamten Öffentlichkeit unterstehen, aus der wachsenden politischen Schulung der Volksmassen hervorgehen."
Wer jetzt meint, die letzten Sätze würden sich nicht mit dem real existierenden Sozialismus in der DDR vertragen und einen wievielten Sozialismusversuch auch immer rechtfertigen, sei gewarnt:
Die "Masse" in der DDR war beteiligt, sie nahm Anteil, sie kontrollierte und war soweit "geschult", dass sie in tiefer Abneigung gegenüber der, Kapitalismus genannten, Marktwirtschaft verbunden war.
Daran ändern auch die mutigen Frauen, Männer und Kinder nichts, die 1989 auf die Strasse gingen und denen meine Hochachtung gebührt.

Der Erfolg der Ex-SED hat seine Ursache in der Annäherung Deutschlands an die wichtigsten Ziele der Partei:
Innenpolitisch, der Ausbau des Sozialetats, der Staatsquote und der Planwirtschaft unter Verdrängung marktwirtschaftlicher Elemente.
Außenpolitisch, die Passivität in und später die Herauslösung Deutschlands aus dem Bündnis mit dem Westen, namentlich der NATO unter Pflege und Verstärkung des Antiamerikanismus. Zu diesem Zweck werden auch Bündnisse eingegangen, die mit einem offenen, zur Schau gestellten, Antisemitismus einhergehen.

Wenn auch die deutsche Außenpolitik zur Zeit stabil im westlichen Bündnis steht, so ist doch zu erkennen, dass Befürchtungen unserer NATO-Partner, Deutschland könnte sich zu einem stärkeren Bündnis mit Russland bewegen lassen, nicht unbegründet sind. 

Diese Ideen sind nicht nur in der Ex-SED populär. Es sollte also bei der Betrachtung Ex-SED weniger um ihre innerparteiliche Kontinuität gehen, als vielmehr um die Verbreitung und Übernahme ihrer Ideen, die sie ihrem Ziel, in Deutschland den demokratischen Sozialismus anstelle der parlamentarischen Demokratie zu etablieren, näher bringt.

Deshalb denke ich, die Partei "Die Linke" allein ist keine große Gefahr für unsere parlamentarische Demokratie, auch nicht die Wahl Bodo Ramelows zum Ministerpräsidenten von Thüringen. 
Es sind immer noch wir selbst, die es in der Hand haben den Rosa-Luxemburg-Sozialisten die Stirn zu bieten, die Sozialdemokraten an ihr Godesberger Programm zu erinnern und die christlichen Sozialisten an Ludwig Erhard und daran, dass es soziale Marktwirtschaft heißt und nicht marktwirtschaftlicher Sozialismus.
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Erling Plaethe


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