11. April 2015

Von Feiertagen und Laternenfesten. Ein Gedankensplitter zu Kulturpessimismus und dem Kitt des Zusammenlebens.


„Frohe Feiertage“, ersatzweise auch nur ein „schönes, langes Wochenende“ ist das, was einem letzte Woche gerne gewünscht wurde, wenn man sich noch die Mühe gemacht hat einkaufen zu gehen. Ich habe dazu meistens eine ziemlich deutliche Antwort: Ich wünsche frohe Ostern. Explizit und das auch in einer Lautstärke, das man mich versteht (sprich: es ist nicht hingenuschelt). Erstaunlich oft ernte ich dann einen ganz freundlichen Blick und ein „Ebenfalls“. Zu Weihnachten erlebe ich dasselbe, nur eben ein paar Tage länger. Der Wunsch ist gerne „Frohe Feiertage“ oder „Schönen Urlaub“, aber das simple „Frohe Weihnachten“ höre ich nur dann, wenn ich es selber deutlich sage. Ich sage es auch deutlich, denn es ist eben Weihnachtszeit. Und nicht Jahresendfest. Die Kinder gehen auch zum Martinszug. Und nicht zum Laternenfest. 
Ich habe von den Verkäuferinnen (meist weiblich, Verkäufer sind ja doch noch eher selten) den subjektiven Eindruck, dass ihnen von oben vorgeschrieben wird, was sie genau sagen sollen. Und von oben her wird eine neutrale Formulierung gewählt, um bloß niemandem auf die Füße zu treten (hat irgendwer Ombia gesagt?). Dennoch freuen sich die meisten Leute, wenn man klar benennt, dass man frohe Ostern wünscht und nicht frohe Feiertage. Die meisten Leute feiern Ostern. Und sie bekommen es auch gerne gewünscht. Genauso wie sie gerne Weihnachten feiern. Und etwas geschenkt bekommen.
Inzwischen ist auch in unserem kleinen Zimmer der Begriff des Kulturpessimismus angekommen. Gerne garniert mit der Erweiterung links oder rechts, um der Schublade auch das richtige Label aufpappen zu können. Ich halte von dem Begriff ausgesprochen wenig, denn er wird in der breiten Mehrheit aller Fälle entleert von seiner tatsächlichen Bedeutung verwendet und dient eigentlich nur dazu ein gerade passendes Etikett zu generieren, womit man sich bekanntermaßen jede Auseinandersetzung in der Sache ersparen kann. Die Grundbedeutung von Pessimismus geht davon aus, dass eine Entwicklung zum Schlechteren so oder so eintritt, es keine Hoffnung gibt und eine Wendung zum Besseren nicht eintreten kann. Das steht aber relativ unabhängig von der Beurteilung der aktuellen Lage, bzw. unabhängig von dem Vergleich zwischen zwei Zuständen.
Man ist schnell als Kulturpessimist gestempelt, wenn man diverse kulturelle Entwicklungen der letzten Jahre oder Jahrzehnte negativ beurteilt. Was natürlich Unsinn ist, denn über die Beurteilung der Zukunft ist damit überhaupt nichts ausgeführt. Wenn man objektiv feststellen kann (an dieser Stelle unabhängig davon, ob die Behauptung richtig ist), dass es eine Zunahme von Jugendgewalt gibt, dann ist das zunächst, zumindest für die meisten, eine negative Entwicklung. Es hat mit Pessimismus wenig zu tun, das festzustellen. Wenn Leute sich heute hinstellen und die, ja doch recht verbreitete, Haltung offenbaren früher sei alles besser gewesen, ist damit noch keine pessimistische Haltung ausgedrückt, sondern man drückt nur einen –in aller Regel schiefen- Vergleich aus. Pessimistisch wird es erst in dem Moment, wo man davon ausgeht, dass es alles nur schlimmer werden kann. Was allerdings eine meist recht schlecht fundierte Vermutung ist. Nichtsdestotrotz ist man selbstredend schneller ein Kulturpessimist als man Pieps sagen kann, wenn man derlei Vergleiche anstellt.
Nach diesem Ausschwenk erlaube ich mir zu Ostern, Weihnachten und St. Martin zurückzukehren. Wir erleben heute, wie auch durch die letzten Jahre, eine kulturelle Entwicklung weg vom Christentum. Teilweise ganz offen vorgetragen durch hunderttausende von Austritten aus der Kirche, teilweise versteckter, beispielsweise in den Urteilen der BVerfG mit seinen Kruzifixen und Kopftüchern. Das Idealbild ist dabei eine laizistische Gesellschaft, in der das Christentum eigentlich nur noch hinter verschlossenen Türen stattfinden soll, wenn denn überhaupt, denn die Idee, die Kirchen komplett zu verdammen ist, wenn auch als Außenseiter, durchaus im öffentlichen Meinungskanon zu finden. Damit einher geht natürlich auch eine Entkernung unserer Kultur in einigen wichtigen Aspekten.
Man muss die Kirche nicht mögen, aber der Kern des Christentums ist von der Theorie her die Nächstenliebe. Mit dem Zurückdrängen der Kirche wird natürlich auch entsprechend diese Idee zurückgedrängt. Ehrenamtliches Engagement ist stark von christlichen Ideen geprägt. Und in das entstehende Vakuum drängen andere Kräfte und nicht unbedingt bessere. Glaube, Kultur und Tradition sind Dinge, die eine Gesellschaft zusammenhalten. Sie vermitteln Gemeinschaftsgefühl, Werteverständnis und Zusammenhalt. Nimmt man das weg, bekommt man eine andere Gesellschaft, eine mit weniger Zugehörigkeitsgefühl, mit anderen Moralvorstellungen und, schlimmer noch, mit unterschiedlichen Moralvorstellungen. Und wenn unterschiedliche Moralvorstellungen zu einem führen, dann ist das Konflikt, wenn nicht, in letzter Stufe, Gewalt. Beispiele gibt es weltweit eine ganze Menge, leider nicht ein einziges positives. Selbst die hochgeschätzten vereinigten Staaten mit ihrem Schmelztiegel der Kulturen, sind eine innerlich zerrissene und ausgesprochen gewalttätige Gesellschaft, deren Zusammenhalt sich nahezu ausschließlich nach außen definiert.
Ich bin kein Kulturpessimist, denn ich weiß nicht was die Zukunft bringt und denke auch, dass die Zukunft von vielen Faktoren beeinflusst wird, die nicht alle kultureller Natur sind. Ich bin aber auch kein Kulturoptimist, der glaubt nur weil etwas anders wird, wird es besser. Was ich vielleicht inzwischen bin ist ein „Konservativer“, der zumindest die Gefahren der Veränderung nicht ignorieren möchte. Wenn dieses Land, Deutschland, seine christliche Kultur zurückdrängt und bekämpft, dann wird es ein anderes Land werden. Ob besser oder schlechter wird man dann am Ende sehen. Aber es wird ein anderes sein. Der Preis wird immer am Ende bezahlt. Als 68 die Weltverbesserer auf ihren Marsch durch die Institutionen aufbrachen, waren sie voller Ideale und der Absicht alles besser zu machen. Sie machten einiges besser. Und vieles schlechter.
Daraus ableitend erlaube ich mir den Wunsch zu artikulieren, dass ich das nicht will. Ich brauche keine Kirche, aber ich will meine christlichen Wurzeln nicht ablegen. Ich brauche niemanden, der für meine Sünden stirbt, aber ich möchte in einer christlich-jüdisch geprägten Kultur leben. Ich brauche keine Erlösung, aber ich möchte in einer Gesellschaft leben, deren Ideal das der Nächstenliebe ist und nicht die Liebe zu einer esoterischen Naturvorstellung.
Und deshalb wünsche ich frohe Weihnachten. Und frohe Ostern. Und deshalb halte ich Karfreitag die Füße still und beschwere mich nicht, dass es freitags kein Fleisch gibt. Und meine Kinder gehen zum Martinszug. Ich hoffe ihre auch, lieber Leser. Denn damit alleine haben wir schon eine Menge gemeinsam. 

Llarian


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