30. Mai 2015

Kinderverwahranstalt, Indoktrinationsinsel oder doch ein Ort zum Lernen ? Ein Gedankensplitter zur real existierenden Bildungsgerechtigkeit.


Der grosse Bildungskampf der siebziger Jahre ist inzwischen schon vielen nicht mehr vertraut, aber vor nicht ganz 40 Jahren tobte in Deutschland ein Grundsatzkampf um das zukünftige Schulsystem. In der sechziger Jahren konzeptionell aus der Taufe gehoben, versuchten diverse Politiker die Idee Gesamtschule in den siebziger Jahren als die einzige weiterführende Mittelschule durchzusetzen. 
Man kann sich die Größe dieses Kulturkampfes vorstellen, wenn man bedenkt, dass damals 3,6 Millionen Unterschriften zusammengebracht wurden (in einer Zeit vor dem Internet), um den Beschluss der damaligen NRW Regierung umzuwerfen, die Gesamtschulen als einzige Mittelschule einzuführen. Der Versuch ist gescheitert und seitdem dümpelt die Gesamtschule neben den anderen Schulformen her, in einigen Bundesländern dominanter, in anderen weniger dominant.

Wie auch immer man die Bildungsideale zusammenfasst, der grundsätzliche Geist der Gesamtschule kann ganz gut beschrieben werden mit der Idee, dass möglichst alle Kinder/Jugendlichen zusammen lernen sollen und zum anderen, dass die Schule die Kinder und Jugendlichen doch bitte den ganzen Tag unterbringen soll. Kinder sollten verwahrt werden und das möglichst alle zusammen.

Um es kurz zu machen: Bei der Abstimmung mit den Füssen ist die Gesamtschule inzwischen grandios gescheitert. Natürlich werden gerade diejenigen, die selber einen Abschluss an der Gesamtschule gemacht haben, dies weit von sich weisen, aber die Zahlen sprechen für einen sehr deutlich zunehmenden Push zu den Gymnasien. Eben jener Schulform, die von den Reformern der 68er als elitäres Schulhaus der "herschenden Klasse" diffamiert wurde. Inzwischen ist es so, dass nahezu die Hälfte eines Jahrgangs auf die Gymansien drängt.
Es ist inzwischen bei nahezu jedem angekommen, dass ein Abitur ein guter Start in ein späteres Berufsleben darstellt und selbst der früher gerne gezogene Arbeiterstolz (im Jahrgang des Autors war es durchaus noch üblich, dass Schüler auf die Hauptschule mehr oder minder genötigt wurden, weil aus dem Kind mal ein anständiger Arbeiter wie sein Vater werden sollte) kommt nicht gegen das Faktum an, dass selbst bei Lehrstellen inzwischen Abiturienten bevorzugt werden. Allerdings Gymnasialabiturienten. Was auch widerum nicht verwundert, wenn Untersuchungen nahelegen, dass das Durchschnittsniveau der Mittelstufe einer Gesamtschule unter dem einer Realschule liegt.

Nun sollte man meinen, dass die Politik irgendwann den Schuss gehört hat. Statt immer mehr in scheinbar zumindest den Jugendlichen nicht helfende Ganztagsschulen zu investieren, und mehr Plätze an Gymnasien anzubieten macht die Politik....genau....das Gegenteil

Es folgt der alten politischen Erkenntnis, wenn etwas nicht funktioniert, dann muss man es einfach noch mehr tun. Wir brauchen also noch mehr Ganztagsschulen. (Am besten Gesamtschulen, wo das Konzept ja schon vorher nicht funktioniert hat.)
Und, ein Politiker ist ja nicht verlegen noch was drauf zu legen, wir brauchen mehr Lehrer für Inklusion. Inklusion ? Was war das noch gleich ? Ach ja, das ist die Idee, nein der gesetzliche Anspruch, dass man behinderte Kinder auf Regelschulen unterrichtet. Ziemlich unabhängig vom Grad der Behinderung (neudeutsch Herausforderung). Da kann dann auch schonmal der Zwang bestehen ein Down-Kind in einer Gymnasialklasse aufzunehmen, dass zwar freilich keine Chance hat dem Unterricht zu folgen, aber dafür seinen Freundeskreis beibehalten kann. Das ganze firmiert dann unter dem Ettikett Bildungsgerechtigkeit, einem ähnlich sinnvollen Begriff wie der sozialen Gerechtigkeit, unter der auch jeder verstehen darf was er will.

Nun erlaubt sich dieser Autor aber die Frage zu stellen was es mit Gerechtigkeit zu tun haben soll, wenn die wirklich angehenden Akademiker unseres Landes sich immer volleren Klassen und größeren Kursen ausgesetzt sehen, die je nachdem mit lernschwachsen Schülern ausgestattet werden, die mit aller Wahrscheinlichkeit ihren Lernerfolg deutlich verschlechtern. Das ganze zu Gunsten von Kinderverwahranstalten, bei denen es im Wesentlichen darum geht einen Elternbegriff zu fördern, der im Wesentlichen darauf abzielt mit Kindern abends mal zu schmusen, aber Förderung und Erziehung lieber staatlichen Stellen überlässt (böse Zungen würden jetzt Parallelen zu einem anderen Bildungssystem ziehen, dass vor knapp 25 Jahren untergegangen ist).
Zumal Gerechtigkeit besonders pervertiert, wenn gerade diejenigen, die das Geld haben, sich natürlich selbstredend aus dem System freikaufen, ihre Kinder auf Privatschulen oder gleich ins Ausland schicken, wo sie mit derartigen Beglückungen verschont werden. Wobei das Freikaufen nicht das Problem ist, sondern eher die Frage warum diejenigen, die zwar helle genug sind eine höhere Schullaufbahn anstreben zu können, aber deren Eltern eben einfache Leute sind, sich nicht aus diesen staatlichen Beglückungen befreien können.
Es war doch gerade mal der Gedanke des modernen Schulsystems, dass Schüler unabhängig von ihrer Herkunft eine faire Chance auf eine hohe Bildung bekommen sollten. Man kann generell darüber diskutieren, ob ein staatliches Schulwesen wirklich wünschenswert ist. Aber, wenn eine staatliche Schulpflicht besteht, die ohne Alternative jeden hineinzwingt, dann muss der Staat diesen Job auch halbwegs vernünftig machen. Dazu gehört mit Sicherheit nicht das Indoktrinieren durch Gesellschaftsingenieure oder das Unterrichten in Klassenstärken, die eher an einen Hörsaal erinnern.
Und wenn man schon von Gerechtigkeit redet, dann sollte man den Begriff vielleicht auch mal in Beziehung setzen, zu denen, mit denen der akademische Nachwuchs in Zukunft konkurrieren soll. Das sind nämlich nicht die Jungs, pardon, Mädels von der Nachbargesamtschule, sondern es sind die Chinesen, Koreaner oder Japaner dieser Welt.
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Llarian


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