9. Februar 2016

Imbeziles, fast unkommentiert. Zu einem Satz von Angela Merkel


Daß Frau Merkel, höflich gesagt, keine Meisterin der gesprochenen Sprache ist, sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Die hilflose Reihung von unabgeschlossenen Satzfragmenten, die Banalität und oft vollkommene Inhaltslosigkeit ihrer Äußerungen, nicht zuletzt der peinliche Eindruck, daß die Regierungschefin eines des führenden Industrieländer der Welt außerstande sein könnte, ohne die Hilfe eines Teleprompters einen korrekten oder auch nur abgeschlossenen Relativsatz in freier Rede in der eigenen Muttersprache zu  formulieren (ein Eindruck, der sich freilich auch bei ihrem US-amerikanischen Amtskollegen aufdrängt) - dieser Eindruck ist auch von anderen Beobachtern hervorgehoben worden, nicht zuletzt von Alexander Wendt oder Michael Klonovsky (in seinem actum diurnum vom 25. September 2015). Aber was Frau Merkel anläßlich ihres Besuchs am gestrigen Montag geäußert hat, hat doch eine andere Qualität, wie in diesem Bericht des Münchner Merkur nachzulesen ist: 

Ankara - Deutschland und die Türkei wollen in der Flüchtlingskrise besser zusammenarbeiten. "Es wird gemeinsame Polizeikooperationen geben gegen illegalen Grenzübertritt", sagte Kanzlerin Angela Merkel in Ankara.
[...]
Hintergrund des Treffens ist ein Ende des vorigen Jahres vereinbarter EU-Türkei-Aktionsplan. Die Europäische Union hatte Ankara damals drei Milliarden Euro zugesagt. Im Gegenzug soll die Türkei ihre Grenze zur EU besser schützen. Die Türkei hatte jedoch deutlich gemacht, dass das Geld nicht ausreichen werde, um die Krise zu bewältigen. 

Zum Auftakt ihrer Gespräche über die Flüchtlingskrise in Ankara wurde Merkel am Montag von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu mit militärischen Ehren empfangen. Merkel begrüßte die Soldaten, die bei Schnee und Sonnenschein angetreten waren, kurz auf Türkisch. Bei ihrem Gespräch mit Ahmet Davutoglu sagte die Kanzlerin zu, dass im Zuge des EU-Türkei-Aktionsplans auch künftig syrische Flüchtlinge nach Europa und damit auch nach Deutschland kommen werden. Es gehe darum, Menschen aus dem Kriegsland „auch aus der Türkei einen Weg nach Europa (zu) ermöglichen."

Merkel betonte, die der Türkei im Rahmen des Aktionsplans im November zugesagten drei Milliarden Euro seien „verfügbar“. Sie ergänzte mit Blick auf die baldige Auszahlung: „Wir brauchen schnelle Ergebnisse, das ist natürlich ganz im Interesse der türkischen Seite.“ Das Geld solle rasch fließen - ob Ankara dann noch mehr brauche, werde man sehen. „Jetzt, würde ich sagen, geben wir erstmal das Geld aus. Wenn es alle ist, können wir auch wieder neu sprechen."

Nur zur Erinnerung: bislang war in den Medienberichten stets die Rede davon, es ginge darum, die Regierung der Türkei dazu zu bewegen, die Flüchtlinge, die angesichts der russischen Eingreifens in den syrischen Krieg in weiterer Millionenzahl kommen werden, im eigenen Land zu versorgen, nicht aber, sie nach Europa weiterzuschicken. 

So meldeten die Nachrichtenagenturen dies am 30. November 2015:


EU und Ankara vereinbaren Flüchtlings-Aktionsplan 

30.11.2015, 07:35 Uhr | dpa, t-online.de, Reuters

Der Brüsseler Sondergipfel trägt Früchte: Die EU und die Türkei haben einen Aktionsplan beschlossen, um den Zustrom von Flüchtlingen nach Europa einzudämmen. Zudem erhalte die Türkei 3 Milliarden Euro. Das sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Abschluss des Treffens.


Merkel betonte, das Geld diene ausschließlich zur Flüchtlingshilfe, also zur Gesundheitsversorgung oder für Schulen.


 EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sagte, zur Versorgung von Flüchtlingen im Land sollten der Türkei die Finanzhilfen der EU zur Verfügung gestellt werden. Es werde keine Lösung der Flüchtlingskrise geben ohne eine Zusammenarbeit mit der Türkei.



Wie EU-Ratspräsident Donald Tusk ergänzte, soll das Geld der Türkei dabei helfen, vor allen Dingen syrische Flüchtlinge im eigenen Land aufzunehmen und zu versorgen.


Aber davon abgesehen, daß, wie es aussieht, hier auch nur wieder, wie seit dem Sommer des letzten Jahres - und eigentlich schon seit dem ersten Anwachsen der Zahl der Bootsflüchtlinge von der nordafrikanischen Küste seit mehr als zwölf Monaten - auch hier der deutschen Regierung als einzige Maßnahme die Verteilung wahlloser Milliardensummen und die Delegation jeglicher Aktivität an andere Regierungen einzufallen scheint: 

Davon einmal abgesehen: In einer existenzbedrohenden Krise, der ernstesten, die dieses Land seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs erlebt hat, in der sich die Regierung auf Gedeih und Verderb vom Wohlwollen absolutistischer Potentaten wie dem türkischen Staatspräsidenten (oder auch Assad und Putin) abhängig macht, weiß ein deutsches Staatsoberhaupt nur einen solchen Satz zu finden, den man noch einmal wörtlich vor dem inneren Ohr Revue passieren lassen sollte: "Jetzt, würde ich sagen, geben wir erstmal das Geld aus. Wenn es alle ist, können wir auch wieder neu sprechen."

Über einen von Frau Merkels Amtsvorgängern hat Karl Kraus bekanntlich den Satz geschrieben: "Mir fällt zu X nichts ein." Mir fällt mittlerweile zu Frau Merkel nichts mehr ein. Höchstens noch: Hoffen wir, daß ihr Türkisch besser ist als ihr Deutsch.









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Ulrich Elkmann


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