26. Dezember 2016

Weihnachtswunschkonzert

"Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!", rief der heilige Stephanus, dessen wir heute gedenken, vor seinem gewaltsamen Tod (Apostelgeschichte 7, 60) und flehte damit um Vergebung für seine Peiniger. "Ich wollte, es wäre Nacht oder die Preußen kämen", soll der Duke of Wellington vor der Schlacht von Waterloo geäußert haben. Und George Bailey, der von James Stewart verkörperte Protagonist in Frank Capras Tragikomödie Ist das Leben nicht schön? lässt sich, akut suizidgefährdet, von einem Engel die Entwicklung der Kleinstadt Bedford Falls vor Augen führen, welche diese ohne Georges segensreiches Wirken genommen hätte.
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Unser Leben ist begleitet von Wünschen: Bisweilen sind sie vollkommen altruistisch (Stephanus), manchmal stehen sie im Dienst einer höheren Sache (Wellington) und bald sind sie auf rein persönliche Verhältnisse zugeschnitten (George Bailey). An Weihnachten wird traditionell viel gewünscht, sei es ein frohes Fest oder das, was man unter dem Christbaum sehen möchte.

In den Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat, bevölkerten Feen die Wälder und erfüllten - schön und eher wortkarg - so manchem Passanten die genretypischen drei Wünsche. In unserer postpatriarchalischen Ära haben die gemäß der Überlieferung stets weiblichen Zauberwesen ihre rhetorischen Fähigkeiten und ihre Diskussionsfreude offenbar in sozialwissenschaftlichen Proseminaren geschärft, und die allenthalben grassierende Rationalisierung hat dazu geführt, dass die gute Fee nur noch einen einzigen Wunsch gewährt.

So jedenfalls stellt dies der Schriftsteller Benjamin Maack in einem (wiewohl nicht rundum) gelungenen Beitrag für SPIEGEL-Online dar. (Mit gnädiger Feiertagsstimmung betrachtet geht etwa die überaus platte Kapitalismuskritik als linke Selbstparodie durch.) Interessant ist der Text vor allem darin, dass er die Wunscherfüllung konsequent zu Ende denkt und thematisiert, was ein in die Realität umgesetzter Wunsch nicht vermag: Auch wenn in Syrien der Krieg vorbei wäre, würden seine Akteure doch immer noch ihre Interessen verfolgen, vielleicht auf andere Art und Weise. Um ein von Maack nicht angeführtes, banales Beispiel zu nennen: Wer sich die mit Goldstücken gefüllte Kiste wünscht, ist nicht vor den Räubern gefeit, die sie ihm wegnehmen. Maack erlebt in seinem Dialog so etwas wie Candide im Schnelldurchlauf und wünscht sich von der guten Fee letztendlich ... nichts.

Aber das ist natürlich schade. Denn wenn einem schon einmal eine Fee begegnet, sollte man seinen Wunsch auch formulieren. Ganz blogtypisch als Zweitverwerter greift der Verfasser dieser Zeilen Benjamin Maacks Idee auf und startet einen call for wishes. Für die Diskussion im Kleinen Zimmer sind materielle Begehren eher wenig ergiebig, da es zu dem gut dotierten Bankkonto, dem Sportwagen, dem Schloss in der Provence oder zwischenmenschlichen Triebabfuhrphantasien eher wenig zu kommentieren gibt. Über Geschmack lässt sich nun einmal nicht streiten. Für rein auf die persönliche Sphäre begrenzte ideelle Wünsche gelten analoge Erwägungen. Allerdings will unsere Fee nicht allzu kleinlich sein und, dem liberal-konservativen Fluidum geschuldet, die traditionelle Anzahl von drei Wünschen zulassen.

Zur Beantwortung anheimgestellt sei also die folgende Frage:

Welchen ideellen Wunsch, dessen Erfüllung nicht nur für Sie oder Ihr persönliches Umfeld von Relevanz ist, würden Sie gegenüber einer guten Fee äußern? (Es können bis zu drei Wünsche genannt werden.)

Auf Ihre Zuschriften im Kleinen Zimmer freut sich
Noricus

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