13. Juli 2017

Weg mit den kleinen Klimakillern

Wie wir alle wissen, zerstört der Mensch durch seine industrielle Lebensweise den Planeten Erde, und zwar vor allem durch die Emission von Kohlendioxid. Besorgte Mitmenschen fragen sich, wie sie in ihrer ganz persönlichen Lebensführung dazu beitragen können, die dadurch drohende Klimakatastrophe abzuwenden. ­

Rat und Führung in dieser Hinsicht wird ihnen zwar in reichem Maß zuteil. Medien, Schulen, Regierungen und Nichtregierungen klären das Volk unablässig darüber auf, was es tun kann. Aber sagt man ihm überhaupt das Richtige? Wieviel CO2-Reduktion bringen die Empfehlungen überhaupt?

Diese Frage ist nunmehr geklärt. In der Zeitschrift "Environmental Research Letters" erschien gestern eine Studie mit dem Titel "The climate mitigation gap: education and government recommendations miss the most effective individual actions", die hier harte Kritik übt. Wie der Titel besagt, empfiehlt man den Leuten keineswegs die effektivsten Maßnahmen, mit denen sie ihren Fußabdruck verringern können.

So stellen die Autoren Wynes und Nicholas fest, dass der vollständige Verzicht auf eine bestimmte Art der Emission wie etwa aufs Fleischessen mehr bringt als der bloß teilweise Verzicht. Dennoch werden in den Schulbüchern fast nur die gemäßigteren Formen des Verzichts gepredigt. Alles in allem, werden überwiegend wenig oder nur halbwegs wirksame Methoden empfohlen.

Vorschläge, wie etwa den, Plastiktüten durch Papiertüten zu ersetzen und so 5kg CO2 im Jahr einzusparen, banalisierten den Klimaschutz bloß. Besser, man würde den Jugendlichen erklären, dass fleischlose Kost hundertmal mehr CO2-Ersparnis bringt als diese Papiertüten. Gerade junge Menschen könne man für die notwendigen drastischen Änderungen im Lebenswandel gewinnen.

Folgende Maßnahmen haben kaum einen Effekt:
Ökozertifizierte Produkte kaufen
Hühnerhaltung im Garten
Ökotourismus
Den Rasen seltener mähen
Kompostieren, einen Baum pflanzen
Müllvermeidung
Wasser sparen

Etwas mehr, aber auch nicht viel, hat das Weltklima von diesen Maßnahmen:
Regionale Kost verzehren
Recycling
Weniger Fleisch essen
Weniger Lebensmittel wegwerfen
Energie sparen, z.B. Wäsche an der Luft trocknen u. dgl.
Energieeffiziente Produkte kaufen
Öffentliche Verkehrsmittel nutzen oder Fahrrad fahren
Solarpaneele aufs Dach setzen
Wärmedämmung

Schon ganz gut wirkt Folgendes:
Vegetarisch essen
Ein sparsames Auto kaufen
Ökostrom beziehen
Einmal weniger im Jahr über den Atlantik fliegen
Ohne Auto leben

Wer all das tut, spart pro Jahr zwischen 4500 und 15000kg CO2 ein.

Nicht schlecht, könnte man meinen, aber nichts gegen die eine und einzige Klimarettungsmethode, die wirklich etwas bringt: man setze ein Kind weniger in die Welt! Damit spart man zwischen 23700 und 117700kg CO2.

Das heißt: jedes zusätzliche Kind verursacht der Welt sechs mal mehr Pein, als alle anderen Kohlendioxidschweinereien zusammengenommen. Kinder machen die Erde kaputt.

Nun kann man sich natürlich fragen, warum mein Kind die Umwelt sechs mal mehr belastet als ich. Schließlich bin ich selbst Kind, nämlich meiner Eltern. Außerdem bin ich nur zur Hälfte an dem Kind beteiligt, sonst würde man den Ökofußabdruck des Kindes ja doppelt zählen. Dabei wird allerdings übersehen, dass Kinder ihrerseits in der Regel Kinder haben, und die CO2-Emissionen meiner Enkelkinder daher zu einem Viertel auf mein Konto zu buchen sind, die der Urenkel je zu einem Achtel - und so weiter. *)

Jedes Kind schadet also sechs mal so viel wie alles andere zusammen. Das ist schon ein ziemlich erschreckendes Ergebnis. Ursprünglich wollte die Umweltbewegung den Planeten für unsere Kinder retten, von denen wir ihn ja nur geborgt haben. Jetzt ist klar: wir müssen den Planeten nicht für, sondern vor unseren Kindern retten!

Bei genauerer Betrachtung haben die Resultate dieser Studie jedoch auch etwas ungemein Befreiendes.

Kinderlose Ökotrampel können sich jetzt nämlich beruhigt zurücklehnen und die vielfältigen Bemühungen der Klimaretter in der Nachbarschaft belächeln. Haben diese Kinder, dann liegen sie schon uneinholbar hinten, haben sie keine, dann ist der Unterschied zwischen dem fleischessenden Autofahrer und den Ökoasketen kaum noch der Rede wert angesichts der vielen Kinder, die überall den Planeten ruinieren.

Wer aber die Umwelt schon mit einem oder mehreren Kindern versaut hat, kann sich gleichfalls entspannen und dem Hedonismus frönen, alles weitere ist dann ja auch schon im Prinzip egal.

Wer jung ist und sich überlegt, ob er Kinder in die Welt setzen soll, darf ab heute in diesem Tun sogar einen befreienden, selbstlosen Akt sehen.

Indem nämlich der ökologische Fußabdruck der Nachkommen ihren Eltern aufs Konto geschrieben wird, wie die Studie das tut, befreit man diese offenbar von jeder eigenen Schuld. Unbelastet von schlechtem Ökogewissen können sie frei und fröhlich ihr Leben genießen, während die Eltern zwar als Umweltfrevler am Pranger stehen, sich hinsichtlich ihrer Kinder jedoch einer moralischen Großtat rühmen können.

Und schließlich: ob die Menschheit in der Klimakatastrophe untergeht oder am Kindermangel ausstirbt - ist das nicht am Ende gleich? Hauptsache doch wohl, es hört auf.


*) "For the action ‘have one fewer child,’ we relied on a study which quantified future emissions of descendants based on historical rates, based on heredity (Murtaugh and Schlax 2009). In this approach, half of a child’s emissions are assigned to each parent, as well as one quarter of that child’s offspring (the grandchildren) and so forth."

Quellen:

Wie jeder Einzelne den Klimawandel bremsen kann, Die Welt vom 12.7.2017.

Seth Wynes, Kimberly A Nicholas: The climate mitigation gap: education and government recommendations miss the most effective individual actions, Environmental Research Letters, Volume 12, Number 7 (2017).

Kallias

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